Uferlos-Urgestein:Der Meister mit der Motorsäge

Uferlos-Urgestein: Ifeanyi Okolo bezeichnet sich selbst als Brückenbauer. "Meine Kunst", sagt er, "ist für alle, nicht nur für Intellektuelle."

Ifeanyi Okolo bezeichnet sich selbst als Brückenbauer. "Meine Kunst", sagt er, "ist für alle, nicht nur für Intellektuelle."

(Foto: Marco Einfeldt)

Ifeanyi Okolo, Nandlstädter mit nigerianischen Wurzeln, versteht sich als Brückenbauer. Auf dem Uferlos-Festival in Freising ist der Bildhauer und Trommellehrer von Anfang an dabei

Von Thilo Schröder, Nandlstadt

Ifeanyi Okolo trägt eine grau melierte Mütze, ein blassgrünes Shirt mit Uferlos-Schriftzug, blaue Jeans und Turnschuhe. Dazu baumelt lässig, fast schon beiläufig, eine Motorsäge in seinen Handwerkerhänden, ein breites Lächeln im Gesicht. So empfängt er an einem sonnig warmen Maivormittag in der Hofeinfahrt in Zeilhof bei Nandlstadt. Okolo ist Bildhauer. Überall auf dem weitläufigen Gelände stehen seine Holzskulpturen: Eine gebeugte, verschleierte Frau lugt hinter einem Busch an der Hauswand hervor, ein paar Meter daneben trohnt eine Eule auf einem dünnen Holzstamm.

Okolo ist ein Uferlos-Urgestein, jedes Jahr ist er dabei. Heuer sei sein Thema die Familie: "Mutter, Vater, vier bis zehn Kinder - klassisch katholisch", sagt er und lacht, "weil da darf man ja nicht verhüten." Okolo ist selbst katholisch, sein Zweitname ist Christian. Eine hölzerne Familie, jeweils etwa zwei Meter hoch, steht schon ordentlich aufgereiht hinter der Werkstatt, bereit für den Uferlos-Einsatz. Die Werkstatt selbst macht einen eher chaotischen Eindruck. Aber Okolo weiß, wo er was findet.

Auch in seinem orange gestrichenen, lichtdurchfluteten Eckzimmer im ersten Stock des Wohnhauses stehen jede Menge Skulpturen auf Regalen und Kommoden: große und kleine, liebevoll abgeschliffen und mit Öl behandelt. Dazwischen ein paar afrikanische Trommeln, an der Wand ein Flachbildfernseher neben selbstgemalten Leinwandbildern, ein Laptop auf dem überbordenden Schreibtisch. All diese unterschiedlichen Gegenstände bilden auf eine angenehm wirkende Weise eine Symbiose.

Herr Okolo, was machen Sie als Bildhauer am liebsten? "Meine Arbeit, die Skulpturen, sind in erster Linie Kommentare über die Menschen, die menschliche Beziehung zueinander. Ich beobachte gerne Menschen und ihre soziale Umwelt, und ich möchte auch ihre Probleme darstellen."

Seine Arbeit als Bildhauer vergleicht Okolo mit der eines Schriftstellers. Zunächst beobachte er viel, lasse sich dabei inspirieren. "Es hört sich wie Stalken an, aber es geht darum, die gesamte Gesellschaft zu beobachten und das niederzuschreiben." Beim Thema "Familie" könne er so etwa eine Entwicklung abbilden. "Heute kann ich auch eine mütterliche Figur und ein kleines Kind herstellen - eine alleinerziehende Mutter. Oder einen alleinerziehenden Vater. Oder einen Babysitter."

Die Arbeit an einer konkreten Skulptur beginne mit einer Idee, einem Konzept, dann folge die Skizze. "Man muss immer Skizzen anfertigen. Oft siehst du in der Natur Dinge, die dich an etwas erinnern, was du schon skizziert hast. Du hast vielleicht eine Idee im Kopf, du musst das aber zweidimensional auf Papier bringen können." Anschließend stelle er ein Miniaturobjekt her, "aus Ton oder aus Pappmaché, das hilft immer".

