Süddeutsche Zeitung

Sammler:64 Vespas im Einfamilienhaus

Karl Scharl sammelt die Roller aus Italien seit 30 Jahren. In seinem Haus in Mauern hat er ein privates Museum eingerichtet. Ein Besuch.

Von Alexandra Vettori

Sie stehen überall, zumindest in den beiden unteren Etagen des großzügigen Einfamilienhauses. Der Keller ist voll, der Wintergarten im Erdgeschoss auch, und an den Wänden im Treppenhaus hängen alte Film-Plakate, auf denen ebenfalls Vespas zu sehen sind. Überall Vespas. Karl Scharl besitzt sie sogar als Suppennudeln. Einige Kilogramm in Form des Kultrollers hat er vor einigen Jahren in Italien anfertigen lassen, für ein Vespa-Treffen, ein paar Tüten sind noch da.

Vespas seien sein Leben, sagt der 45-Jährige freimütig, seit er mit 15 Jahren seinen ersten Roller bekam. Natürlich gibt es die 50er, Baujahr 1974, noch. Sie steht ebenso im Keller, wie ihre Nachfolgerin, die 200er, die er als 18-Jähriger bekam, und mit der Karl Scharl erst vergangenen Sommer bis nach Kroatien gefahren ist. 110 000 Kilometer hat sie auf dem Tacho, "und hat mich immer noch nach Hause gebracht".

Alle blitzblank gewienert

Ansonsten befinden sich unter den 64 Motorrollern, die Scharl im Laufe der vergangenen 30 Jahre gesammelt hat, ausschließlich Raritäten. Die Ur-Vespa zum Beispiel, eine V98, Baujahr 1947, in graugrün-metallic. Sie hat noch keinen Ständer, man lehnt sie einfach auf die Verkleidung. Wie viel das Gefährt wert ist, darüber spricht Scharl nicht, wie jeder wirkliche Sammler.

Sie sind da, in seinem Keller, teils selbst restauriert, alle blitzblank gewienert und im Originalzustand, das ist alles, was zählt. Wie die französische Militär-Vespa, Baujahr 1959. Eingesetzt im Indochina- und Algerienkrieg, wurde das mattschwarz lackierte und mit Sturzbügel versehene Gefährt samt Fahrer und Fallschirm abgeworfen, um hinter die feindlichen Linien zu gelangen. Wozu, das ist an einer weiteren Sonderausstattung zu erkennen: Vorne, neben dem Licht, ist ein langes Rohr für die Panzerfaust angebracht, links und rechts des Sattels sind je drei Halterungen für die Munition. "Da gibt es heute noch 40 Stück weltweit, es sind wenige aus dem Krieg zurück gekommen", sagt Scharl.

Auch ein Vespa-Auto gehört zu seiner Sammlung, nicht irgendeines, sondern eines der letzten existierenden 200 Sportmodelle. Baujahr 1962, 14 PS, ein Viersitzer mit Schiebedach und so genannten Selbstmördertüren, die sich nach hinten öffnen. Eigentlich, sagt Scharl, "ein wunderschönes Auto von der Form her, ausgestattet nur mit dem Notwendigsten, in Frankreich gebaut, das billigste Auto im Land, aber zu spät auf den Markt gekommen".

Oder die Ape, eine Vespa mit Ladefläche und zwei Rädern hinten, Baujahr 1955. Vespa, erläutert Scharl, heiße ja Wespe, Ape dagegen Biene, weil es der Roller für die fleißigen Transporteure war. Auch dieses Gefährt eine Rarität, weil, so Scharl, "die zu Tode gearbeitet worden sind". Von der Biene hier habe er erfahren, dass sie in Bari stehe, da sei er gleich hingefahren und habe sie gekauft.

"Ich wollte sie immer anschauen"

Die Idee mit dem Museum entstand, als er vor zehn Jahren mit seiner Frau das neue Haus bezog. Erst einmal sei es ganz eigennützig gewesen, "ich wollte sie immer anschauen", sagt Karl Scharl mit einem Lächeln, also mussten sie vernünftig untergebracht und beleuchtet werden. Die Frage an seine Frau Isabella, was sie von der Rollersammlung im Haus halte, beantwortet sie mit "nicht Roller - Vespas", und die Sache ist klar.

Es sei die Idee seiner Frau gewesen, sie im Haus unterzubringen, fügt Scharl hinzu. Auch Isabella Scharl ist längst infiziert mit dem Vespa-Virus, dass sie nicht mehr so oft im Sattel sitzt, liegt am vierjährigen Sohn Lorenz, "Babypause", sagt sie lächelnd. Aber einen Kindersitz habe sie schon und im kommenden Frühjahr werde man zu Dritt starten. Wer das Vespa Museum Mauern besuchen möchte, muss sich vorher telefonisch (0 87 64/94 84 21) anmelden, dann nimmt sich Karl Scharl, der als Lagerlogistiker bei Steinecker in Freising arbeitet, Zeit.

Bis zu drei Stunden dauert eine Führung, je nach Interesse

Eine bis drei Stunden dauert eine Führung, je nach Interesse. Die Menschen, die den Weg zu ihm finden, seien ganz unterschiedlich und kommen sogar aus England, Belgien oder Italien, erzählt er. Was sie im Vespa Museum zu sehen bekommen, sind nicht nur Roller, sondern auch Sammlerkrimskrams aller Art: eine Zapfsäule, Damen-Nylonstrümpfe mit Vespa-Druck aus den Fünfzigerjahren, Original-Plakate und Kalender, Briefmarken, Tassen, Feuerzeuge, Schokoformen und Massen von Plaketten von Vespa-Treffen. Auch hier seltenste Exemplare, aus Haifa zum Beispiel, Südafrika, Mexiko oder Singapur. Letztere sei, betont Scharl, "die einzige in Deutschland".

Für ihn, der als Präsident des Vespa-Veteranen Clubs auch überregional bekannt ist, bedeuten all die Schätze im Keller mehr als nur eine Sammlung. Sehr oft, erzählt er, "schaue ich mir vor der Arbeit einfach noch irgendwas fünf Minuten an, zur Entspannung", eine morgendliche Vespa-Meditation sozusagen. Vollkommen ist die Sammlung freilich nicht, "es gibt schon noch ein paar Modelle, die fehlen", sagt Karl Scharl. Und einen Kellerraum habe er auch noch.

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SZ vom 07.01.2016/kbl
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