Messung am Vorfeld-Ost:Umweltschützer „schockiert“ über Ultrafeinstaub-Werte am Flughafen

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Sehen erhebliche Gesundheitsgefahren durch Ultrafeinstaub am Flughafen: (von links) Christine Margraf von Bund Naturschutz, Aufgemuckt-Sprecher Christian Magerl und Wolfgang Herrmann, Vorsitzender des Bürgervereins Freising, bei der Präsentation der aktuellen Messergebnisse.
Sehen erhebliche Gesundheitsgefahren durch Ultrafeinstaub am Flughafen: (von links) Christine Margraf von Bund Naturschutz, Aufgemuckt-Sprecher Christian Magerl und Wolfgang Herrmann, Vorsitzender des Bürgervereins Freising, bei der Präsentation der aktuellen Messergebnisse. (Foto: Marco Einfeldt)

An fast allen Tagen lägen diese deutlich über dem Richtwert der Weltgesundheitsorganisation WHO. Forderungen, mehr zum Schutz der Beschäftigten zu unternehmen und die Kita „Airporthopser“ zu verlegen, werden laut. Der Flughafen München bezweifelt die Messung.

Von Petra Schnirch, Freising

Der Bund Naturschutz (BN) nennt es augenzwinkernd ein kleines, „gallisches Dorf“. Mit dem idyllischen Flecken der Asterix-Comics allerdings hat das Grundstück wenig gemein. Direkt am Vorfeld-Ost des Flughafens München gehört dem Verband ein etwa 1000 Quadratmeter großes Grundstück, auf drei Seiten umgeben vom Flughafenzaun. Eben dort haben der Bürgerverein Freising im Auftrag des BN von 11. Januar bis 29. März die Ultrafeinstaub-Belastung gemessen. Die Ergebnisse bezeichnete Christine Margraf, stellvertretende BN-Landesbeauftragte, als „schockierend“.

Seit Jahren ermittelt der Bürgerverein die Belastungen im Flughafenumland, thematisiert die Gesundheitsgefahren durch ultrafeine Partikel (UFP), verweist auf zahlreiche Studien dazu, beispielsweise vom Helmholtz Munich 2023, die bei erhöhten Werten ein größeres Risiko für Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen belegen. Ein Problem aber ist, dass es nach wie vor keine Grenzwerte für Ultrafeinstaub gibt, sondern nur eine Richtlinie der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Ein Wert von 10 000 Partikel pro Kubikzentimeter gilt demnach als hohe Belastung.

Am Donnerstag stellten Bürgerverein, BN und das Aktionsbündnis „Aufgemuckt“ bei einem Pressegespräch in Freising die Ergebnisse der Messungen am Vorfeld-Ost vor. Demnach lagen die Tagesmittelwerte an 97 Prozent der Tage zum Teil sehr deutlich über dem Richtwert der WHO, mehrmals sogar bei 90 000 Partikeln und mehr. In der Spitze, am 19. Februar, waren es sogar über 140 000.

Mitte Januar haben die Ultrafeinstaubmessungen auf dem Sperrgrundstück des Bund Naturschutz am Vorfeld-Ost begonnen.
Mitte Januar haben die Ultrafeinstaubmessungen auf dem Sperrgrundstück des Bund Naturschutz am Vorfeld-Ost begonnen. (Foto: Marco Einfeldt)

Die neuesten Zahlen belegten, dass die Belastungen exorbitant hoch seien, kritisierte der Vorsitzende des Bürgervereins, Wolfgang Herrmann. Neben den Anwohnern im Flughafenumland seien in besonderem Maße auch die Beschäftigten am Airport betroffen, ebenso die Kindertagesstätte „Airporthopser“. Diese sollte möglichst schnell verlegt werden, forderte er. Auch als „Freizeit- oder Vergnügungspark“ tauge das Flughafengelände nicht. Herrmann verwies auf Events wie den Wintermarkt, der dort jedes Jahr stattfindet, oder die geplante Event-Arena.

Bürgerverein und Flughafen München GmbH (FMG) streiten beim Thema Feinstaub schon seit Jahren. Der Flughafenbetreiber betonte auf Nachfrage erneut, dass für ultrafeine Partikel keine Bewertungsmaßstäbe für die Beurteilung einer etwaigen Gefährdung für die menschliche Gesundheit existierten. Weder die EU noch die WHO gäben Grenzwerte für eine gesundheitliche Bewertung von UFP vor. Zudem stellt die FMG die Qualität des verwendeten Messgeräts des Bürgervereins infrage.