Erst im vierten Schritt komme das für Außenstehende eigentliche Werk zustande: die Skulptur, aus Holz, Ton oder anderen Materialien. Den letzten Schritt bildeten Detailarbeiten. Spontan entstandene oder nur grob angefertigte Skulpturen würden dem Kunstliebhaber nach einer gewissen Zeit nicht mehr gefallen. Wie lange der gesamte Prozess dauert, "das kann man schwer sagen". Es hänge vom Material ab, der Größe, wie lange die einzelnen Phasen dauern, vor allem die Ideen- und Konzeptphase.

Draußen vor der Eingangstür, auf einer etwas verwitterten Bank sitzend, schenkt Ifeanyi Okolo inzwischen aus einer Thermoskanne heißen Ingwer-Orange-Tee ein und lehnt sich zurück. Seit dreiundzwanzig Jahren lebt der 52-Jährige in Deutschland, nach mehreren Stationen nun seit einigen Jahren in Zeilhof bei Familie Stanglmaier. Er nennt sie eine "Medici-Familie" in Anspielung auf die gleichnamige einflussreiche florentinische Dynastie, die ihren Reichtum einst vor allem in die Kunst und die Architektur investierte.

Aufgewachsen ist Okolo im Südosten Nigerias in Owerezukalla als erstes von sieben Kindern. Von 1986 bis 1991 studierte er Bildende und Angewandte Künste mit Schwerpunkt Bildhauerei in Enugu, einer Großstadt etwa 100 Kilometer entfernt. Im Studium lernte Okolo viel über die europäischen Künste - allerdings vorrangig in der Theorie. Nach seinem Abschluss wollte er sie dann aber endlich wahrhaftig kennenlernen, die frühchristliche, die hellenistische, die romanische, die gotische Kunst. Also verließ er 1996 sein Heimatland. Knapp vier Jahre lebte Okolo zunächst in Berlin, dann verschlug es ihn nach Bayern. Nach einem anfänglichen Job am Münchner Flughafen sei er 2001 gebeten worden, in Landshut eine Ausstellung zu afrikanischer Kunst zu organisieren, erzählt er; seitdem gibt es die jährlichen "Landshuter Afrikatage", die heuer im Juli stattfinden.

Aus einem Auftrag wurde ein Dauerengagement als freischaffender Bildhauer, das bis heute von Mundpropaganda getragen wird. Viele seiner Arbeiten seien im Landkreis verteilt, aber auch darüber hinaus, sagt Okolo. Eine Skulptur stehe in einem Dorf in Südfrankreich, zwei weitere in einer Berliner Arztpraxis, einige Tonskulpturen in der Schweiz.

Leben könne er von der Bildhauerei aber nicht. Hauptberuflich arbeitet er als Trommel- und Tanzlehrer in verschiedenen Projekten, zum Beispiel im Anschluss an dieses Gespräch im Rahmen der Spielbus-Kreativwerkstätten in Freising. In seiner Arbeit sei er von verschiedenen westafrikanischen Musikstilen beeinflusst, sagt Okolo, aus Nigeria, Ghana oder Togo. Er arbeite viel mit Kindergärten und Schulen, mit Gemeinden und Pfarreien, erzählt er.

Auch auf dem Uferlos bietet Okolo neben Ausstellungs- und Verkaufsstücken wieder ein Mitmach-Programm an. Dafür greife er aber auf Holzhobel zurück und lege die Motorsäge beiseite. So könnten auch die Besucher Hand anlegen, heuer gebe es dafür eine eigene Kinderecke. "Das macht den Kindern Spaß, kleine Sachen zum Mitnehmen anzufertigen."

Okolo bezeichnet sich selbst als Brückenbauer. "Meine Kunst", sagt er, "ist für alle, nicht nur für Intellektuelle." Dazu passt, dass sein Vorname eigentlich nur eine Abkürzung ist; vollständig lautet er Ifeanyichukwu, was so viel heißt wie: Mit Gott ist alles möglich.

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