Süddeutsche Zeitung

Viele Optionen:Große und kleine Brauer

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Auf dem Weihenstephaner Campus gibt es verschiedene Wege, sich mit der Herstellung von Bier zu beschäftigen. Manche Studiengänge sind praxisnah, andere theoretisch.

Von Laura Dahmer, Freising

Bier studieren, das klingt ziemlich gut. In Freising hat man sogar die Auswahl: einen Bachelor of Engineering in Brau- und Getränketechnologie an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, einen Bachelor oder gar Master of Science in Brauwesen und Getränketechnologie an der Technischen Universität München - oder doch Brauwesen mit Abschluss Diplom-Braumeister? Das klingt nicht nur nach vielen Optionen, sondern auf einmal auch komplexer. "Bier studieren", was bedeutet das eigentlich? Und worin liegen die Unterschiede der verschiedenen Abschlüsse? Drei Studenten der beiden Hochschulen erklären ihr Studium.

"Früher dachte ich, Brauer seien dicke Bayern in Lederhosen"

"Brauer - früher dachte ich immer, das seien dicke Bayern in Lederhosen", gibt Pauline Stay lachend zu. Dass man Bierbrauen studieren kann, war ihr nie so klar. Heute ist das anders, sie ist quasi selbst zu einer "dicken Bayerin in Lederhosen" geworden: Die gebürtige Hessin studiert im dritten Semester den Bachelor Brau- und Getränketechnologie an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.

Eigentlich wollte die 22-Jährige Medizin studieren. Als sie während der Schule in einer kleinen Brauerei arbeitete, kam sie auf einen anderen Gedanken: "Ich habe mich ziemlich gut mit einem der Brauer verstanden, er hat mich manchmal mitbrauen lassen und mir von dem Studium erzählt. Die Entscheidung kam aus dem Bauch heraus, ich bereue es keinen Tag." Das Studium macht Pauline dual, in ihren Semesterferien arbeitet sie bei einer Brauerei in München.

Am Ende ihres Bachelors hat sie damit gleichzeitig eine Ausbildung zum Brauer und Mälzer. "Und nicht nur die theoretischen, ingenieurwissenschaftlichen Inhalte des Studiums: Mathe, Chemie und Physik." Obwohl auch diese Fächer an der Hochschule immer den Bezug zum Bier herstellen: In Physik berechnen die Studierenden die Schaumhaltbarkeit von Bier, in Mikrobiologie geht es um Bierschädlinge und in Chemie lernen sie die Zusammenstellung von Malz und Hopfen.

In der Forschungsbrauerei darf man ausprobieren

Pauline gefällt das gut. Konkurrenzkampf, die großen Vorlesungen, der wissenschaftlichere Ansatz der TU - das wäre nichts für sie: "Unsere Professoren achten sehr auf den Bezug zum Produkt, wir machen viele Ausflüge. So kann man direkt sehen, wo man selbst später mal arbeiten will." Die Studenten bekommen viele Möglichkeiten, sich in der Forschungsbrauerei der Hochschule auszuprobieren. Pauline hat dort ein Brau-Kit ausgeliehen, um Bockbier herzustellen. Und was möchte sie später machen? "Eine eigene Brauerei eröffne ich niemals", weiß die Studentin. Der Markt sei übersättigt und das Überleben zu schwer. "Aber eine Führungsposition in einem bestehenden Betrieb, um dort Anlagen und Prozesse zu verbessern - das kann ich mir gut vorstellen."

"Das Bier machen wir lieber nicht auf, sonst denken alle wieder, wir betrinken uns hier nur", gibt Caroline Falterbaum zu bedenken. Ihr Kommilitone Maximilian Dierig hatte das vorgeschlagen, damit das Foto nicht so gestellt aussieht. "Wegkriegen tun wir es danach auch noch", merkt er mit einem Augenzwinkern an. Müssen sich die beiden tatsächlich oft mit Vorurteilen herumschlagen, wenn sie von ihrem Studium erzählen? "Ich will es nicht Vorurteile nennen, das klingt so negativ. Eher Klischees. Die meisten finden das, was wir studieren, auch ziemlich cool. Weil sie das Produkt eben cool finden." Jeder kenne Bier, aber was alles dahintersteckt, wisse keiner so genau - und dann kämen die "blöden" Fragen. "Ich sage manchmal, dass ich nur Getränketechnologie studiere - eben, weil ich keine Lust auf diese ganzen Fragen habe", gibt Caroline zu.

Lieber praxisnah oder eher wissenschaftlich?

Aber was steckt nun hinter dem Studium? Und wie unterscheidet sich der Diplom-Braumeister vom Bachelor- und Masterstudiengang Brauwesen und Getränketechnologie? "Wir nennen das hier den kleinen und den großen Brauer", erklärt Maximilian. Er ist Fünftsemester im Diplom-Studiengang und damit auf dem Weg zum "kleinen Brauer". Caroline hingegen hat gerade mit dem Master in Brauwesen und Getränketechnologie angefangen - dem "großen Brauer". "Wir sind praxisnaher und produktorientierter, dafür fehlt uns der tief greifende ingenieurwissenschaftliche Hintergrund", versucht der gebürtige Sauerländer, die Unterschiede zu erklären.

Und obwohl sich sonst viele Veranstaltungen mit dem Bachelor überschneiden, könnte Max nach dem Diplom nicht direkt zum Master übergehen. Der Diplom-Braumeister geht meist zurück in die Brauerei und die Produktentwicklung, Caroline und ihre Kommilitonen enden vermutlich in der Zulieferbranche oder im Anlagenbau - oder eben in der Forschung. Für den Diplom-Braumeister wird daher ein ganzes Praxisjahr vorausgesetzt, der Bachelorstudiengang verlangt sechs Wochen Vorpraktikum. Maximilian hat vor dem Studium eine Ausbildung in einer Brauerei gemacht. Die TU hat Maximilian dann eine Illusion geraubt: "Genau das, was viele denken. Brauwesen - das ist was mit Bier! Dann kommt man an die TU und denkt: Das ist ja gar nichts mit Bier." Zumindest in den Grundlagen der ersten beiden Semester. "Hätte ich nur nach dem Modulhandbuch meines Studiengangs entschieden, säße ich heute wahrscheinlich nicht hier", bemerkt Caroline lächelnd. Experimentalphysik, Zellbiologie, Höhere Mathematik, Organische Chemie - das Wort Bier liest man dort anfangs tatsächlich nur selten.

Könnte er etwas an seinem Studium ändern, würde Maximilian genau dort ansetzen: "Mir fehlt das Brauen. Aber gut, das hier ist halt auch eine Universität. Alles, was ich an Bier braue, mache ich weitestgehend privat", stellt der 24-Jährige fest. Und Caroline? Sie findet die Trennung zwischen der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und der TU schade, wünscht sich mehr Austausch: "Es gibt durchaus einen ausgeprägten Konkurrenzgedanken, das ist, schätze ich auch, gewünscht. Aber ich bin sicher, dass ich von denen auch was lernen kann."

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SZ vom 03.11.2018
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