Straßenausbau:Anwohner müssen (vorerst) nicht zahlen

2018 verzichtet die Stadt darauf, Bescheide nach der umstrittenen Satzung zu verschicken. Sollte die auf Landesebene nicht gekippt werden, flattern die Rechnungen den Anliegern aber noch ins Haus

Von Kerstin Vogel, Freising

Die Stadt Freising wird 2018 keine Bescheide nach der Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) verschicken. Das hat Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher am Dienstag in einem Gespräch mit der Freisinger SZ bestätigt. Entsprechende Forderungen hatte zuletzt neben den Freien Wählern und der FDP auch die Freisinger SPD erhoben. Hintergrund sind die seit Wochen auf Landesebene geführten Auseinandersetzungen um die Beiträge, die eine baldige Änderung der Rechtslage durch die Staatsregierung erwarten lassen.

Seit die Proteste gegen die finanzielle Beteiligung von Bürgern an Straßenbauprojekten in ganz Bayern zunehmen und die Freien Wähler ein Volksbegehren zur Abschaffung der Strabs angestoßen haben, wird bei der CSU-Fraktion im Landtag ein Umdenken erwartet. Tatsächlich hat Fraktionschef Thomas Kreuzer bei der laufenden Klausurtagung in Kloster Banz eine Grundsatzentscheidung angedeutet, nach der die Beiträge abgeschafft werden könnten. "Ich glaube, dass wir hier zu einer Beschlussfassung kommen können", sagte Kreuzer dem Bayerischen Rundfunk. Einen endgültigen Beschluss solle es jedoch erst nach Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden geben. Vor dem Kloster hatten zum Auftakt der Tagung etwa 150 Vertreter von Bürgerinitiativen aus ganz Bayern gegen die Strabs protestiert.

Auch Freisings Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher wird der ungeliebten Satzung eher keine Träne nachweinen. Tatsächlich kassiert die Stadt Freising die Straßenausbaubeiträge erst, seit das Landratsamt den Stadtrat 2004 zum Erlass der entsprechenden Satzung verdonnert hat. Zuvor hatte sich das Gremium lange dagegen gesperrt. "Für uns ist das kein Spaß, das umsetzen zu müssen", sagt Eschenbacher. "Das führt immer nur zu Ärger." Wie sehr, das haben der Oberbürgermeister und die Stadträte zuletzt bei der Neugestaltung der Freisinger Innenstadt erleben müssen. Denn auch hier sollen die Anwohner an den Kosten des Projekts beteiligt werden. Von Beträgen zwischen 10 000 und 70 000 Euro ist hier die Rede - sie halten das unter anderem deshalb für besonders ungerecht, weil eine attraktive Altstadt schließlich der Allgemeinheit zugute komme.

Der Oberbürgermeister sieht unterdessen einigen Klärungsbedarf, wenn die Strabs wirklich abgeschafft werden sollte. "Was passiert, wenn irgendwo ein Teil der Anwohner bereits bezahlt hat?", fragt er beispielsweise. Diese Beiträge könnten rechtlich eigentlich nicht zurückgefordert werden. Auf gar keinen Fall dürfe die Entscheidung, ob die umstrittenen Beiträge erhoben werden, künftig den einzelnen Kommunen überlassen werden, so Eschenbacher: "Das muss vom Gesetzgeber ganz klar geregelt werden." Auch stehe noch die Frage der Kompensation im Raum, schließlich müssten die Maßnahmen ja trotzdem finanziert werden: "Übernimmt das dann der Freistaat und wenn ja: wie?".

Für Markus Grill, den Vorsitzenden des SPD-Stadtverbands, ist hier auf jeden Fall die Landesebene in der Pflicht: "Die CSU- geführte Staatsregierung muss dafür Sorge tragen, dass für die notwendigen kommunalen Infrastrukturinvestitionen künftig ausreichend Mittel im Haushalt bereit stehen. Nicht passieren darf, dass dies wieder in irgendeiner Weise zu Lasten von Mietern oder kleinen Hausbesitzern geht. Dies würde den angespannten Wohnungsmarkt indirekt weiter belasten", heißt es in einer Presseerklärung Grills. Für die Stadt Freising würde sich der Wegfall der Beiträge im Haushalt mit durchschnittlich etwa einer Million Euro pro Jahr bemerkbar machen, erwartet der Oberbürgermeister: "Das bricht uns jetzt nicht das Genick, aber es wird schwieriger". Für andere Gemeinden könne das dagegen schon existenziell werden.

Die Anwohner in der Freisinger Innenstadt jedenfalls sind vorläufig vor Beitragsbescheiden sicher. Vor einer unbefristeten Aussetzung hat die Rechtsaufsicht im Landratsamt den Oberbürgermeister allerdings gewarnt: Sollte sich die Rechtslage wider Erwarten nicht ändern und die Bescheide werden nicht innerhalb von vier Jahren nach Fertigstellung der fraglichen Maßnahme verschickt, macht sich die Stadt nach heutigem Stand strafbar.

Die FDP allerdings hat einer Mitteilung zufolge bereits einen Antrag an den Freisinger Kreistag gestellt, in dem Landrat und Rechtsaufsicht aufgefordert werden, von den Gemeinden die Umsetzung der Ausbausatzungen nicht mehr zu verlangen. "Damit wollen wir erreichen, dass sich die Gemeinden nicht in eine rechtliche Grauzone begeben, wenn sie die Ausstellung von Bescheiden hinauszögern, bis der Landtag oder die Bevölkerung über die Abschaffung abstimmen", so Kreisrat Josef Stimmelmeier.

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