Unangenehme Verquickung:Vorwurf der Klüngelei

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Anwohner kritisieren Genehmigung der Zollinger Hühnerfarm - doch laut Landratsamt werden alle Grenzwerte eingehalten

Peter Becker

Rosemarie Haberkorn ist fassungslos: Bis zuletzt hatte sie gehofft, dass das Freisinger Landratsamt die Hühnerfarm, die wenige Meter von ihrem Grundstück entfernt im Zollinger Ortsteil Moos entstehen soll, nicht genehmigt. Doch die Behörde erläuterte am Mittwoch während einer Pressekonferenz, dass keine Bedenken gegen den Mastbetrieb bestünden. Die Grenzwerte würden alle eingehalten. Die Behörden müssen sich allerdings den Vorwurf der Klüngelei gefallen lassen. Es war bekannt geworden, dass Investor Martin F. selbst im Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) beschäftigt ist. Dieses hatte eine positive Stellungnahme zur geplanten Hühnerfarm abgegeben.

Eva Dörpinghaus, Pressesprecherin des Landratsamts, verwehrt sich gegen Vorwürfe gegen die Behörde. "Wir haben die Gesetze für die Geflügelhaltung nicht gemacht." Das Landratsamt sei nur für deren faire Umsetzung zuständig. Michael Hildenbrand, Leiter der Abteilung Bauen und Umwelt in der Kreisverwaltung, betonte, das Verfahren sei nicht "durchgehechelt" worden, wie der Vorwurf der Gegner der Hühnerfarm lautet. "Es ist sorgfältig geprüft worden." Von den Richtwerten her, sei es Lärm-, Feinstaub- oder Aerosolbelastung, gibt es keine Bedenken. Josef Kapfelsberger, Gruppenleiter Immissionsschutz, sagte, dass sämtliche Pegel eingehalten würden. Eva Dörpinghaus betonte, dass das Landratsamt die Einhaltung der Grenzwerte überwachen werde. Dies liege aber auch im Eigeninteresse des Landwirts, um wirtschaftlichen Schaden abzuwenden.

Dass Felsner seine Landwirtschaft nur im Nebenerwerb betreibt, ansonsten aber offenbar Angestellter des LGL ist, davon hatten Kapfelsberger und Hildenbrand erst kurzfristig erfahren. Gerson Zimny vom Immissionsschutz hatte es gewusst, dem aber keine große Bedeutung zugemessen. Dass Martin F. sich die Genehmigung für seine Hühnermast habe selbst ausstellen dürfen, wie es Rosemarie Haberkorn gehört hat, ist allerdings nur ein Gerücht. Er ist dort offenbar als Autor von wissenschaftlichen Beiträgen zu Futtermitteln tätig. Als Kapfelsberger Erkundigungen über den Zollinger Landwirt einziehen wollte, sei ihm zunächst beschieden worden, dieser sei dort gar nicht bekannt. Niemand zweifle jedoch an der Integrität des LGL, stellten die Vertreter des Landratsamts klar.

Umstritten ist auch das Institut, welches vom Landratsamt mit einem Gutachten zur geplanten Hühnerfarm beauftragt worden war. In einem Rechtsstreit um ein Genehmigungsverfahren war ein Landratsamt aus Niederbayern vor dem Verwaltungsgericht unterlegen. Nachbarn hatten erfolgreich Beschwerde gegen eine dort geplante Hühnerfarm eingelegt. Das Gutachten dazu hatte ebenfalls das Ingenieurbüro aus Landshut erstellt. Für Zimny ist das kein Grund, an der Seriosität der Experten zu zweifeln. "Es hat 60 Gutachten in sechs Jahren erstellt", hielt er fest. "Davon war gerade mal eins daneben."

Wir haben jetzt den Gestank", sagte Rosemarie Haberkorn. Ihr Nachbar dagegen könne tun und lassen, was er wolle. Rosemarie Haberkorn sorgt sich nun, dass ihre Mieter ausziehen. Rechtliche Schritte gegen Felsner will sie nicht unternehmen. "Ich will nicht streiten", sagte sie und fügte hinzu: "Dazu habe ich das Geld gar nicht." Den Gang vor das Verwaltungsgericht werden andere für sie übernehmen. Klaus Rübelmann hat angekündigt, gegen den Bescheid juristisch vorzugehen, sobald er ihn in den Händen halte. Das Landratsamt sieht der Klage gelassen entgegen. Nachdem es schon im Genehmigungsverfahren keine Hindernisse gegeben habe, geht die Behörde davon aus, dass dies auch vor Gericht so sein werde. Darum hat das Landratsamt den Sofortvollzug bewilligt. "Dies liegt im berechtigten Interesse des Antragstellers", sagte Hildenbrand, "denn rechtliche Schritte haben voraussichtlich keinen Erfolg."

Michael Facchini, Sprecher der Anwohnerinitiative, gibt die Hoffnung indes nicht auf, das Projekt doch noch zu Fall zu bringen. Dafür sollen alle Register gezogen werden. Er findet das Verhalten des Landratsamts "skandalös". Zum einen wegen der "Verknüpfung des LGL mit dem Antragsteller", zum anderen wegen des "blinden Vertrauens des Landratsamts in das LGL". (Kommentar)

© SZ vom 10.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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