Süddeutsche Zeitung

Türsteher eines Freisinger Nachtlokals vor Gericht:Sehr zupackend

Der Angeklagte soll einen 31-jährigen Gast nach einem Streit reichlich unsanft nach draußen befördert haben. Der Prozess wird mit weiteren Zeugenaussagen fortgesetzt

Von Alexander Kappen, Freising

Das Leben als Türsteher einer Diskothek ist gefährlich. Es sei schon vorgekommen, dass ein Gast nach einer Auseinandersetzung zunächst wieder Ruhe gegeben habe - um ihm im nächsten Moment ganz überraschend alle Zähne auszuschlagen, berichtete jetzt ein Türsteher in einer Verhandlung am Freisinger Amtsgericht. Ein anderer erzählte, nur mit kugelsicherer Weste zu arbeiten, weil man nie wisse, mit wem man es im Laufe des Abends zu tun bekomme. Und wenn man, wie an jenem Abend im vergangenen Januar, erfahre, dass ein Gast, der Ärger mache, ein dickes Vorstrafenregister habe, "dann packt man halt ganz anders zu".

Ein 25-jähriger Kollege der beiden Türsteher hat es mit dem Zupacken aber wohl ein wenig übertrieben, weshalb er jetzt wegen Körperverletzung angeklagt ist. Er hatte in besagter Nacht im Januar in einer Freisinger Diskothek einen 31-jährigen Moosburger von hinten am Hals gepackt, aus dem Lokal gezogen und den Mann, der offenbar schon bewusstlos war, vor der Tür "kraftvoll zu Boden gestoßen", wie es in der Anklage hieß. Der Mann erlitt dabei Risse im Gesicht, eine Platzwunde sowie eine Fraktur des Nasenbeins.

Über den Auslöser und den Verlauf der Auseinandersetzung erzählten die Beteiligten ganz unterschiedliche Geschichten. Der Geschädigte habe sich "asozial aufgeführt, an seinem Tisch hat's vielleicht ausgesehen", sagte der Angeklagte. Es habe Beschwerden von Gästen und vom Personal gegeben. Zu einer Barkeeperin habe der Gast gesagt: "Komm her, du Schlampe, wisch auf." Der Moosburger stellte es anders dar. Er habe mit seinem Cousin gefeiert. Als er von der Toilette zurückgekommen sei, seien die Getränke auf seinem Tisch verschüttet gewesen. Nachdem er das Personal dreimal höflich, aber vergeblich gebeten habe, den Tisch abzuwischen, habe er das selbst mit einer Papiertischdecke getan und diese dann auf den Boden gelegt. Ein Kollege des Angeklagten dagegen sagte: "Der hat eine Papierserviette oder so auf die Gäste geworfen." Jedenfalls erteilte der Angeklagte dem Gast einen Platzverweis und holte, weil der sich sträubte "und mich auf das Übelste beschimpft und beleidigt hat", drei Kollegen zur Unterstützung.

Der Angeklagte und einer seiner Kollegen, so sagte er, legten "fast freundschaftlich" ihre Hände auf die Schultern des Geschädigten und führten ihn in Begleitung der beiden anderen Türsteher aus dem Lokal. Der Gast habe sich dann gespreizt. In einem Zwischenraum, der nicht videoüberwacht ist, gab es ein Gerangel am Boden. Als sie den Gast wieder ausgelassen hätten, habe dieser wild um sich geschlagen. Deshalb habe er ihn von hinten gepackt und nach draußen gezogen, so der Angeklagte. Der Gast gab an, sich nicht gewehrt zu haben. Er sei einfach am Hals rausgezogen worden und irgendwann bewusstlos gewesen. "Ich weiß nicht, ob der bewusstlos war. In so einer Situation schaut man nicht, ob der noch lebt oder schnauft, da will man ihn nur rausbringen", sagte ein Kollege des Angeklagten.

Dieser selbst sagte, er habe vor der Tür den Mann "aus dem Arm gleiten lassen". Nach drei oder vier Sekunden sei der "ganz fit" wieder aufgestanden und habe ihn und seine Kollgen bedroht. Richterin Tanja Weihönig führte ein Überwachungsvideo vom Eingangsbereich vor und meinte: "Man sieht, dass die Arme des Geschädigten beim Rausziehen nach unten hängen. Und es sieht nicht nach aus dem Arm gleiten aus, sondern nach Schwungholen, das geht schon eher Richtung Werfen." Zudem sehe man, dass der Mann nicht gleich wieder aufgestanden sei. "Okay, dann ist er wohl doch noch eine ganze Zeit lang liegen geblieben", räumte der Angeklagte ein. Der Prozess wird fortgesetzt.

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Quelle:
SZ vom 24.08.2019
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