Süddeutsche Zeitung

Versuchter Mord in Kranzberg:Vormittags Bier, nachmittags Wodka

Angeklagter im Reiterhof-Prozess am Landgericht Landshut gibt an, sehr viel getrunken zu haben

Von Alexander Kappen, Landshut/Kranzberg

Im Prozess gegen ein Brüderpaar, das sich am Landgericht Landshut seit März wegen eines versuchten Mordes auf einem Kranzberger Reiterhof verantworten muss, ist am Mittwoch das gerichtsmedizinische Gutachten über den älteren der beiden Angeklagten vorgestellt worden. Der 23-Jährige hatte angegeben, früher regelmäßig Alkohol und Drogen in großen Mengen konsumiert zu haben - so auch am 9. Februar 2020. Damals sollen die beiden Brüder in die Wohnung des Reitstallbesitzers eingebrochen sein und diesen mit einem Schlag auf den Kopf lebensgefährlich verletzt haben. Die Sachverständige sah keine Voraussetzungen für eine eingeschränkte Schuldfähigkeit oder Schuldunfähigkeit vorliegen.

Während der jüngere Bruder, 18, von Anfang an eingeräumt hatte, den Einbruch mit einem Freund verübt zu haben, stritt der 23-Jährige eine Beteiligung zunächst ab. Nachdem seine ehemalige Lebensgefährtin ihn im Sommer belastet hatte, legte schließlich auch er Ende September ein Teilgeständnis ab. Er gab an, seinen Bruder und dessen Kumpel zu dem Reitstall gefahren und im Auto gewartet zu haben. In der Wohnung selber, wo der Reitstallbesitzer in seinem Schlafzimmer niedergeschlagen worden sein soll, will der ältere Angeklagte nicht dabei gewesen sein. Die Gutachterin berichtete, der 23-Jährige habe angegeben, an den Tattag keine Erinnerungen zu haben. Er habe anfangs auch nicht mehr gewusst, dass seine Ex-Freundin und der gemeinsame Sohn bei der anschließenden Fahrt nach Rumänien dabei waren, wohin die Angeklagten gleich nach dem Einbruch reisten.

Der 23-Jährige habe angegeben, im Alter von 14 oder 15 Jahren in seiner rumänischen Heimat damit begonnen zu haben, an den Wochenenden Alkohol zu trinken. Von 2018 an habe er täglich getrunken. "Ab 2019 hat er seiner Aussage nach dann zunehmend Hochprozentiges getrunken, vormittags Bier, nachmittags Wodka", so die Gutachterin. Wegen des Alkoholkonsums sei es mit seiner damaligen Lebensgefährtin immer wieder zu Streitigkeiten gekommen. Hinweise auf seine Alkoholprobleme sei auch eine Trunkenheitsfahrt mit 1,8 Promille in Rumänien, durch die er seinen Führerschein verloren habe. Im Jahr 2019, so sagte der Angeklagte der Sachverständigen, habe er gelegentlich Marihuana konsumiert und dann begonnen, Heroin zu schnupfen - auch wegen seiner Panikattacken und Schlafstörungen.

Am Tattag habe er ebenfalls Heroin geschnupft. Zudem habe er zehn bis zwölf Halbe Bier sowie eine 0,7-Liter-Flasche Wodka getrunken. "Wenn man den Angaben des Angeklagten folgt, liegen Kriterien für eine Alkoholabhängigkeit vor", so die Gutachterin, "objektive Befunde zur Untermauerung lagen mir bei der Untersuchung nicht vor". Die Laborwerte seien "im Wesentlichen unauffällig" gewesen. Er habe leicht erhöhte Leberwerte gehabt, aber nicht solche, die für gewöhnlich bei Abhängigen vorlägen. Ein objektiver Befund für einen Rauschzustand zur Tatzeit liege nicht vor. Bei zehn Bier und einer Flasche Wodka, so errechnete sie, "käme man auf 4,55 Promille, das wäre schwer damit in Einklang zu bringen, so eine weite Strecke als Autofahrer zu bewältigen. Träfen die Angaben des Angeklagten zu seinem Drogen- und Alkoholkonsum zu, wäre jedoch eine eineinhalbjährige Unterbringung in einer Entziehungseinrichtung sinnvoll, so die Gutachterin.

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SZ vom 26.11.2021
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