Süddeutsche Zeitung

TU zum Thema Wald:Ein beinahe heiliger Ort

Die Demonstrationen im Hambacher Forst haben gezeigt, wie wichtig den Menschen der Wald ist. Michael Suda und Anika Gaggermeier vom Lehrstuhl für Umweltpolitik erklären, warum das so ist und räumen mit Vorurteilen auf.

Von Laura Dahmer, Freising

Dass die Themen Natur und Umwelt für die Menschen immer wichtiger werden, hat auch in Freising das Ergebnis der Landtagswahl gezeigt, Gewinne bei den Grünen, Verluste bei der CSU. Es ist wohl an der Zeit, zu handeln: Der Klimawandel, der Diesel-Skandal - und auch die Wälder sterben. Oder? Bei ihrem Vortrag "Wald - 10 000 Klafter Holz oder eine grüne Menschenfreude?" haben Michael Suda und Anika Gaggermeier vom Lehrstuhl für Wald- und Umweltpolitik an der Technischen Universität München mit Wahrnehmungen wie diesen aufgeräumt.

Per "Summabstimmung" fingen die Referenten zunächst die Stimmung im Saal ein: "Wer von ihnen glaubt, dass die Waldfläche in Bayern zunimmt?", fragte Suda in die Menge. Ein lautes Surren erhebt sich im Raum. "Sie sind ja überhaupt nicht repräsentativ! Summen Sie mal bitte leiser", rief der Professor erstaunt aus. Denn genau das sei der Eindruck, der sich in Umfragen widerspiegele. "Denken die Menschen an den Zustand des Waldes, erinnert der Tenor an ein Kettensägenmassaker." Waldsterben, das sei mittlerweile ein zentraler Begriff - auch in den Medien. Was sagen aber nun die harten Fakten? "Tatsächlich nimmt die Waldfläche zu", erläuterte Suda anhand von Zahlen und Statistiken.

Warum also glaubt der Mensch so hartnäckig an dieses Waldsterben? Die Kluft zwischen Realität und Wahrnehmung haben Suda und Gaggermeier am Dienstagabend im Lindenkeller spielerisch zu erklären versucht. "Der Wald ist für die Menschen ein beinahe heiliger Ort, er trägt eine wahnsinnige Symbolkraft", erklärte Anika Gaggermeier. Sie nennt die Demonstrationen um den Hambacher Forst als Beispiel: "Vielen ging es dabei nicht um diesen einen Wald, sondern vielmehr um das, was Wald an sich für uns bedeutet." Michael Suda fügte hinzu: "Und noch schlimmer: Was es bedeutet, wenn man Wald verkauft."

Der Wald als Wohlfühlraum

Ein Ort der Sinne, ein Wohlfühlraum, Natur, Pflanzen, Tiere, Ruhe und Stille - das sind Assoziationen, die Menschen laut der Umfragen des Lehrstuhls mit dem Thema Forst verbinden. Und weil er in der Gesellschaft einen solch symbolträchtigen Platz einnimmt, sei diese empfänglicher für die Negativbilder. "Der Wald ist einem Wandel ausgesetzt, wie die Gesellschaft auch. Es findet also tatsächlich eine Veränderung statt, die die Statistik so nicht erfasst", stellte Suda klar. Während die das Endergebnis wiedergebe, sehe der Mensch nur, wie in seinem Waldstück Bäume abgeholzt oder gar gerodet werden. Aber nicht, wie sie Jahre später nachwachsen oder an anderer Stelle wieder aufgeforstet werde. Die Berichterstattung in den Medien fördere dieses Bild tendenziell: "WWF berichtet von zurückgehenden Waldbeständen, Borkenkäferplage im Rekordsommer, der heimische Wald leidet", zitiert wissenschaftliche Mitarbeiterin Gaggermeier gängige Zeitungsüberschriften.

Das überschatte auch den Nutzen, den gerade Abholzung und Ressourcengewinnung bringen. Dabei sei dieser Aspekt "für die Mehrheit schon noch etwas Positives", so Suda. "Eine völlige Abkopplung vom Thema Holznutzung ist also gar nicht zu beobachten." Aber: Die wirtschaftliche Rolle des Waldes ordne sich seiner Symbolkraft unter. Suda, Professor für Forstpolitik- und Forstgeschichte, und Gaggermeier kommen auf den Titel des Vortrags zu sprechen. "Ist ein Wald etwa nur 10 000 Klafter Holz oder eine grüne Menschenfreude?" Die Frage stellte schon Herr Puntila seinem Knecht Matti im Stück von Berholt Brecht. "Wer von beiden hat nun Recht?", fragt Suda. Wirtschaft oder Symbolkraft? Statistik oder Wahrnehmung? "Unser Vorschlag: Aus dem oder ein und machen. Denn beides ist durchaus miteinander vereinbar." Hier komme, so die Referenten, der Förster ins Spiel: Er gilt als Manager der Interessen, der zumindest auf regionaler Ebene zwischen all den verschiedenen Perspektiven und Interessen mit Blick auf den Wald zu vermitteln versuche.

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Quelle:
SZ vom 25.10.2018/nta
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