Vortrag:Kein Henkelpott

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Eine Weihwasserschale aus Chrysolith und der Smaragd-Griff eines Weihwedels gehörten einst zu den kostbarsten Objekten des Freisinger Domschatzes. Liturgisch waren die längst verschollenen Stücke wohl nur bedingt tauglich

Von Johann Kirchberger, Freising

Eine Weihwasserschale aus Chrysolith und der dazugehörige Griff eines Weihwedels aus Smaragd gehörten einst zu den kostbarsten Objekten des Freisinger Domschatzes. Seit der Säkularisation seien die beiden Stücke verschollen und müssten wohl als verloren gelten, sagte die Bonner Kunsthistorikerin Ingeborg Krueger bei einem Vortrag im Kardinal-Döpfner-Haus, zu dem das Freisinger Stadtarchiv eingeladen hatte.

Carl Meichelbeck hatte in seiner 1724 erschienen "Historia Frisingensis" über Schale und Weihwedel berichtet und auch eine Kupferstichtafel als Abbildung beigefügt. Schon in einem knappen Inventar im Jahr 1352 wird die Schale erwähnt. Sie hatte nach späteren Beschreibungen einen Durchmesser von 21,5 Zentimetern, war 4,8 Zentimeter hoch und soll fast ein Kilogramm schwer gewesen sein. Das Dekor der Schale bestand aus sechs großen Kreismotiven. Es soll sich dabei um eine sasanidische Glasschale aus dem Iran des 6./7. Jahrhunderts handeln. Lange wurde angenommen, die Schale sei eine Schenkung von Beatrix von Burgund, der zweiten Ehefrau von Kaiser Friedrich Barbarossa, als Dank für ihre Heilung von Lepra durch Gebete des heiligen Korbinian.

Ingeborg Krueger verwies diese Provenienz in den Bereich der Legende. Wahrscheinlicher sei, dass die Schale von Kreuzfahrern um 1200 in Konstantinopel geraubt worden ist. Der neue Eigentümer dürfte dann der vermeintlichen Edelsteinschale, so Krueger, eine Fassung aus vergoldetem Silber gegeben haben. Nach dem bei Meichelbeck zu sehenden Stich bestand sie aus einem 1,7 Zentimeter hohen Fuß und einer glatten Randeinfassung. Die Verbindung dazwischen bildeten sechs Drachen. Nicht bekannt ist, ob die Schale mit oder ohne Fassung in den Freisinger Besitz gelangte. Nicht geklärt werden könne auch der liturgische Verwendungszweck, sagte Krueger, weil die Schale für einen Weihwasserbehälter zu schwer, zu flach und ohne Henkel nur schwer zu handhaben gewesen sei. Sie vermutet, dass es sich um ein reines Schatzkammerobjekt gehandelt habe.

Wie dem auch sei, Schale und Weihwedel wurden Jahrhunderte sorgsam im Dom aufbewahrt. Aufgrund der enormen Verschuldung des Hochstifts entschloss sich der letzte Freisinger Fürstbischof, Joseph Konrad von Schroffenberg, zu deren Verkauf. Er schickte seinen Geistlichen Rat Joseph Heckenstaller 1796 mitsamt den Preziosen nach Wien, um sie vom kaiserlichen Hofjuwelier begutachten und ihren Wert schätzen zu lassen. Der stellte fest, dass die "Handhebe" kein Smaragd, sondern aus Glas sei und bezweifelte auch, dass es sich bei der Schale um einen "Chrysolit" handle, weil er von so außerordentlicher Größe sei. Gleichwohl notierte Heckenstaller einen geschätzten Wert von 100 000 Gulden und nahm Verhandlungen mit einem russischen Gesandten auf, weil Zarin Katharina die Große das Stücke erwerben wollte.

Aus dem Geschäft wurde jedoch nichts, die Zarin starb und Heckenstaller kehrte mit den Wertobjekten zurück nach Freising. Der angebliche Chrysolit wurde noch zur Zeit der Säkularisation in der oberen Dom-Sakristei aufbewahrt und dürfte mit dem Kirchensilber und den übrigen Freisinger Preziosen 1803 nach München gekommen sein. Weil sich der Hofjuwelier seinerzeit nicht festlegen wollte, sei das Material der Schale nie als Glas bloßgestellt worden und habe noch lange nach ihrem Verschwinden als kostbare Chrysolith-Schale gegolten. Deshalb halte sie es auch für unwahrscheinlich, dass sie entsorgt worden sei, so die Kunsthistorikerin. Da die Regierung aber schon 1816 nichts mehr über ihren Verbleib wusste, dürfte sie auf mehr oder weniger legale Weise in eine private Sammlung gelangt sein. Für Krueger besteht damit die vage Hoffnung, dass die Schale noch existiert. Zwei andere wertvolle Hostienschalen aus Freisinger Besitz sind später in einem New Yorker Museum aufgetaucht.

© SZ vom 27.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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