Verharmloster Extremismus:Gegen rechte Gewalt

Etwa 60 Menschen beteiligen sich an einer Mahnwache auf dem Freisinger Marienplatz

Christian Gschwendtner

Die Mordserie der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle sorgt in der Bundesrepublik derzeit überall für Fassungslosigkeit. Mit einer Mahnwache wollte daher das überparteiliche Bündnis "Freising ist bunt" am vergangenen Freitag auf dem Freisinger Marienplatz ein Zeichen setzen: gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus. Etwa 60 Menschen folgten dem Aufruf. Sie gedachten in einer Schweigeminute mit Kerzen in den Händen den Opfern und bekundeten ihr Mitgefühl mit den Angehörigen. Wie viele Menschen in diesen Tagen beschäftigte auch die Freisinger die Frage: Wie konnte es den Neonazis gelingen, beinahe ein Jahrzehnt lang unbescholtene ausländische Mitbürger regelrecht zu exekutieren? Guido Hoyer hielt als Landesgeschäftsführer des Verbandes "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN-BdA) die Gedenkrede. In aller Schärfe führte er mögliche Ursachen ins Feld: "Der Verharmlosung dient meines Erachtens auch die Einzeltäter-Theorie, die schon fast reflexhaft als erstes Ermittlungsergebnis der Öffentlichkeit präsentiert wird, um sich dann oft als unhaltbar zu erweisen." Gleichzeitig ordneten Massenmedien die Verbrechen mit dem Etikett "Döner-Morde" in die Schublade "Exotischer Grusel" ein. Die Verharmlosung rechter Gewalt müsse endlich aufhören, forderte Hoyer. Denn es habe eben gerade kein "durchgeknalltes Trio" die mörderische Eigeninitiative ergriffen. Zum NPD-Verbot sieht Hoyer deshalb keine Alternative. Unterstützer aus dem Dunstkreis der rechtsextremen Partei, wie der altgediente Funktionär Ralph Wohlleben, hätten das gezeigt. Neonazistische Ressentiments würden damit nicht aus der Gesellschaft verschwinden. Der Stadtrat kritisierte das Verhalten der bayerischen Regierung: "Es ist ein Skandal, dass Aida und VVN-BdA - Organisationen, die vor den Nazigefahren warnen und aufklären - sich vor Gericht dagegen wehren müssen, als angebliche Extremisten mit Nazis in einen Topf geschmissen werden." Die Zuhörer der Gedenkrede teilten diese Meinung. Sie reckten zustimmend gelbe Plastikschilder mit dem "Freising ist Bunt" Schriftzug in die Höhe. Darauf prangten eigene politische Botschaften oder Zitate von Brecht, Tucholsky und Richard von Weizsäcker. Kurzum: "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen". Christine Oehlmann hat mit ihrem Mann an der Mahnwache teilgenommen. Sie wohnt in Moosburg. Der frühere NPD-Vorsitzende Udo Voigt habe dort noch einen Wohnsitz, sagen sie. "Ich finde die Aktionen von "Freising ist bunt" wichtig, weil sie die Menschen sensibilisiert. Man kriegt richtig Angst bei solchen Nachrichten", sagt die 54-Jährige. Die Mahnwache verfolgten auch 15 Polizisten. Eine präventive Maßnahme sei das gewesen, berichtet ein Beamter, man wisse ja um die rechte Szene in Freising und Umgebung. Im Internet drapiert der rechtsextreme Aktionsbund Freising derweil einen Pressebericht über den letzten "Freising ist bunt"-Informationsabend mit symbolischen Blutspritzern.

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