SZ-Montagsinterview:"Lernen mit Tablet und Tinte"

SZ-Montagsinterview: Unter Franz Vogls Führung sind am Neufahrner Gymnasium neue Unterrichtsmethoden eingeführt worden, die einen schüleraktivierenden "ganzheitlichen Unterricht" zum Ziel hatten und haben.

Unter Franz Vogls Führung sind am Neufahrner Gymnasium neue Unterrichtsmethoden eingeführt worden, die einen schüleraktivierenden "ganzheitlichen Unterricht" zum Ziel hatten und haben.

(Foto: Marco Einfeldt)

Unter dem scheidenden Schulleiter Franz Vogl hat sich das Neufahrner Gymnasium zu einem Vorreiter im Bereich Digitalisierung entwickelt. Dabei hat er stets auf Freiwilligkeit und kontinuierliche Fortbildung gesetzt

Interview von Alexandra Vettori, Neufahrn

Nach zehn Jahren als Leiter des Neufahrner Oskar Maria Graf-Gymnasiums (OMG) ist Franz Vogl in den Ruhestand verabschiedet worden. Im Gespräch mit der Freisinger SZ zieht er Bilanz.

SZ: Das OMG ist unter Ihrer Leitung zur digitalen Vorzeigeschule nicht nur im Landkreis geworden, wie kam das?

Vogl: Die digitalen Veränderungen sind eigentlich ein Nebenprodukt unseres schulischen Ansatzes. Wir haben hier neue Unterrichtsmethoden eingeführt, die einen schüleraktivierenden "ganzheitlichen Unterricht" zum Ziel hatten und haben, und das führte zu immer mehr Individualisierungsmaßnahmen. Dazu hatten wir an digitale Medien interessierte Lehrer, was ein echter Glücksfall war. Sie stießen vor acht Jahren auf das Internet, die I-Pads und webbasiertes Feedback. So beteiligte sich das OMG am Modellversuch "lernreich 2.0". Ich habe diese Ideen zugelassen und musste nur finanzielle Mittel finden, um die passende Infrastruktur dafür zu bekommen.

Sie haben immer wieder betont, dass es nicht auf die Anzahl von White Boards an der Schule ankommt, um als Schule auf der Höhe der Zeit zu sein. Auf was dann?

Funktionierende Technik muss einfach, leicht bedienbar und kostengünstig sein. Wir sind im Team zu vielen anderen Schulen gefahren, haben gute Beispiele nachgeahmt, Fehler möglichst vermieden und dabei kontinuierlich die Technik ausgebaut. Gleichzeitig habe ich aber darauf geachtet, dass keiner zu etwas gezwungen wurde. Die Vorreiterlehrer durften ausprobieren und andere begeistern. Unser Motto "Lernen mit Tablet und Tinte" zeigt es auch: Am OMG gibt es nicht ein "entweder - oder" sondern ein "sowohl - als auch". Deshalb haben wir von Anfang an auf Freiwilligkeit gesetzt, bei Lehrern und Schülern, und wir haben die Eltern eingebunden. Kontinuierliche Fortbildung war der zentrale Schlüssel beim Transformationsprozess hin zur digitalen Schule. Der erste Preis, den wir gerade beim ISI-Digital-Wettbewerb gewonnen haben, ist der sichtbare Lohn. Da wurden wie für unser internes Fortbildungssystem ausgezeichnet.

Wie hat Sie bei dieser Entwicklung der Sachaufwandsträger unterstützt? Finanziell bei nötigen Anschaffungen und mit Offenheit für neue Ideen?

