Süddeutsche Zeitung

Unruhiger Arbeitsmarkt:Angst um die Existenz

Die Entlassungen bei Müller-Brot trüben die Bilanz der Arbeitsagentur - Ende November ist auch bei Cardo Door in Moosburg für 159 Mitarbeiter Schluss.

Petra Schnirch

Der Landkreis Freising zählt seit vielen Jahren zu den Vorzeige-Regionen in Bayern, was den Arbeitsmarkt betrifft. 2012 müssen die Arbeitnehmer aber mehrere Hiobsbotschaften verkraften. Derzeit betreut die Agentur für Arbeit viele der ehemaligen Müller-Brot-Mitarbeiter. Ende November ist dann auch für die 159 Beschäftigten von Cardo Door, ehemals Normstahl, Schluss. Die Auftragsbücher seien voll, sagt Betriebsratsvorsitzender Giovanni Papaccio, dennoch schließt der Garagentorhersteller sein Werk in Wang. Es passe nicht mehr zur "neuen Strategie" des Mutterkonzerns Assa Abloy. "Verstehen muss man das nicht", sagt er resigniert.

Per Kurier wurden die Kündigungen am Freitag zugestellt. Auch ein Konzept, das Betriebsrat und IG Metall gemeinsam mit einem Wirtschaftsberater ausgearbeitet hatten, konnte die Verantwortlichen nicht umstimmen. Am Freitag informierte der Betriebsrat auch über den Sozialplan. Für die verbleibenden sieben Monate habe die IG Metall eine Lohnerhöhung von 400 Euro pro Mitarbeiter ausgehandelt, schildert Papaccio. Zudem gebe es eine Produktivitätsprämie. Weitere finanzielle Zugeständnisse will der Betriebsrat noch durchsetzen. "Jeder Cent tut den Kollegen gut."

Ihre Kündigungen haben in den vergangenen Tagen auch 574 von 763 Müller-Brot-Mitarbeitern aus Produktion, Lager und Logistik erhalten. Viele hätten bis zuletzt gehofft, dass es nach dem Eigentümerwechsel in Neufahrn doch weitergehe, obwohl sie seit 1. April freigestellt seien, sagt Michael Schmidt, Geschäftsführer operativ der Agentur für Arbeit. 330 von ihnen wohnen in den Landkreisen Freising und Erding, werden also von Schmidt und seinen Kollegen betreut. Etwa 250 sind ungelernte Kräfte, die teils jahrzehntelang lang für den Backwarenhersteller gearbeitet haben, der Ausländeranteil liegt laut Schmidt bei etwa 75 Prozent. Er macht sich keine Illusionen: Ein Teil von ihnen wird nicht sofort zu vermitteln sein - obwohl drei Kollegen aus anderen Agenturbezirken die Freisinger derzeit unterstützen. Besser sieht es für Fahrer oder gelernte Bäcker und Konditoren aus.

Ende der Woche werden die Arbeitsberater die erste Runde an Einzelgesprächen mit allen Betroffenen abschließen. Derzeit versuchen sie auch, Stellen aus anderen Regionen wie Landshut zu akquirieren. Hinzu kommen laut Schmidt 150 weitere Müller-Beschäftigte, denen bereits im ersten Quartal 2012 gekündigt worden war oder deren befristete Verträge ausgelaufen sind. 30 bis 50 Personen hätten im Gegenzug bereits einen neuen Job gefunden.

Die Müller-Brot-Insolvenz wirkt sich auch auf die aktuelle Arbeitslosenstatistik für April aus. Im Vergleich zum Vorjahresmonat stieg die Zahl der Arbeitslosen im Agenturbezirk um 8,5 Prozent, die Arbeitslosenquote liegt bei 2,3 Prozent, vor einem Jahr waren es noch 2,1 Prozent. Splittet man die Zahlen nach Landkreisen auf, schneidet Freising mit einem Anstieg auf 2,5 Prozent deutlich schlechter ab als Erding (nach wie vor 2,1).

Für Schmidt ist das, volkswirtschaftlich gesehen, "keine Katastrophe". Für den Einzelnen aber sei die Kündigung mitunter existenzbedrohend, zumal die Tariflöhne in der Nahrungsmittelindustrie deutlich über denen anderer Branchen lägen. Er wünscht sich deshalb, dass auch im Bereich des Hilfstätigkeiten Angebote eingehen, "die gut bezahlt sind". Doch viele müssten künftig Abstriche hinnehmen und auch weiter pendeln, befürchtet Schmidt. Die Arbeitsagentur will in weiteren Beratungsgesprächen prüfen, wo Weiterqualifizierungen oder Sprachkurse Sinn machen.

Schwierig wird es auch gerade für ältere Cardo-Door-Beschäftigte, glaubt Papaccio. Betriebsrat und IG Metall wollen die Mitarbeiter bei der Jobsuche unterstützen - und sie hoffen nun auf Angebote von anderen Betrieben.

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Quelle:
SZ vom 03.05.2012
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