SZ-Adventskalender:"Das Problem hat die Mittelschicht erreicht"

SZ-Adventskalender: Die Unterbringung in einer Notunterkunft - wie diese in Neufahrn - stigmatisiert die Betroffenen.

Die Unterbringung in einer Notunterkunft - wie diese in Neufahrn - stigmatisiert die Betroffenen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Mietschulden und explodierende Energiepreise: Immer mehr Menschen im Landkreis sind von Wohnungslosigkeit bedroht. Die Betroffenen führt das in eine existenzielle Krise. Die Diakonie versucht, das Schlimmste zu verhindern.

Von Gudrun Regelein, Freising

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist eines der ganz großen Probleme für die Menschen in der Region. Der Markt ist extrem angespannt. Eine bezahlbare Wohnung in der Stadt oder im Landkreis Freising zu finden, sei kaum mehr möglich, sagt Philipp Irmler von der Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit (FOL) der Diakonie Freising. Die Folgen sind auch in der Fachstelle deutlich zu spüren: "Die Zahl der Klienten steigt seit dem Herbst wieder deutlich an", berichtet Irmler.

Die sechsköpfige Familie Omar, die im wirklichen Leben anders heißt, ist einer dieser Fälle. Ein Fall, hinter dem ein Schicksal steht. Die Familie lebt in einer Landkreisgemeinde, die Wohnung wurde ihr schon vor einiger Zeit gekündigt. Zum einen, da sie die extrem hohe Pauschale für die Nebenkosten nicht mehr vollständig zahlen konnte. Daneben war es aber auch zu Streitereien mit dem Vermieter gekommen. Die Folgen waren die Kündigung und ein Rechtstreit. Das Gericht entschied zugunsten des Vermieters: die Familie Omar musste raus. Eine neue Wohnung, die sie sich hätten leisten können, hatten die Eltern in der Zwischenzeit aber nicht gefunden. Die Familie wurden obdachlos - und wurde in der Notunterkunft der Gemeinde einquartiert.

Mietschulden und explodierende Energiepreise

Betroffen von der Wohnungsnot und einer drohenden Obdachlosigkeit sind aber schon längst nicht mehr nur sozial benachteiligte Menschen, wie die Familie Omar, die auf Sozialleistungen angewiesen ist. "Das Problem hat die Mittelschicht erreicht", sagt Irmler. Gründe für eine drohende Wohnungslosigkeit gebe es viele: Neben Mietschulden, die derzeit bei den steigenden Lebenshaltungskosten und explodierenden Energiepreisen schnell auflaufen können, nennt er den Verlust der Arbeit, Krankheit und eine Scheidung oder Trennung. Oder der Vermieter meldet Eigenbedarf an.

Durch den drohenden Wohnungsverlust, die Vorstellung, in eine Notunterkunft ziehen zu müssen, geraten die meisten Klienten in eine existenzielle Krise. Viele verdrängen das Thema für eine lange Zeit, Briefe werden beispielsweise ungeöffnet in die Schublade gesteckt. "Viele unserer Klienten sind mit der Situation überfordert", schildert Irmler. Je später die Betroffenen aber in die Fachberatung kommen, umso schwieriger werde es, eine Kündigung zu verhindern, umso weniger Verhandlungsspielraum habe man noch. Die Vorstellung, die Wohnung - einen wichtigen Zufluchtsort - zu verlieren, stresse ungemein. "Das löst tiefe Ängste aus", sagt der Berater.

Obdachlosigkeit stigmatisiert

In den beiden Jahren der Corona-Pandemie habe es noch eine Schutzregelung gegeben, eine Wohnungskündigung war damals nicht so einfach möglich gewesen. Diese Regelung gelte nun aber nicht mehr, und das mache sich bemerkbar, sagt Irmler. "Die Zahlen steigen gerade jetzt zum Jahresende wieder an." Welche Folgen die extrem gestiegenen Energiekosten haben werden, vermag er noch nicht einzuschätzen, aber: "Wir rechnen in den kommenden Monaten mit deutlich mehr Klienten."

Obdachlosigkeit, beziehungsweise die Unterbringung in einer Notunterkunft, stigmatisiere die Betroffenen. Gerade für die Kinder sei diese Situation schlimm. "Und auch bei einer neuen Suche nach einer Wohnung wird es schwierig. Vermieter nehmen normalerweise nicht gerne Menschen, die wohnungslos wurden", schildert Irmler. So lebt auch die Familie Omar noch immer in der Notunterkunft. Oft aber sei die engmaschige Beratung und psychosoziale Betreuung in der Fachstelle aber erfolgreich, sagt Irmler. "Wir können vielen Menschen helfen." Das heißt, die Wohnung konnte behalten oder eine neue gefunden werden. Bis es aber soweit war, dauerte es oft sehr lange.

Soforthilfe mit Spendengeldern

Zuletzt habe es wieder mehr Anfragen nach den sogenannten Überbrückungsleistungen gegeben. Häufig vergehe nämlich eine lange Zeit, bis die beantragten Sozialleistungen eintreffen. Die Diakonie leiste in Notfällen - beispielsweise um eine offene Stromrechnung begleichen zu können - eine Soforthilfe. Auch hier sei man auf Stiftungs- und Spendengelder angewiesen, die eigenen finanziellen Mittel seien nicht ausreichend.

Der "Adventskalender für gute Werke" der Süddeutschen Zeitung möchte Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind, gerne unterstützen. Oft können auch schon kleine Beträge in einer akuten Notsituation viel helfen.

So können Sie spenden

Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung e.V.

Stadtsparkasse München

IBAN: DE86 7015 0000 0000 600700

BIC: SSKMDEMMXXX

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