Irgendwie habe ich in meiner Amtszeit am OMG gefühlt immer gebaut. Zunächst Deckensanierung, dann Mensa, Erweiterungsbau, Aula, jetzt Bausanierung wegen Hitze, Nässe oder anderer Probleme. Die ersten acht Jahre war Sachaufwandsträger der Zweckverband aus Gemeinde Neufahrn und Landkreis Freising, der immer offen war. Aber wir haben von Schulseite her auch alles gut begründet, sind es gemeinsam mit den Planern angegangen und haben es dann realisiert. Ich musste mich nur selten beklagen. Die Campussicherheit und -verschönerung habe ich leider nicht mehr geschafft, aber man kann nicht alles haben. Beim Digitalen haben wir ja sowieso auf kostengünstige Lösungen mit externem Support gesetzt, Lehrer sind für die Pädagogik da, IT-Firmen für die Technik. Hier sind wir sicher Vorreiter, und ich finde es schade, dass sich zwar Schulen aus Hamburg und Hessen oder NRW für den OMG-Ansatz interessieren, aber Landkreisschulen nicht.

Kommen wir zu einem anderen Dauerbrenner, der Sie während ihrer Amtszeit beschäftigt hat, das acht- beziehungsweise neunjährige Gymnasium. Finden Sie es gut, dass es jetzt wieder ein G9 gibt?

G8/G9 brachte mir einen doppelten Abiturjahrgang ein und der Schule erhebliche Anstrengungen. Als wir uns alle damit abgefunden hatten, hieß es "Rolle rückwärts". Ganz ehrlich, ich bin froh, das so genannte neue G9 nicht mehr verwalten zu müssen. Auch hier zeigt sich wieder ein Geburtsfehler: Der Stoff bleibt gleich, Stunden werden gestrichen und die Schülerinnen und Schüler sollen das bis zur zehnten Klasse fast ohne Nachmittagsstunden schaffen. Das G 8-Herzstück - viele Intensivierungsstunden - sind weggefallen, dafür kann man die elfte Klasse wohl überspringen. Dieser Zwitter wird noch für erheblichen Ärger in den Schulfamilien sorgen.

Thema Nachmittagsunterricht: Wie sind Ihre Erfahrungen? Ist es gut oder schlecht, dass es jetzt weniger gibt? Braucht es da die Mensa noch? Es war ja ein mühevoller Weg, bis ein Caterer gefunden war, mit dem es offenbar gut klappt.

Mensa, Nachmittagsunterricht und Ganztagsschule sind ein Kapitel, das einen Schulleiter ziemlich viel Zeit und Mühen kostet. Die gefundene Lösung mit dem Förderverein als Kooperationspartner ist vorbildlich, denn in Neufahrn herrscht großer Bedarf für Nachmittagsbetreuung der Unterstufenschüler. Die Hälfte aller Fünft- und Sechstklässler hier ist in der Offenen Ganztagsschule. Dass es jetzt mit der Mensa so gut funktioniert, liegt daran, dass wir ein tolles Mensateam und eine hervorragende Köchin haben. Leider wollen alle ökologische, abwechslungsreiche und regionale Zutaten, aber kosten darf es nichts. Das passt nicht zusammen. Wir haben aber wohl viel ganz richtig gemacht, über 150 Essen täglich zeigen das.

Wie lange waren Sie jetzt im Schulunterricht? Sehen Sie eine Veränderung bei den Schülern, unterscheiden sie sich von denen aus Ihren Anfangsjahren als Lehrer?

Ich war 38 Jahre lang im Schulunterricht, davon 23 Jahre im Direktorat. Ob sich die Schüler tatsächlich verändert haben, das wage ich trotzdem nicht zu beurteilen. Natürlich treten heute mehr Kinder ans Gymnasium über, sind Ablenkung und vielleicht auch eine geringere Konzentrationsfähigkeit feststellbar. Aber es gibt in allen Generationen herausragende, zuvorkommende und einfach liebenswerte Kinder, auch in der heutigen. Die Kompetenzorientierung schon in der Grundschule zeigt positive Wirkungen, gleichzeitig gehen aber leider auch die Anstrengungsbereitschaft und der Lerneifer manchmal verloren. Deshalb müssen Lehrer ihre Rolle neu interpretieren und sich auf die neuen Schülergenerationen einstellen, mehr Coach als reine Wissensvermittler sein.

Auf was freuen Sie sich am meisten am neuen Lebensabschnitt?

Am meisten freue ich mich darauf, nicht mehr so von den Ferien abhängig zu sein.

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