Steigende Zahlen:Obdachlosigkeit: Selbst der Mittelstand ist gefährdet

Steigende Zahlen: Wohnraum ist in Neufahrn teuer und knapp. Wer obdachlos wird und in eine der Notunterkünfte ziehen muss, soll aber nicht lange dort bleiben müssen.

Wohnraum ist in Neufahrn teuer und knapp. Wer obdachlos wird und in eine der Notunterkünfte ziehen muss, soll aber nicht lange dort bleiben müssen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Obdachlosigkeit wird im Landkreis zunehmend zum Problem. Wer seine Wohnung verliert, findet oft keine neue - vor allem wenn das Budget klein ist. In Freising wohnen 259 Menschen, darunter auch Familien, in Notunterkünften.

Von Gudrun Regelein

Es könne jedem passieren, sagt Carolin Dümer. "Das Thema Obdachlosigkeit betrifft nicht nur sozial bedürftige Menschen, es hat die Mittelschicht erreicht." Die Kreisgeschäftsführerin der Caritas Freising war vor einigen Tagen in der BR-Fernsehsendung "Münchner Runde" zu Gast, in der es um die angespannte Wohnungsmarktsituation in der Region ging. Und berichtete dort von einem Fall aus Freising, der den Teufelskreis beschreibt.

Ein alleinerziehender Vater, der ein ganz normales Leben mit seiner Tochter führte, verlor seinen Arbeitsplatz, da seine Firma Insolvenz anmelden musste. In kurzer Zeit häuften sich bei ihm die Mietschulden, bald waren seine Ersparnisse aufgebraucht. Es folgten die Räumungsklage und Pfändung - und von einem Tag zum anderen musste er mit seiner Tochter in eine städtische Notunterkunft ziehen. "Und schafft es einfach nicht mehr, dort wieder herauszukommen", schildert Dümer.

Die Zahl der obdachlos gewordenen Menschen steigt stetig an

Die Zahl der von Obdachlosigkeit bedrohten oder obdachlos gewordenen Menschen in der Stadt Freising und im Landkreis wächst stetig. "Es ist fast unmöglich, eine neue Wohnung zu finden, wenn man seine alte verliert, der Markt ist leergefegt", sagt Ninja Flux von der Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit (FOL) der Diakonie Freising. Im vergangenen Jahr zählte die Fachstelle 165 Fälle zur präventiven Fachberatung - darunter 34 aus der Stadt Moosburg, 21 aus Neufahrn, 14 aus Eching, 13 aus Zolling und 22 aus der Stadt Freising. "In sieben Fällen, darunter waren auch Familien, konnten wir eine Notunterbringung leider nicht mehr verhindern", berichtet Flux.

Zuständig für die Unterbringung von obdachlos gewordenen Menschen ist die Kommune, in der diese wohnen. Und in den Gemeinden wächst offensichtlich das Bewusstsein, dass dies zu einem immer größeren Thema werden könnte. In Marzling beispielsweise wurde in der jüngsten Gemeinderatssitzung beschlossen, auf dem Bauhof in einem abgetrennten Bereich einen Wohncontainer mit Sanitärteil aufzustellen. Bis zu vier obdachlose Personen könne man dort unterbringen, berichtet Geschäftsführerin Doreen Feil. Grund für den Beschluss waren die sich häufenden Anfragen von Betroffenen, "fast monatlich melden sich Bürger bei uns und berichten von einer drohenden Kündigung", sagt Feil. Auf dem freien Wohnungsmarkt hätten diese keine Chance. Derzeit lebt eine Familie in einer zur Notunterkunft umfunktionierten früheren Gemeindewohnung. In der Gemeinde Zolling werden auf dem Bauhof in Oberzolling zwei Container aufgestellt. Denn auch in Zolling verlieren immer mehr Menschen ihre Wohnung und müssen untergebracht werden. Die Container sollen allerdings keine Dauerlösung für die Bewohner sein, sondern seien zur Behebung einer Notlage gedacht, erklärt Bürgermeister Max Riegler.

In der Stadt Freising leben derzeit 259 Menschen, darunter viele Familien, in städtischen Notunterkünften, berichtet Pressesprecherin Christl Steinhart. 2018 mussten 21 Haushalte dorthin ziehen. Die Anfragen steigen, denn: "Es drängen verstärkt Menschen aus EU-Ländern in den Wohnungsmarkt, die keine Arbeit und keine Wohnung haben. Auch die Anträge von anerkannten Asylbewerbern belasten die Verwaltung." Wenn beispielsweise anerkannte Flüchtlinge eine eigene kleine Wohnungen anmieten, dann aber kurzfristig der Familiennachzug erfolgt, könne die Verwaltung nicht helfen, da der geeignete Wohnraum fehle, erklärt Steinhart.

Notunterkünfte helfen - aber nicht auf Dauer

In Moosburg ist die Unterbringung der Obdachlosen inzwischen kein Problem mehr. Seit etwa eineinhalb Jahren gibt es an der Landshuter Straße eine neue Unterkunft. Derzeit leben in dieser etwa vier obdachlos gewordene Menschen, berichtet Geschäftsstellenleiter Josef Mühlberger. Platz wäre in der modernen Unterkunft für 28 Personen, bei maximaler Belegung der Zimmer könnten notfalls sogar 40 dort wohnen. In vielen kleineren Gemeinden dagegen, wie in Rudelzhausen, gibt es keine Notunterkünfte. Derzeit sei das in der Gemeinde auch kein Thema, berichtet Bürgermeister Konrad Schickaneder. "Falls jemand obdachlos wird, bringen wir ihn in einer Pension unter."

Für Ninja Flux von der Diakonie Freising wäre angesichts der steigenden Zahl von Menschen, die ihre Wohnung verlieren, mehr sozial geförderter Wohnraum in der Stadt, aber auch im Landkreis unbedingt notwendig. "Notunterkünfte, wie der Wohnwagen in Kranzberg, sind keine wirkliche Lösung auf Dauer. Sie bieten keine menschenwürdige Unterbringung", sagt sie. Der Wohnwagen entspreche den Mindeststandards, meint dagegen Kranzbergs Geschäftsleiter Klaus Burgstaller. Ein Wohnwagen sei besser, als unter der Brücke zu schlafen. Dennoch werde in der Gemeinde in Kürze noch zusätzlich ein Wohncontainer mit Sanitäranlagen aufgestellt. "Das ist in Vorbereitung."

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