Ein Disc-Mini sei lediglich für Arbeitsschutzmessungen in Innenräumen vorgesehen. Um belastbare Daten gewinnen zu können, müssten die Messungen mit geeigneten Geräten „unter den vom Hersteller vorgegebenen Bedingungen erfolgen und einer Qualitätssicherung unterliegen“. Ein Vorwurf, den der Bürgerverein schon kennt und den er nach einem Abgleich mit Messgeräten und -ergebnissen der Universität Bayreuth an den beiden offiziellen Messstellen in Freising und Hallbergmoos längst entkräftet sieht.

Auch den Standort der Messungen kritisierte die FMG. Diese sollten an Orten erfolgen, „die repräsentativ für eine dauerhafte Exposition der Bevölkerung sind, also dort, wo Menschen wohnen“, erklärte Pressesprecher Florian Steuer. Wolfgang Herrmann verwies am Donnerstag auf das Beispiel des Flughafens Schiphol in Amsterdam, der ein innovatives Luftfiltersystem auf dem Vorfeld teste und betone, dass er die Konzentration ultrafeiner Partikel zum Schutz der Anwohner, aber auch der Beschäftigten reduzieren wolle. Die FMG dagegen weigere sich, eigene UFP-Messungen am Flughafen vorzunehmen. Sie erhebt nur Feinstaubwerte.

Die Forderungen seien schnell umsetzbar, sagt Christian Magerl

Der Bürgerverein forderte erneut, ebenso wie BN und Aufgemuckt, die Einführung von schwefel- und aromatenarmem Kerosin sowie sogenannten Taxibots, die das Schleppen der Flugzeuge direkt nach der Landung beziehungsweise zum Start übernehmen und auf diese Weise Emissionen am Boden zu reduzieren. FMG und Staatsregierung als größter Anteilseigner am Flughafen könnten hier sehr wohl tätig werden, auch wenn noch keine Grenzwerte existieren. Die Forderungen seien schnell umsetzbar und nicht exorbitant teuer, sagte Aufgemuckt-Sprecher Christian Magerl und fügte hinzu: Er fände es schön, wenn der Flughafen auch beim Thema Umwelt ein Fünf-Sterne-Niveau anstreben würde.

Die FMG teilte dazu mit, dass Taxibots bisher nur für einige Flugzeugtypen im weltweiten Einsatz zugelassen seien. Aber auch beim Schleppen entstünden Emissionen durch den Schlepper und vor allem durch das aus technischen Gründen erforderliche Warmlaufen der Triebwerke vor dem Start. Aufgrund der sehr kurzen Rollzeiten sei eine Nutzung von Taxibots am Flughafen München „nicht zielführend und nicht geplant“. Das Warmlaufen erfolge hier in Kombination mit dem Rollen zur Startposition. Durch die Bereitstellung von Pre-Conditioned Air an den Abfertigungspositionen werde der Einsatz der flugzeugeigenen Hilfsturbinen für die Klimatisierung und Stromversorgung während der Abfertigung bereits stark reduziert.

Die FMG betont, dass auch sie die Entschwefelung von Kerosin begrüße

Die Entschwefelung von Kerosin begrüßt die FMG nach eigener Aussage. Allerdings stelle der Flughafen lediglich die Tankinfrastruktur zur Verfügung. Der Kerosinbezug erfolge durch die Airlines bei den verschiedenen Lieferanten.

Der Bürgerverein verwies bei dem Pressegespräch auf frühere Aufzeichnungen, die belegten, dass auch im Umland die UFP-Werte hoch seien. Am Sportplatz in Attaching wurden die 10 000 Partikel pro Kubikzentimeter demnach zwischen August und November 2023 an 66 Prozent der Tage überschritten. Etwas weiter vom Flughafen entfernt, am Messpunkt der Uni Bayreuth an der Stadtgärtnerei in Freising, war dies 2022 an 28 Prozent der Tage der Fall, in Hallbergmoos an 22 Prozent. Allein war die Zahl der Flugbewegungen damals aufgrund der Pandemie noch deutlich niedriger als in den vergangenen beiden Jahren. An beiden Standorten wurden laut Wolfgang Herrmann zwei- bis dreifach erhöhte UFP-Konzentrationen festgestellt, wenn der Wind aus Richtung Flughafen kam.

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