Süddeutsche Zeitung

Freising:Stellenanzeige: Suche Mama, biete Arbeit

  • Der Chef der Freisinger Kreativ-Agentur Kasper Communications hat eine Stellenanzeige in Facebook gestellt, in der er explizit nach Müttern sucht.
  • Damit verstößt Michi Kasper klar gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.
  • Dem Firmeninhaber ist das egal - er will mit seiner Anzeige nicht nur Mitarbeiter gewinnen, sondern auch andere Unternehmen wachrütteln.

Von Eva Zimmerhof, Freising

"MAMA gesucht!", heißt die aktuelle Stellenausschreibung der Kreativ-Agentur Kasper Communications. Veröffentlicht wurde sie vor wenigen Tagen als Facebook-Post, 200 Gefällt-mir-Angaben hat sie dort bereits. Agenturchef Michi Kasper sucht eine neue Mitarbeiterin, Einstellungsvoraussetzung: "ein Kind zur Welt gebracht zu haben". Doch dies kann zum Problem werden.

Der Widerhall bei Facebook ist überwältigend, die Kommentare fallen fast sämtlich positiv aus. "Nice nice!", steht da, "sehr geil", "ist das 'ne nette Stellenausschreibung". Dann kommen vereinzelt andere Töne: "Kann keine Geburt bieten" schreibt jemand, ein anderer fragt: "Warum schließt du Männer aus?"

"Die Ausschreibung verstößt natürlich gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz", sagt die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Freising, Petra Lichtenfeld, "das muss schon sehr gut begründet sein, damit diese Anforderung gerechtfertigt ist". Ziel des seit 2006 geltenden Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist es, "Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen."

"Schon das ,Mama gesucht' ist ein No-Go", sagt der Freisinger Fachanwalt für Arbeitsrecht Claus Huber-Wilhelm. "Das kann schon ein Bumerang sein, der demjenigen eine Menge Klagen beschert. Aus meiner Sicht ist die Grenze der AGG-Beschränkungen deutlich überschritten". Es handele sich "ganz klar" um Geschlechter-Diskriminierung, ebenso werden damit Kinderlose diskriminiert. "Schließlich ergibt sich aus der Begründung, dass laut der Anzeige eine 'Mama' gesucht wird, erneut die AGG-Widrigkeit, da es zweifelsfrei auch unter männlichen potenziellen Bewerbern solche gibt, die 'stressresistent, gut vernetzt, bestens ausgebildet' sind", so Huber-Wilhelm.

Er sieht keine Möglichkeit, um die geforderte Einstellungsvoraussetzung irgendwie zu rechtfertigen. "Wenn ich ein Mann, ein Hermaphrodit oder eine Frau, die keine Kinder will oder bekommen kann, wäre, und mich für diesen Job interessieren würde, tät ich net nach ,Gleichberechtigung' schreien, sondern eine Bewerbung schreiben, die sich gewaschen hat", schreibt Kasper bei Facebook als Reaktion auf den Vorwurf gegen das AGG zu verstoßen. Er sieht es locker und fordert Kreativität: "Es kann auch jemand ein Kissen und Orangen unters Shirt stecken und mir eine Bewerbung schicken, die sich gewaschen hat. Ich habe übrigens schon zwei Bewerber, die keine Mütter sind."

Kasper will andere Arbeitgeber aufschrecken

Angst vor Klagen hat der Agenturchef keine: "Das ist mir total schnuppe. Dann soll mich doch jemand verklagen, weil ich eine Mutter einstellen will. Mama ist eine Berufsbezeichnung." Kasper möchte etwas bewirken: "Ich kenne einige, die wollen keine Mütter einstellen. Weil Kinder krank werden können und ihnen dann jemand fehlt. Und ich kenne viele, die können einfach keine Mütter einstellen. Das sind vor allem kleine Unternehmen, die permanent besetzt sein müssen. Größere Unternehmen können das leichter kompensieren - ihnen sollte man eher böse sein, wenn sie keine Mütter einstellen", sagt er.

"Außerdem haben wir in Freising ein riesiges Personalproblem und gleichzeitig sitzen so viele hoch qualifizierte Frauen zu Hause." "Das ist unser Appell an die Arbeitgeber: dass sie mehr Teilzeitstellen und flexible Arbeitszeiten anbieten", sagt Kathrin Stemberger von der Freisinger Agentur für Arbeit. So waren Ende 2016 in Freising 1740 offene sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen registriert, nur 14,5 Prozent davon waren aber Teilzeitstellen (253). Gleichzeitig hatten sich 368 arbeitslose Frauen mit Teilzeitwunsch gemeldet. Die Rechnung geht bei weitem nicht auf. "Auch die Ausbildung und Arbeitszeiten müssen passen", sagt die Sprecherin.

Hochqualifizierte Frauen finden keinen Job

"Erfahrungsgemäß trifft es die Mütter. Väter steigen in der Regel nach der Elternzeit sofort wieder in Vollzeit ein." "Wenn sich mal zwei Männer eine Stelle teilen würden, wäre das die absolute Ausnahme", sagt auch die Landkreis-Gleichstellungsbeauftragte. "Damit Frauen Kind und Beruf wirklich zusammenbringen können", sagt Stemberger, "braucht es Rahmenbedingungen: Die Kinderbetreuung muss sichergestellt sein. Oft decken sich die Öffnungszeiten nicht mit den Arbeitszeiten. Und die Arbeitgeber sollten sich auf die Bedürfnisse von Eltern einstellen."

"Ich bin noch am Anfang mit meiner Agentur", sagt Kasper, "aber ich möchte grundsätzlich Müttern eine Chance geben - oder sie sollen mir eine Chance geben. Dass sie mit Kindern und Kindsköpfen umgehen können, ist ein gewaltiger Vorteil. Ich werde mich demnächst mit vier oder fünf Bewerbern zum Vorstellungsgespräch treffen", sagt der Agenturchef, "eine davon ist keine Mutter".

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Quelle:
SZ vom 26.01.2017/vewo
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