Süddeutsche Zeitung

Strom in der Hand von Gemeinden:Rolle rückwärts

Das Stromnetz in Bayern ist erst 1992 privatisiert worden. Inzwischen kaufen Kommunen wie Eching, Neufahrn und jüngst Hallbergmoos die Netze zurück. So partizipieren sie am Gewinn und haben mehr Steuerungsmöglichkeiten.

Von Alexandra Vettori, Freising

"Stromnetz in Bürgerhand", so hieß vor einigen Jahren der Slogan, unter dem eine neue Bewegung in Deutschland stand. Immer mehr Gemeinden, die es sich leisten konnten, kauften mit dem Auslaufen der langfristigen Konzessionsverträge Stromnetze von Energiekonzernen zurück. Jüngstes Beispiel im Landkreis Freising war vorige Woche die Gemeinde Hallbergmoos, die mit dem bisherigen Eigentümer Bayernwerk einen Konsortialvertrag zur Gründung der "Stromnetz GmbH & Co KG" abschloss, in der die Gemeinde 51 Prozent hält.

Ein gutes Jahr zuvor haben Eching und Neufahrn den Schritt getan. Unter dem Dach des gemeinsamen Zweckverbands "Verkehr und Energie" gründeten die Nachbarorte die "Energienetz Neufahrn/Eching GmbH & Co KG" mit dem Bayernwerk, auch hier hält man 51 Prozent. Wie in Hallbergmoos haben die Vorbereitungen Jahre gedauert. "Das Vertragswerk ist so dick wie ein gemeindlicher Haushalt", sagt Hubert Wittmann, der im Echinger Rathaus damals beteiligt war. In Neufahrn ist Johann Halbinger zuständig. Zu den Erfahrungen könne man noch nicht viel sagen, wie viel Geld die Gemeinden eingenommen haben, verrät er nicht. "Das sind Wirtschaftsdaten, die nicht einfach so heraus gegeben werden, darum haben wir ja eine GmbH gegründet", sagt Halbinger. Fünf Millionen Euro haben Eching und Neufahrn als Einlagekapital für ihre 51 Prozent gezahlt. Zum Vergleich: Bei Hallbergmoos waren es jetzt 1,79 Millionen Euro.

Die Gemeinde schöpft einen Teil des Gewinns ab

Dass Geld aus den Netznutzungsentgelten der Stromanbieter zurück fließt, ist klar. Schließlich spielt die kommunale Wertschöpfung bei der Übernahme des Stromnetzes durchaus eine Rolle. Der Hallbergmooser Bürgermeister Harald Reents drückte es so aus: "Einen Teil des Gewinns schöpft künftig die Gemeinde ab." Dazu kommt die Pacht, die das Bayernwerk für die Anlagen zahlt, auch in Eching und Neufahrn ist das so. Denn für Betrieb, Wartung und Störungsdienst ist nach wie vor der Energiekonzern zuständig. "Sonst", betont Halbinger, "müssten wir einen Riesen-Personalstamm anstellen."

In Freising hat man diesen Weg gewählt, allerdings schon 1959. Damals übernahm die Stadt ihr Stromnetz von der Bayerischen Elektrizitätswerke AG Landshut-München, die Freising seit 1904 mit Strom versorgt hatte, und gründete den Eigenbetrieb Stadtwerke Freising. Mit Beginn der Liberalisierung des Strommarktes im Jahr 2000 mussten auch die Stadtwerke Netzbetrieb und Stromvertrieb organisatorisch trennen. Dazu wurde die Freisinger Stadtwerke Versorgungs-GmbH gegründet, eine 100-prozentige Tochter der Stadtwerke. Während Freising mit diversen Fotovoltaikanlagen längst auch Energieproduzent ist, gibt es in den Süd- Kommunen dazu noch keine Bestrebungen. Die Fotovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden in Eching betreibt die Freisinger Bürger-Energiegenossenschaft.

Neufahrn erhofft sich mehr Steuerungsmöglichkeiten

Die Übernahme des Stromnetzes allerdings wird, wenn der Einstieg in die kommunale Energieversorgung gewollt ist, die Sache sehr erleichtern. "Dann kann die Gemeinde beeinflussen, wo Anschlüsse entstehen, da haben wir mehr Steuerungsmöglichkeiten", betont Johann Halbinger. Irgendwann, kann er sich vorstellen, werden die Kommunen auch einmal 100 Prozent der Stromnetz-Gesellschaft übernehmen, aber dafür brauche man erst noch Erfahrung. Für kleine Kommunen mit langen Netzen und wenig Abnehmern lohnt sich derlei Engagement allerdings noch nicht, hier stehen Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis.

Die Welle der Rekommunalisierung der Stromnetze stellt eine Rolle rückwärts dar. Erst 1992 war das Stromnetz in Bayern privatisiert worden, als der Freistaat seine 58-Prozent-Beteiligung am führenden bayerischen Energieversorger Bayernwerk durch Verschmelzung an die Viag abgab. Im Jahr 2000 fusionierte die Viag dann mit der Veba zu Eon, darin eingebunden unter dem Markenzeichen Eon Bayern fünf bayerische Strom-Regionalversorger, darunter die Isar-Amperwerke.

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