Süddeutsche Zeitung

Striktere Maßnahmen:Zur Untätigkeit verdammt

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Junge Flüchtlinge, die keine gute Bleibeperspektive haben, dürfen keine Ausbildung mehr machen. Reinhard Kastorff vom Moosburger Helferkreis kritisiert dies als "schikanöses Vorgehen"

Von Katharina Aurich, Freising

Die Mitglieder der Flüchtlingshelferkreise im Landkreis sind in Sorge: Kurz vor Weihnachten ist bekannt geworden, dass Geflüchtete, deren Anerkennung unsicher ist, keine Arbeitserlaubnis mehr erhalten sollen. Lediglich für Flüchtlinge aus Irak, Syrien, Iran, Eritrea und Somalia mit guter Bleibeperspektive wird die Arbeitserlaubnis verlängert. Eva Dörpinghaus, Sprecherin des Landratsamtes, erklärt, dass das bayerische Innenministerium die Kreisbehörden angewiesen habe, die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis restriktiver zu handhaben.

Asylbewerber aus Staaten, die als sicher gelten - dazu zählen Albanien, Bosnien-Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal und Serbien - erhielten grundsätzlich keine Arbeitserlaubnis. Für Flüchtlinge aus anderen Ländern gebe es "Ermessensgesichtspunkte". Ein wesentlicher Aspekt sei die aktuelle Anerkennungsquote des Bamf (Bundesamt für Migration) für den Herkunftsstaat des Flüchtlings. Eine hohe Bleibewahrscheinlichkeit hätten danach Menschen aus Eritrea, Irak, Iran, Somalia und Syrien. Wenig wahrscheinlich sei die Anerkennung als Flüchtling für Menschen aus Pakistan, Afghanistan und Nigeria, diese Nationalitäten machten zwei Drittel der im Landkreis lebenden Asylbewerber aus. Auch "in Fällen geringer Bleibewahrscheinlichkeit ist laut Weisungslage die Beschäftigungserlaubnis abzulehnen", heißt es aus dem Landratsamt. Flüchtlinge aus solchen Ländern dürften auch keine Lehre mehr beginnen. Ob diejenigen, die bereits in Ausbildung sind, diese weiterführen können, werde derzeit vom Innenministerium geprüft. Das Ausländeramt des Landratsamts werde bei Flüchtlingen, die eine niedrige Bleibewahrscheinlichkeit haben, die Arbeitsgenehmigung künftig nicht mehr verlängern, informierte Dörpinghaus. Sie fügt an, dass es schwierig sei, die Vorgehensweise verschiedener Landratsämter zu vergleichen. Denn in Landkreisen, in denen vor allem Menschen aus Ländern mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit leben, könne eine solch Erlaubnis leichter erteilt werden als etwa in Freising, wo viele mit geringer Bleibeprognose wohnen.

Die Folgen sind bereits zu spüren: Margit Kattinger vom Helferkreis in Zolling hatte sich für Djallo aus Mali um einen Ausbildungsplatz gekümmert. Endlich hatte sich ein Betrieb gefunden. Kattinger ging daraufhin mit ihrem Schützling samt Ausbildungsvertrag kurz vor Weihnachten zur Ausländerbehörde, um seine Arbeitserlaubnis zu verlängern. Dort sei ihr dann gesagt worden, dass Djallo keine Lehre absolvieren dürfe. "Es hat immer geheißen, die Flüchtlinge dürfen eine Ausbildung machen, wir haben uns darum gekümmert und uns darauf verlassen", sagt Margit Kattinger. Mittlerweile sind drei junge Männer aus der Zollinger Unterkunft in Ausbildung, aber "wir trauen uns nicht mehr mit ihnen ins Landratsamt, um die Arbeitserlaubnis zu verlängern, denn vermutlich wird ihnen diese gestrichen", fürchtet Kattinger. Auch Reinhard Kastorff aus Moosburg, der sich seit Jahren für die Integration von Flüchtlingen engagiert, ist betroffen, dass die sogenannte Ausbildungsduldung offensichtlich ausgehebelt werde. Für ihn ist es ein "schikanöses Vorgehen", dass junge Geflüchtete plötzlich nicht mehr arbeiten dürften.

Kastorff ist überzeugt, dass der Freistaat verhindern wolle, dass sich Flüchtlinge tatsächlich integrieren und, wenn sie jahrelang gearbeitet haben, bleiben dürfen. Alle diejenigen, denen jetzt die Arbeitserlaubnis entzogen werde, verdienten nichts mehr und fielen dem Sozialsystem zur Last, kritisiert Kastorff. Die Kreisverwaltungsbehörde habe einen Ermessensspielraum, wann sie eine Arbeits- oder Ausbildungserlaubnis erteile, sagt Florian Herrmann, Vorsitzender des Innenausschusses des Landtags und Kreisvorsitzender der CSU. Die Gesetze würden jetzt aber restriktiv gehandhabt, um allen, deren Bleibeperspektive unklar sei, keine falschen Hoffnungen zu machen.

Die Mitglieder des Helferkreises der Freisinger Unterkunft an der Wippenhauser Straße fürchten nun um den sozialen Frieden. "Im Landkreis gibt es bereits viele Fälle, in denen Asylbewerber, die Arbeit hatten und erste Schritte in ein eigenständiges, von staatlicher Unterstützung unabhängiges Leben gegangen sind, diese Arbeit nun verlieren. Die Betroffenen haben zum Teil Ausbildungen in solchen Berufen, für die Fachkräftemangel besteht", erklärt Theresa Degelmann. Stattdessen seien die Menschen nun dazu verdammt, in den Unterkünften herumzusitzen und in eine unsichere Zukunft zu blicken. Mit diesem restriktiven Vorgehen werde ihnen die Grundlage genommen, sich zu integrieren. Degelmann findet klare Worte: "Das Ganze kurz vor Weihnachten anzustoßen, wenn mit wenig Protest zwischen den Jahren zu rechnen ist, weil auch Ehrenamtliche einmal Pause brauchen, ist perfide. Den Helfern permanent für ihre Arbeit zu danken und dann die ganze mühevolle Arbeit zunichte zu machen, ist heuchlerisch."

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Quelle:
SZ vom 30.12.2016
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