Süddeutsche Zeitung

Ehrenamtliches Engagment an der TUM Freising:Gemeinsam etwas bewirken

Lesezeit: 3 min

Engagierte Studierende setzen sich in den Fachschaften für ihre und die Interessen ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen ein. Doch fehlende Unterstützung, Nachwuchsmangel und Energiepreise bereiten ihnen Sorgen.

Von Marius Oberberger, Freising

Etwa 4300 Personen studieren an der "TUM School of Life Sciences" am Campus Weihenstephan. Alle Studierenden können sich in den Fachschaften engagieren. Einfach aus Freude an den Aktivitäten und der Gemeinschaft oder um die Interessen ihrer Mitstudierenden zu vertreten. Laura Thalmeier studiert im Master Nutrition and Biomedicine und war schon immer an Politik interessiert, fand aber für sich "den klassischen politischen Werdegang und die Parteien nicht passend", weshalb sie sich in der Fachschaft Ernährungswissenschaft engagiert. Annika Arndt studiert im Bachelor Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung und genießt es, bei der Fachschaft Landschaft Veranstaltungen zu organisieren und mit anderen Studierenden das Uni-Leben zu gestalten. Ihr Kommilitone Luis Neumeier ist vor einigen Jahren schlicht aus Personalmangel in die Fachschaft Landschaft gekommen - bis heute ist er dabei, der Fachschaft fehlen aber immer noch Engagierte.

Fachschaftsarbeit ist mehr als nur Party: Organisationsaufwand, Austausch mit Lehrstühlen, universitäre Gremien

Arndt und Neumeier berichten von den zahlreichen Veranstaltungen, die die Studierenden gestalten: Partys, ein "Running Dinner", Kleidertauschaktionen, die Pflege des Gartens des Instituts und vieles mehr. Für alle, die ihr Studium im Oktober beginnen, gibt es ein vielfältiges Programm: Die Technische Universität München (TUM) organisiert eine ausgiebige Einführung, zusätzlich bieten die einzelnen Fachschaften etwa eine Campusführung, eine Stadtrally, einen Barabend und teils eine Fachschafts-Vollversammlung an. Die Fachschaft Ernährungswissenschaft veranstaltet zudem beispielweise ein "How-To-Bachelorarbeit" sowie ein Seminar zu Finanzen an und vermittelt für das Buddy-Programm erfahrenere Studierende als Begleitung für den Studieneinstieg, wie Miriam Neuhäuser von der Fachschaft erzählt. Die Aktivitäten einer Fachschaft hängen ganz von dem ab, was die Engagierten gestalten wollen. Thalmeier lobt das "positive Mindset" und die Gemeinschaft in der Fachschaft, freut sich, für andere etwas bewirken zu können und berichtet, mit ihrem Engagement viele "social skills" weiterentwickelt zu haben.

Arndt erklärt, dass Studierende aus unterschiedlichen Semestern sich bei den Fachschafts-Veranstaltungen kennenlernen und den "Kopf kurz abschalten vom ganzen Uni-Stress". Außerdem verbinden die Fachschaften die Studierendenden mit den Lehrstühlen. Die Fachschaft bleibe Teil der Studierendenschaft und stehe allen offen, so Neumeier. Er berichtet von projektbezogenem Austausch mit Professoren, etwa zur Terminplanung im Semester oder der Gestaltung von Exkursionen. Die Fachschaften vertreten die Studierenden in universitären Gremien, etwa in den Kommissionen zur Verteilung von Studienzuschüssen, dem Qualitätsmanagementzirkel sowie im "School Council", der über zentrale Belange am Campus entscheidet.

Für die Fachschaften gibt es viel zu tun: Thalmeier berichtet von einer großen Diskrepanz zwischen Studierenden und Professoren und enormem Leistungsdruck auf viele Studierende, welcher auch die psychische Gesundheit belaste. Neuhäuser und Thalmeier bedauern, dass die Fachschaftsarbeit von vielen nicht wertgeschätzt werde und die Politik studentische Anliegen oft nicht berücksichtige, etwa in der Corona- oder Energiekrise. Das zeitintensive Engagement werde auch nicht durch Anrechnung als ECTS - das ist das europäische Erfassungssystem für zu erbringende und erbrachte Leistungen - oder eine verlängerte Regelstudienzeit honoriert.

Als aufgrund der Corona-bedingten Online-Semester Begegnungen am Campus entfielen, hätten sich die sechs Fachschaften am Weihenstephaner Campus zum "Student Council Weihenstephan" zusammengeschlossen, um sich besser auszutauschen und zu koordinieren, so Neuhäuser. Neumeier findet es wichtig, als Fachschaft zu erinnern, dass die TUM ihren Lehrauftrag auch über große, renommierte Studiengänge und Exzellenzförderung hinaus ernst nehmen müsse. Die seit 2020 kontrovers diskutierte und im Sommer verabschiedete Hochschulreform sei weniger tiefgreifend ausgefallen als erwartet, berichtet Neuhäuser. Allerdings beinhaltet das Gesetz die Möglichkeit, für Studierende ohne EU-Staatsbürgerschaft Studiengebühren zu erheben, wogegen sich die Fachschaften geschlossen einsetzen. Obwohl die Hochschulreform erstmals mit dem Landesstudierendenbeirat eine bayernweite Studierendenvertretung rechtlich verankert, ist Bayern weiter das einzige Bundesland ohne eine Verfasste Studierendenschaft, die von der Politik und den Universitätspräsidien unabhängiger wäre.

Sorgen um den Nachwuchs und die Energiepreise

Für die Engagierten gehört Fachschaftsarbeit zum Studium: "Das Studium sollte uns nicht einfach zu perfekten Arbeitskräften ausbilden, sondern ein Weiterentwicklungsprozess sein, wo ehrenamtliches Engagement dazugehört und auch gefördert werden sollte", so Neuhäuser. Doch den Fachschaften fehlt der Nachwuchs: Arndt meint, dass von den Studierenden "gerade in den ersten Semestern sehr viel verlangt" werde und sie daher vor allem auf sich selbst schauten. Neumeier beobachtet gar, "dass eine Dienstleistungshaltung vorherrscht": Alles solle einfach funktionieren, ohne dass man sich selbst engagieren wolle. In einem unübersichtlichen "Verwaltungsdschungel" fänden sich viele nicht zurecht. Wolle die Universität das fachschaftliche Engagement mehr unterstützen, müsse dies mit mehr finanzieller Unterstützung für Projekte wie die "Ersti-Woche" mit einer "Ersti-Fahrt" beginnen.

Die Mietkosten und erhöhten Beiträge für das Semesterticket belasten die Studierenden. Dazu kommen nun die Sorgen um die angestiegenen Energiepreise. Neuhäuser sieht die Vielfalt und Diversität der Fachschaft gefährdet, die Studierende aus allen Semestern und persönlichen Hintergründen umfassen möchte. Nähmen die Geldsorgen zu, stünden viele vor der Frage "Ehrenamt oder richtige Arbeit". Neumeier erzählt, dass viele Studierende nun hart sparen müssten - vielleicht müssten manche mit ihrem Studium gar pausieren, wenn sie die Energiepreise nicht mehr bezahlen könnten.

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