SZ-Adventskalender:Beschämend und nicht akzeptabel

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Altersarmut ist auch im Landkreis ein großes Thema. Immer mehr Senioren droht die Wohnungslosigkeit, vor allem, wenn der Partner plötzlich stirbt

Von Gudrun Regelein, Freising

"Holen Sie mich hier raus." Das sagt Josef Schwaiger (Name geändert) jedes Mal, wenn ihn sein Betreuer von der Diakonie in dem winzigen Pensionszimmer, in dem er momentan lebt, besucht. Der 84-Jährige ist wohnungslos. Im Oktober musste der Rentner aus der Wohnung, in der er viele Jahre lang mit seiner Lebensgefährtin gelebt hat, ausziehen. Die kleine Gemeinde, in der er seit Langem wohnt, und die für seine Unterbringung zuständig ist, verwies ihn damals nicht in eine Notunterkunft, sondern mietete für ihn ein Pensionszimmer. Auf gerade einmal sieben Quadratmetern lebt Josef Schwaiger nun schon seit etwa zwei Monaten. Für ihn sei es die Hölle auf Erden, sagt er verzweifelt. "Früher war ich immer unter Leuten, jetzt bin ich immer alleine. Das ist kein Leben mehr, am liebsten möchte ich sterben."

Bis zu dem Tod seiner Lebensgefährtin vor gut zwei Monaten kümmerte sich Josef Schwaiger um sie. Danach ging alles sehr schnell: Er bekam einen Brief vom Eigentümer mit der Aufforderung, die Wohnung zu räumen. Zwei Wochen wurden Josef Schwaiger dafür Zeit gegeben. Seine Lebensgefährtin hatte zwar ein Wohnrecht auf Lebenszeit, nicht aber er. Der Rentner war vollkommen hilflos. Zu der Trauer um seine Lebensgefährtin kam der Verlust der Wohnung. Viel Geld hat er nicht, es reichte immer gerade einmal so, um über die Runden zu kommen. Der 84-Jährige arbeitete zwar viele Jahre lang als Metzger, verdiente aber nie besonders gut. Heute muss er von 415 Euro im Monat leben: er bekommt 244 Euro Rente, dazu noch einmal 171 Grundsicherung im Alter.

"Die Umstände, in denen er momentan lebt, sind definitiv nicht akzeptabel", sagt Beate Drobniak, Leiterin der Diakonie Freising. Das winzige Zimmer im zweiten Stock, das er nach einer Operation am Bein nur mühsam erreichen kann, das Bad auf dem Flur, das er sich mit den anderen Pensionsbewohnern teilen muss, seien unwürdig, sagt Drobniak. Für ihn sei die Situation nach dem Verlust seiner Partnerin ohnehin schon sehr schwer. "Jetzt noch mit all seinen Sachen in diesem winzigen Pensionszimmer leben zu müssen, ist extrem belastend." Momentan wartet Josef Schwaiger auf einen Platz im betreuten Wohnen, das wäre für ihn ein großer Traum. Aber dafür beträgt die Wartezeit derzeit zwischen zwei und drei Jahren.

Die Geschichte des alten Mannes sei beschämend, sagt Beate Drobniak. Er sei einsam, eigentlich müsste er dringend aus dieser Isolation herausgeholt werden. "Er bräuchte Kontakte, eine intensive Betreuung, um die Trauer verarbeiten zu können", erklärt sie. Der Betreuer der Diakonie versuche zwar, ihn zu stabilisieren und ihm Mut zu machen. "Aber ohne Aussicht auf einen Umzug ist das schwierig."

Josef Schwaiger aber ist kein Einzelfall bei der Diakonie. Die Zahl der alten Menschen in Not steige stetig, berichtet Drobniak. Gerade im vergangenen Vierteljahr habe es viele Fälle gegeben, bei denen Senioren von der Obdachlosigkeit bedroht waren. "Die Rente ist nicht ausreichend, um die Miete für eine eigentlich zu große Wohnung zu bezahlen - eine neue aber wird auf dem leer gefegten Wohnungsmarkt nicht gefunden, die Wohnungslosigkeit droht", schildert Drobniak.

Gerade alten Menschen würde es oftmals sehr schwerfallen, Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Sie würden oftmals lieber eisern sparen und hungern, als um Unterstützung - beispielsweise Grundsicherung im Alter - zu bitten. "Sie glauben, dass sie es alleine schaffen müssen", sagt Drobniak. Armut im Alter aber bedeute immer auch Einsamkeit. "Wenn man jeden Cent umdrehen muss, sich nicht einmal eine Tasse Kaffee leisten kann, dann ist eine Teilhabe sicher nicht mehr möglich."

Armut im Alter sei beschämend. "Das ist doch die Generation, die den Aufbau geleistet hat", sagt sie. Für sie sei es "höchst unanständig", dass Menschen, die immer gearbeitet haben, sich nichts mehr leisten können und sogar ihre Wohnung verlieren. Armut im Alter aber sei auch im reichen Landkreis Freising längst eine Realität. Die aber dürfe man nicht als individuelles Schicksal begreifen, sagt die Leiterin der Diakonie.

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