Hochschulen in FreisingSoja und Strom vom gleichen Acker

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Auf der TUM-Versuchsstation in Dürnast starten Forschungsprojekte zu Agri-PV-Anlagen. Entlang der senkrechten Solarmodule kann der Boden gut bearbeitet werden.
Auf der TUM-Versuchsstation in Dürnast starten Forschungsprojekte zu Agri-PV-Anlagen. Entlang der senkrechten Solarmodule kann der Boden gut bearbeitet werden. (Foto: Marco Einfeldt)

Auf der TUM-Versuchsstation in Dürnast starten erste Forschungsprojekte zu innovativen Agri-PV-Anlagen. Die Doppelnutzung könnte sich für Landwirte lohnen. Die warten deshalb ungeduldig auf Ergebnisse, denn Daten gibt es bisher kaum.

Von Petra Schnirch, Freising

Sie stehen nicht schräg, sondern senkrecht auf dem Acker – der Boden kann also weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden. In Dürnast, auf dem Gelände der Versuchsstation der TU München (TUM), ist zu Forschungszwecken eine neuartige Agri-PV-Anlage installiert worden, denn der Informationsbedarf ist groß. Noch gibt es kaum Daten, wie sich die Solarmodule auf Boden, Ernte, Arbeitsaufwand oder Biodiversität auswirken. Viele Landwirte aber warten dringend auf Antworten. Denn anders als bei reinen Freiflächen-Photovoltaikanlagen lassen sich hier Ackerbau und Energieproduktion verbinden und konkurrieren nicht um die Fläche.

Dass die Agri-PV-Anlage in den vergangenen Wochen endlich aufgebaut werden konnte und die ersten Forschungsprojekte in diesem Jahr starten, ist für Heinz Bernhardt ein wichtiger Schritt. Er hat an der TUM die Professur für Agrarsystemtechnik inne und übernimmt die Koordination. Auch für ihn ist die Anlage auf dem Acker etwas Besonderes. Als der Traktor an diesem Frühlingstag für die Bodenbearbeitung ganz nah an den vertikalen Modulen vorbeifährt, greift Bernhardt schnell selbst zur Kamera. Solche Bilder existierten es bisher kaum, sagt er sichtlich begeistert. Die meisten Abbildungen seien mithilfe von Chat-GPT, also Künstlicher Intelligenz, erstellt worden. Künftig aber gibt es auch reale Fotos – aus Dürnast.

Auf einer Fläche von eineinhalb Hektar befinden sich auf dem Feld zehn Reihen mit senkrecht stehenden Modulen sowie weitere vier mit Solar-Trackern, die sich jeweils nach der Sonne ausrichten. Noch sind sie nicht in Funktion, weil das Trafohäuschen erst in den nächsten Tagen fertiggestellt wird. Daran schließt sich eine Fläche ohne PV-Anlagen an, damit die Erträge verglichen werden können. In diesem Jahr werden Sojabohnen ausgesät, wie Bernhardt erklärt, im kommenden Jahr voraussichtlich Getreide. Später soll auch untersucht werden, wie sich höhere Kulturen wie Raps und Mais auf den Ertrag der PV-Anlagen auswirken. Weihenstephan ist hier Vorreiter: „Dazu gibt es weltweit noch keine Forschung“, sagt Bernhardt.

Erste Bodenproben sind bereits genommen, etwa um die Feuchtigkeit in verschiedenen Tiefen zu messen. „Wir müssen Daten sammeln, um Vergleiche ziehen zu können“, erläutert Claudia Luksch, Geschäftsführerin am Hans-Eisenmann-Forum für Agrarwissenschaften an der TUM. Die Erwartungen sind groß. Reine Freiflächen-Photovoltaikanlagen sind nicht unumstritten. Gemeinden wie Kranzberg lehnen diese rigoros ab, weil sie gute landwirtschaftliche Böden blockieren, die dann für die Lebensmittelproduktion nicht mehr zur Verfügung stehen. Bei Agri-PV-Anlagen aber entfällt dieser Konflikt, zudem könnte der Ertrag für die Landwirte durch die Doppelnutzung erheblich steigen. In Deutschland gebe es qualitativ sehr hochwertige Böden. „Es sei schade drum, diese einfach mit PV-Anlagen zuzupflastern“, meint auch Claudia Luksch. Agri-PV-Anlagen seien ein guter Kompromiss.

