Was tun, wenn das Fahrrad quietscht, der alte Schrank in die Brüche geht oder das Smartphone den Geist aufgibt? Alles, aber bloß nichts wegwerfen. Darin sind sich die Mitglieder des Vereins "Einfach selber machen" einig. In die Tonne treten sollte man für sie nicht in die Jahre gekommene Gegenstände, sondern die konsumorientierte Wegwerfmentalität. Mit der offenen Werkstatt im Freisinger Stadtteil Lerchenfeld hat der Verein bereits im Jahr 2015 einen Ort geschaffen, an dem nicht nur Beschädigtes wieder auf Vordermann gebracht, sondern auch ganz Neues geschaffen wird. "Nichts ist so kaputt, dass es nicht weiterverarbeitet werden kann", klärt Vereinsmitglied Max Trautner auf.
Betritt man die Werkstatt, möchte man am liebsten direkt selbst loslegen. Zwischen einem Küchentresen aus ehemaligen Theaterkulissen und grünen Retro-Sofas aus dem Gebrauchtwarenladen stehen diverse Werkzeuge, Nähutensilien und Maschinen bereit. Von Fahrrädern über Holzgegenstände bis hin zu Textilien und elektronischen Geräten kann hier so ziemlich alles repariert werden, was sich in einem Haushalt ansammelt.
"Einer sägt, einer bohrt, einer schleift."
Zum gemeinsamen Werkeln lädt das Repair-Café ein, das an jedem zweiten Samstag im Monat in Kooperation mit dem Freischenk-Verein in den Räumlichkeiten der Werkstatt veranstaltet wird. Das Konzept dieser Zusammenkünfte von Bastlern, Hobby-Schreinern und Laien, die einfach ein altes Küchengerät reparieren wollen: Jeder hilft jedem. "Einer sägt, einer bohrt, einer schleift." Hier wird Know-How zusammengetragen und so lange getüftelt, bis der Fehler gefunden ist, berichtet Max Trautner. "Irgendeiner weiß immer, was zu tun ist."
In der Holz-Werkstatt entstehen durch Upcycling unter anderem die "neuen" Möbel für das Café Übrig in Freising.
(Foto: Marco Einfeldt)An Tatendrang fehlt es in der offenen Werkstatt jedenfalls nicht. Hier wird an Ideen geschliffen und gefeilt, bis sie in Form einer neuen Holzbank, eines Fahrradteils oder einer selbst bespannten Leinwand Gestalt annehmen. Das aktuell größte Projekt, das Max Trautner und sein Vereinskollege Lukas Schmitzberger unlängst in Angriff genommen haben: Die Inneneinrichtung für das neu eröffnete Café Übrig in der Freisinger Innenstadt. Sitzbänke, Rückenlehnen und Barista-Tresen bestehen nicht etwa aus industriellem Baumarkt-Holz, sondern aus upgecycelten Balkonbrettern. Schon die Balken selbst stammen von Bäumen aus dem heimischen Wald, "die leben jetzt im Café weiter", freut sich Max Trautner.
Als nächstes steht die Außenmöblierung an: Mit einer gemeinsamen Streich- und Lackieraktion will der Übrig-Verein gebrauchte Stühle und Tische für den Sommer aufpolieren. Ohne die offene Werkstatt wären solche Projekte nicht realisierbar. "Wer kann sich schon die ganze Palette an Werkzeugen plus Räumlichkeit leisten?", fragt Hobby-Schreiner Jakob Guglhör eher rhetorisch.
An diesem Montagnachmittag sitzt er hinter Fahrradreifen und Holzlatten an der Drehbank, eine Leihgabe von einem Vereinsmitglied. Gerade ist er dabei, ein Ersatzteil aus Metall nachzubauen, für einen Fahrrad-Dachträger. Eine eigene Drehbank hat Guglhör nicht, das sei aber glücklicherweise kein Problem: "Man muss nicht immer alles selbst kaufen. Viel besser ist es, Dinge gemeinsam zu besitzen." Die gesamte Werkstatt baut auf diesem Grundgedanken auf: Leihen und Verleihen. Wo es dem einen an Ressourcen oder handwerklichen Fähigkeiten fehlt, hilft der oder die andere nach. "Schwarmintelligenz" nennt der Verein dieses gemeinschaftliche Konzept.
Die Drehbank ist eine Leihgabe von einem Vereinsmitglied.
(Foto: Marco Einfeldt)Der Name "Einfach selber machen" wird in der Werkstatt gelebt, die vielen Möglichkeiten laden zum Kreativwerden und Experimentieren ein. Nicht selten sei es ein Stapel Paletten oder ein abgerissener Schuppen, der zu neuen Ideen inspiriere. "Das Material regt die Kreativität an", sagt Trautner. Der letzte richtig gute Einfall der Tüftler? Der "Fahrradmixer". Der Mechanismus dieser Konstruktion: In die Pedale treten und so den nötigen Strom für einen Smoothie-Mixer produzieren. Durch Einsatz der eigenen Muskelkraft werde nicht nur mehr Bewusstsein für die Erzeugung von Energie geschaffen, sondern auch das Endprodukt - der Smoothie - mehr wertgeschätzt. Mit diesem Konzept haben Trautner und Schmitzberger wortwörtlich etwas losgetreten: Der Fahrradmixer war bereits auf diversen Food-Events im Einsatz, auch im Café Übrig wurde er schon aufgefahren. Die kuriose Konstruktion sei "einfach ein guter Kundenstopper", freuen sich die Beiden.
Vor allem die Jüngeren machen sich auch gerne mal die Hände dreckig
Unter den circa 65 Mitgliedern des "Einfach selber machen"-Vereins sind von Studierenden bis hin zu Senioren alle Altersklassen vertreten. Gerade bei den Jüngeren bemerkt Max Trautner die Motivation, sich als Ausgleich zum Studium oder der Arbeit am Computer in der Werkstatt "auch mal die Hände dreckig zu machen". Offen sind die Räumlichkeiten aber nicht nur für Vereinsmitglieder, auch Geflüchtete seien hier willkommen. Durch den sozialen Austausch können sie eigene handwerkliche Fähigkeiten einbringen oder auch Neues dazulernen. "Man kommt durch die gemeinsame Arbeit schnell ins Ratschen", sagt Trautner.
Während der Corona-Pandemie habe die Offene Werkstatt zeitweise zu einer Geschlossenen werden müssen, ganz davon erholt habe sie sich noch nicht: "Das aktive Vereinsleben schläft noch ein bisschen." Ein Weckruf sind da die regelmäßig organisierten Repair-Cafés, die schon seit einiger Zeit wieder stattfinden. Eingeladen sind hierzu übrigens nicht nur Vereinsmitglieder, sondern alle, die ein Rad ab oder eine Schraube locker haben.