Schutzsuchende im LandkreisEin Kraftakt, der alle auslaugt

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Die Turnhalle der Realschule Gute Änger mit den Betten für Asylsuchende.
Die Turnhalle der Realschule Gute Änger mit den Betten für Asylsuchende. (Foto: Marco Einfeldt)

2022 hat der Landkreis Freising - wie alle anderen auch - viele Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen. Die Hilfsbereitschaft ist groß. Die Unterbringung und Betreuung ist und bleibt aber eine Herausforderung.

Von Gudrun Regelein, Freising

Am 24. Februar begann der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Bereits einen Tag später, am 25. Februar, wurde im Landratsamt die Koordinierungsgruppe "Ukraine" ins Leben gerufen. Dieser Krieg bewegte auch die Menschen im Landkreis schon sehr früh zu großer Hilfsbereitschaft. Vereine, Pfarreien oder Bürgerinnen und Bürger, alle wollten irgendwie helfen. Die ersten Hilfsgüter wurden dann auch bereits Anfang März in die Ukraine transportiert. Das Landratsamt und die ehrenamtlichen Flüchtlingskreise dagegen bereiteten sich auf die Ankunft der aus der Ukraine geflohenen Menschen vor.

Große Hilfsbereitschaft

Die ersten kamen am 6. März im Landkreis an, es war ein Bus mit 43 Menschen. In den darauffolgenden Tagen wurde die Turnhalle der Realschule Moosburg dann zu einer Erstaufnahmeeinrichtung umfunktioniert. Etwa 140 Feldbetten wurden dort aufgestellt. Staatsminister Florian Herrmann, der die Erstaufnahmeeinrichtung vor deren Inbetriebnahme besuchte, bezeichnete "die große Unbekannte", wann genau wie viele Geflüchtete ankämen, als große Herausforderung. Man gehe aber von einer großen Bereitschaft und Empathie in der Bevölkerung aus, diese zu bewältigen. So war es dann auch. Viele - die allermeisten - Flüchtlinge aus der Ukraine kamen zu Beginn privat unter. Auch heute ist das noch so.

Busse mit 100 Flüchtlingen

Der Zustrom an Kriegsflüchtlingen hielt in den kommenden Wochen an. In Eching wurde deshalb Ende März eine weitere Turnhalle, die der Imma-Mack-Realschule, als Notunterkunft benutzt. Anfang April lebten dann bereits 1300 aus der Ukraine Geflüchtete im Landkreis. Damals wurden dem Landkreis alle paar Tage Menschen zugewiesen, die mit Bussen hergebracht wurden - zum Teil waren es 100, die auf einmal hier ankamen und dringend auf Hilfe angewiesen waren.

Die Entscheidung von Bund und Länder, dass ukrainische Flüchtlinge von Juni an die staatliche Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch II erhalten, bedeutete einen weiteren Kraftakt. Für die Auszahlung im Landkreis ist das Jobcenter Freising zuständig. Die Vorbereitungen im Sachgebiet Asyl des Landratsamts Freising und im Jobcenter liefen im Mai dafür auf Hochtouren. Mitte Mai waren gut 1720 Personen, die seit Kriegsbeginn aus der Ukraine geflüchtet waren, im Ausländerzentralregister des Landkreises registriert.

Ende Juli wurde erstmals bei einem Treffen der Agenda-Gruppe "Tisch füreinander" das Problem der Unterbringung der Geflüchteten thematisiert. Einige private Haushalte könnten die Flüchtlinge aus diversen Gründen nicht mehr beherbergen, hieß es dort. Viele Gemeinden äußerten deswegen die Sorge, sie in Notunterkünften unterbringen zu müssen. Diese seien aber bereits voll. Daneben wurde bei dem Agenda-Treffen die Überlastung des Jobcenter angesprochen. Die Bearbeitung der vielen unterschiedlicher Anträgen nehme viel Zeit in Anspruch. Etwa 700 bis 800 ukrainische Flüchtlinge hatten zu diesem Zeitpunkt bereits Anträge auf Finanzhilfen gestellt.

Immer mehr Schutzsuchende

Von September an stieg die Zahl der dem Landkreis zugewiesenen Schutzsuchenden dann noch einmal deutlich an: Zum einen waren das aus der Ukraine geflohene Menschen, zum anderen kamen wieder vermehrt Asylsuchende aus aller Welt. Der Landkreis hatte bereits in den Wochen zuvor mit Hochdruck nach neuen Wohnmöglichkeiten gesucht. Neben einigen kleineren Unterkünften konnte Anfang September eine Erstaufnahmeeinrichtung für 50 Menschen in Nandlstadt akquiriert werden. Seit der Invasion russischer Truppen in der Ukraine hatte das Landratsamt zu diesem Zeitpunkt 22 zusätzliche Flüchtlingsunterkünfte mit 272 Plätzen geschaffen.

Die Suche nach Unterkünften aber ging weiter. Anfang Dezember musste das Landratsamt dennoch bekanntgeben, dass es angesichts der insgesamt stark steigenden Zahl an Geflüchteten keine andere Möglichkeit mehr gebe, als die Turnhalle der Realschule Gute Änger als Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende aus aller Welt zu nutzen. Mitte Dezember wurden dort 100 Betten aufgestellt und alles für die Flüchtlinge vorbereitet, die in der ersten Januarwoche dort einziehen werden. Derzeit (Stand 23. Dezember) sind 1908 Flüchtlinge aus der Ukraine im Landkreis Freising registriert, davon sind etwa 1400 privat untergebracht. Knapp 500 leben in den 57 Unterkünften des Landkreises.

Helfer sind ausgebrannt

Aber nicht nur die Unterbringung dieser Menschen, sondern auch deren Betreuung bedeutet eine große Herausforderung. Die vielen ehrenamtlichen Helfer stoßen genauso wie die professionellen mittlerweile an ihre Grenzen. "Die Ressourcen sind ausgereizt", sagte Jan Drobniak, Leiter der Flüchtlings- und Integrationsberatung der Diakonie Freising, vor Kurzem. Durch die Ukraine-Krise seien viele Helfer mittlerweile über das normale Maß hinaus erschöpft. Viele ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer würden aufgeben, die Hauptamtlichen seien ausgebrannt. Aber nicht nur diese, auch die öffentliche Struktur, die für das Thema zuständigen Ämter, seien überlastet. Das professionelle System stoße bereits jetzt an seine Kapazitätsgrenzen - alleine aus der Ukraine werden in den kommenden Wintermonaten aber noch einmal deutlich mehr Flüchtlinge erwartet.

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