Freuen sich, dass die Anlage endlich steht: Claudia Luksch, Geschäftsführerin am Hans-Eisenmann-Forum für Agrarwissenschaften, und Heinz Bernhardt, Professor für Agrarsystemtechnik.
Freuen sich, dass die Anlage endlich steht: Claudia Luksch, Geschäftsführerin am Hans-Eisenmann-Forum für Agrarwissenschaften, und Heinz Bernhardt, Professor für Agrarsystemtechnik. (Foto: Marco Einfeldt)
Zehn Reihen sind mit vertikalen Solarmodulen bestückt, vier mit Solar-Trackern, die sich nach dem Sonnenstand richten. Noch befinden sich diese unbewegt in der Waagrechten, weil das Trafohäuschen erst fertiggestellt werden muss.
Zehn Reihen sind mit vertikalen Solarmodulen bestückt, vier mit Solar-Trackern, die sich nach dem Sonnenstand richten. Noch befinden sich diese unbewegt in der Waagrechten, weil das Trafohäuschen erst fertiggestellt werden muss. (Foto: Marco Einfeldt)

Viele Lehrstühle an der TUM zeigten bereits Interesse, von den Ökologen bis zu den Ökonomen. „Es ist schön zu sehen, wie so ein Projekt die verschiedensten Disziplinen zusammenbringt“, sagt Luksch. „Denn viele Fragen sind offen.“ Etwa die Folgen durch die zusätzliche Beschattung oder die Auswirkungen für Schadinsekten. Dazu gibt es zwei völlig gegensätzliche Hypothesen: Ihre Zahl könnte steigen oder aber deutlich weniger werden, weil auf den unbearbeiteten Streifen Rückzugsorte für deren natürliche Feinde entstehen, wie Heinz Bernhardt erläutert.

Bisher ist also wenig Wissen vorhanden, entsprechend groß ist die Ungeduld der Forschenden, endlich loslegen und die Interaktionen im Naturraum, mögliche Probleme oder Vorteile, analysieren zu können. Auch mit E-Traktoren könnte künftig gearbeitet werden, die am Feld gleich Strom abnehmen. Zu klären gilt es zudem ganz einfache praktische Fragen: etwa ob der aufgewirbelte Staub die Leistung der Module beeinträchtigt, fügt Bernhardt mit Blick auf den Traktor hinzu, der auf dem trockenen Acker seine Bahnen zieht.

Aus der Landwirtschaft kommen bereits viele Nachfragen zu dem Projekt

Das Interesse an der Demonstrationsanlage ist schon jetzt groß. Es gebe erste Anfragen für Doktorarbeiten, sagt Claudia Luksch. Auch Landwirte hätten viele Nachfragen zu dem Forschungsprojekt. Aufsehen erregen die ungewöhnlichen Module zudem bei Spaziergängern und Radfahrern. Eine Infotafel soll demnächst einige Erklärungen bieten.

Der Vorlauf bis zur Umsetzung des Projekts war lang. Schon 2021 habe das Hans-Eisenmann-Forum das Vorhaben angestoßen. Die Finanzierung aber sei nicht einfach gewesen, schildert Luksch. Geregelt worden sei dies jetzt über einen Stromliefervertrag mit einer privaten Firma.

Überdachanlagen gibt es in Dürnast keine. Aber auch damit wird im Landkreis Freising experimentiert. In der Hallertau, in der Marktgemeinde Au, ist 2023 die erste Hopfen-Agri-PV-Anlage in Betrieb gegangen. Die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf übernahm die wissenschaftliche Begleitung. Die Pflanzen profitieren von der Beschattung in sechs Meter Höhe und erhalten einen Hagelschutz. Eine erste Bilanz nach einem Jahr zeigt, dass sich die Doppelernte rechnet.  Ähnliche Vorteile erhofft sich ein Landwirt, der über seinen Obstbäumen in Eberspoint, Gemeinde Kranzberg, auf einer 2700 Quadratmeter großen Fläche Solarmodule installieren will. Auch hier waren die Gemeinderäte zunächst skeptisch, begrüßten vor Kurzem nach längerer Diskussion aber die Doppelnutzung.

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Von Petra Schnirch

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