Sternenkinder:Mit leeren Händen

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Kinder, die mit einem Gewicht von unter 500 Gramm nach der Geburt sterben, werden seit 2005 in einem Grabfeld auf dem Waldfriedhof zur Ruhe gebettet. Das Klinikum Freising bietet betroffenen Eltern auch eine Gedenkfeier. (Foto: Marco Einfeldt)

Die "Leere Wiege" ist ein neues Projekt der Hospizgruppe Freising. Eltern, deren Kind während der Schwangerschaft, der Geburt oder kurz nach der Geburt gestorben ist, wird eine Akutbetreuung angeboten.

Von Gudrun Regelein, Freising

Sie heißen "Sternenkinder": Kinder, die mit einem Gewicht von weniger als 500 Gramm vor, während oder nach der Geburt sterben. Nicht jede Schwangerschaft endet für die Frau mit einem gesunden Baby im Arm. Zwischen 2000 und 3000 Sternenkinder gibt es jedes Jahr in Deutschland, sagt Sylvia Üffing. Sie ist Hospiz- und Trauerbegleiterin der Hospizgruppe Freising - und Initiatorin des neuen Projekts "Leere Wiege". Im August gab der Vorstand dafür grünes Licht.

Ein unwürdiger Umgang

Üffing, die früher als Krankenschwester arbeitete, hat sich lange mit diesem Thema beschäftigt. Schon als sie noch in der Ausbildung war und auch später im Kreißsaal habe sie der unwürdige und nicht empathische Umgang mit den Sternenkindern entsetzt, erzählt sie. Früher seien die winzig kleinen, tot geborenen Kinder als "Klinikabfall" entsorgt worden. Sie habe sich damals immer gefragt, wie sich die Mutter in dieser Situation wohl fühle - vollkommen alleine und auf sich gestellt. Erst in den vergangenen Jahren habe sich schließlich bei diesem Thema etwas verändert und entwickelt. So trat 2006 eine Änderung des Bayerischen Bestattungsgesetzes in Kraft. Seitdem müssen auch Föten und Embryonen bei einem Gewicht von über 500 Gramm auf einem Grabfeld zur letzten Ruhe gebettet werden - wenn von ihren Eltern keine Einzelbestattung gewünscht wird.

Eine absolute Ausnahmesituation

2020 dann machte Üffing, die seit 2019 für den Hospizverein in Freising arbeitet, eine Fortbildung zur "Begleiterin von Familien beim Frühtod des Kindes und nach pränatal-medizinischer Diagnose". Derzeit sei sie am Vernetzen, berichtet Üffing. Mit dem Klinikum beispielsweise, den Gynäkologen in der Region und Donum Vitae. Ihr Angebot soll bekannt werden: "Wünschenswert wäre, wenn ich gleich bei Diagnosestellung oder spätestens im Krankenhaus informiert werde", sagt Üffing. Denn die Mutter verlöre in diesem Moment den Boden unter den Füßen, die Eltern seien in einer Art Schockstarre, "sie befinden sich in einer absoluten Ausnahmesituation". Üffing kann ihnen eine Akutbegleitung anbieten, wenn diese es wünschen. "Als neutrale, helfende Person."

Ganz wichtig sei, dass betroffene Eltern sich die Zeit nehmen, ihr Kind kennenzulernen, dass es einen Namen bekommt. Und dass Erinnerungen geschaffen, Fotos gemacht werden. "Das Kind soll sichtbar sein." Sie ist in dieser Zeit bei den Eltern, hört zu, unterstützt sie. Später dann folgt - wenn es gewünscht wird - die Einzelbegleitung der Mutter oder der Eltern. "Es ist sehr wichtig, sich den Raum und die Zeit für den Abschied und die Trauer zu geben", sagt Üffing. Nur dann könne irgendwann auch damit abgeschlossen werden.

Die Trauer ist sehr groß

Sie freue sich über das neue Angebot - und auf die Kooperation, sagt Doris Hofmann, Leiterin der Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen Donum Vitae Freising. "Eine intensive Betreuung in dieser Situation ist wichtig und notwendig. Der Verlust eines gewünschten Kindes ist dramatisch." Bislang mussten betroffene Frauen noch nach Landshut oder nach München fahren, um in dieser Situation Unterstützung zu finden.

Bei Donum Vitae werden jedes Jahr gut 20 Frauen betreut, deren Kind zu krank war, um leben zu können - oder die aus verschiedenen medizinischen Gründen einen Abbruch wünschten. "Meistens ist bei diesen Frauen eine längere Begleitung notwendig", sagt Hofmann. Eltern, die lernen müssen, mit dem Verlust umzugehen, durchlebten eine unglaublich schwere Zeit. "Die große Freude am Anfang einer Schwangerschaft endet jäh in einer tiefen Trauer", schildert Hofmann. Träume und Hoffnungen endeten abrupt. "Die Frauen freuen sich so sehr und stehen dann mit leeren Händen da. Die Trauer ist sehr groß."

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