Verzweifelte Studenten:Von Sofa zu Sofa

Studentin auf Wohnungssuche, 2010

Wer als Student in Freising ein Zimmer sucht, hat es nicht leicht. Manche leben wie Nomaden.

(Foto: Robert Haas)

Studienanfänger stehen in Freising vor einem großen Problem: Plätze im Wohnheim sind rar, bei Vermietern haben sie oft keine Chance. Sie müssen Massenbesichtigungen für ein Zimmer überstehen und oft wie Nomaden leben

Von Anne Gerstenberg, Freising

Wer ein Studium in Freising plant und sich darunter ein Bohème-Leben in geräumigen, preisgünstigen Altbauwohnungen wie in Teilen von Leipzig oder Berlin vorstellt, der wird enttäuscht werden. Denn die Lage der wohnungssuchenden Studenten ist prekär. So prekär, dass sogar Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher an die Bevölkerung appelliert, Privatzimmer an Studienanfänger zu vermieten. Diese vermittelt dann beispielsweise die Studentenverbindung Isaria.

Ida Stanglmayr, Studentin für Management Erneuerbarer Energien an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT), sagt: "Leicht ist es auf keinen Fall, hier in Freising ein Zimmer zu finden und schon gar nicht als Erstsemester." Viele Vermieter bevorzugten Familien. "Studenten-WGs sind da nicht erwünscht", sagt Niko Fischer, der an der TU München Bioprozesstechnik studiert, "Jungen Männern und vor allem Brau-Studenten wird von vornherein viel Party und noch mehr Bier unterstellt, die haben keine Chance", beklagt er. Junge Frauen dagegen hätten ein positives Image, sie gelten als ordentlicher. Erstsemester haben einen zusätzlichen Makel: "Die Vermieter wollen keine Studienanfänger, da diese ja ihr Studium abbrechen könnten, dann müssten die Vermieter wieder auf die Suche gehen. Und in den WGs ist man den Mitbewohnern 'zu jung' als Studienanfänger" - das weiß Niko Fischer aus eigener Erfahrung.

In ihrer Verzweiflung wenden sich immer mehr Studenten an Immobilienmakler. Doch leisten könnten sich das, vor allem wegen der anfallenden Provision, nur diejenigen, die von ihren Eltern finanziell unterstützt werden, sagt eine Mitarbeiterin eines Freisinger Immobilienbüros.

Für diejenigen, die nicht auf finanzkräftige Eltern bauen können, ist das Wohnheim die größte Hoffnung. Doch auch dort ist das Angebot knapp. Zum kommenden Wintersemester haben sich bisher 676 Studierende für einen Platz in den vier Wohnanlagen in Freising beworben, darunter 346 Erstsemester. Von den aktuell 955 Wohnheimplätzen des Studentenwerks in Freising werden bis Ende September aber nur 262 frei. 50 Zimmer werden bei einer Verlosung exklusiv an Erstsemester vergeben. Die Zahlen zeigen, dass der Bedarf bei weitem nicht gedeckt werden kann. Zurückzuführen ist dies auch auf die enorm steigenden Studentenzahlen in Freising. Derzeit verzeichnet das Wissenschaftszentrum Weihenstephan der TU 5000 Studenten, an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf sind es 3564.

Abhilfe schaffen soll ein neuer Wohnheimkomplex des Studentenwerks mit 170 Plätzen. Der Baubeginn ist für 2016 geplant. Doch auch dies wird angesichts der angespannten Lage nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Die Studiengänge der TU München in Freising und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf ziehen immer mehr Studierende aus ganz Deutschland, aber auch dem Ausland an. Meldeten sich im Wintersemester 2004/05 für ein Bachelorstudium an der TUM in Freising noch 260 Studenten an, waren es im Wintersemester 2014/15 schon 740. Die TUM hat keine festgelegten Studienplatzzahlen, sondern arbeitet bei einem Großteil der Studiengänge mit Eignungsfeststellungsverfahren. Das heißt: Je mehr geeignete Bewerber, desto mehr Studierende.

Der Sprecher des Studentenwerks hält die Lage in Freising dennoch nicht für allzu brenzlig: "Im Vergleich zur Wohnungssituation in München ist der studentische Wohnbedarf in Freising unserer Einschätzung nach noch nicht ganz so stark ausgeprägt." Doch Niko Fischer findet: "Man vergleicht hier Pest mit Cholera." Er hatte Glück und bekam am letzten Wochenende vor Semesterbeginn noch einen Wohnheimplatz. Doch die Hürden, die Studenten bei der Wohnungssuche auf sich nehmen müssen, sind enorm. Für ein Zimmer müssen sie Massenbesichtigungen über sich ergehen lassen, um dann doch eine Absage zu kassieren. Manche pendeln aus Augsburg und Regensburg nach Freising. Viele ziehen auf der Wohnungssuche wie Nomaden von Sofa zu Sofa zur Untermiete und haben selbst im November oder Dezember, also Wochen nach Studienbeginn, noch keine feste Bleibe gefunden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: