Süddeutsche Zeitung

Koordinatorin für das Stadtradeln in Langenbach:"Es braucht intelligente Konzepte"

2015 hat die Langenbacherin Verena Juranowitsch das erste Mal bei der Aktion "Stadtradeln" mitgemacht. Die drei Wochen haben sie nachhaltig geprägt und sie setzt sich für eine Verbesserung der Infrastruktur ein.

Von Interview von Gudrun Regelein, Langenbach

Das "Stadtradeln - Radeln für ein gutes Klima" hat begonnen. Drei Wochen lang - vom 21. Juni bis zum 11. Juli - geht es darum, möglichst viele Alltagswege klimafreundlich mit dem Fahrrad zurückzulegen. Der Landkreis Freising beteiligt sich seit 2015 an dieser bundesweiten Kampagne, damals war auch die Langenbacherin Verena Juranowitsch am Start. Die drei Wochen haben sie nachhaltig geprägt, wie sie im Gespräch mit der SZ Freising erzählt. Seitdem engagiert sich die Grünen-Gemeinderätin und Umweltreferentin Langenbachs beim Stadtradeln, seit 2019 koordiniert sie die Aktion für die Gemeinde. "Im vergangenen Sommer waren es richtig viele Teilnehmer. Die sind gemeinsam eine Strecke geradelt, die der Luftlinie bis Kalifornien entsprach", erzählt Juranowitsch begeistert.

SZ: Frau Juranowitsch, weshalb haben Sie vor fünf Jahren beim Stadtradeln mitgemacht?

Verena Juranowitsch: Das war damals als eine Art Selbstexperiment gedacht. Die Versuchung, doch ins Auto zu steigen und schnell wo hinzufahren, ist eben einfach ziemlich groß. Und ich wollte von außen den Zwang haben, das nicht tun zu dürfen. Das Auto war damals übrigens mit einer Plane verhüllt.

Sie haben damals beim Stadtradeln-Star teilgenommen, dann gibt es noch das "normale" Stadtradeln. Was sind die Unterschiede?

Beim Stadtradeln-Star wird versucht, den Alltag nur mit dem Radl zu gestalten und komplett auf das Auto zu verzichten. Beim Stadtradeln dagegen sollen möglichst viele Kilometer für das Team gesammelt werden. Das kann dann aber auch bei einer Tour am Abend oder am Wochenende passieren, also eigentlich geht es darum, Spaß am Radeln zu haben.

Wie war das damals organisatorisch für Sie? Sie hatten zwei sehr kleine Kinder, wohnen auf dem Land - das hört sich nicht so einfach an.

Ich musste meinen Alltag anders planen. Nicht mehr mit dem Auto zu fahren, kostet natürlich teilweise auch mehr Zeit. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich für uns ein neues Zelt kaufen musste. Ich bin dann eben nicht mit dem Auto zu drei Geschäften gefahren, um mir verschiedene anzusehen, sondern ich habe mich zuvor informiert, wo es was gibt. Und bin dann mit zwei kleinen Kindern mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Freising gefahren und vom Bahnhof aus zu den Schlüterhallen gelaufen. Und von dort aus mit dem Zelt wieder zurück nach Langenbach gependelt. Das war ein Tagesausflug (lacht). Aber es hat funktioniert und man ist dann auch stolz, das geschafft zu haben. Wobei ich mir damals und auch heute schon wünschen würde, dass der Zug samstags nicht nur alle zwei Stunden von Langenbach nach Freising fährt.

Wie sah dann nach den drei Wochen Ihre Bilanz aus?

Vom Kilometerumfang her gesehen war das jetzt gar nicht so enorm viel, das war ungefähr eine dreistellige Zahl. Als Familie waren es natürlich mehr Kilometer, wir sind ja auch gemeinsam geradelt. Aber ich habe erfahren, dass viele Dinge auch ohne Auto möglich sind. Es sind gerade die Kurzstrecken, die viel ausmachen und die man gut auch mit dem Radl erledigen kann. Die drei Wochen ohne Auto waren aber auch eine Herausforderung, das Rad war ja mein Hauptfortbewegungsmittel. Nach etwa einer Woche hatte ich einen Platten und war erst mal hilflos. Seit dieser Zeit hege ich mein Fahrrad auch viel mehr.

Fahren Sie auch heute noch mehr Rad oder benutzen Sie doch wieder häufiger das Auto?

Also, mit dem Auto fahre ich tatsächlich relativ wenig, das sind so zwischen 6000 und 9000 Kilometer im Jahr - inklusive Jahresurlaub. Kurze Strecken radle ich tatsächlich immer noch, das war eine sehr nachhaltige Erfahrung. Das lohnt sich dann im Alltag, die Kilometer summieren sich ganz schön.

Durch die Coronakrise boomt derzeit das Radfahren. Denken Sie, dass das so bleiben wird?

Ich denke, wenn man es eine Zeit lang gemacht hat, nimmt man viel Positives mit. Radfahren macht Spaß, es ist gut, sich zu bewegen, man ist an der Luft. Und steht nicht im Stau. Seit dem Lockdown ist beispielsweise auch der Fluglärm weg. Wenn man jetzt am Pullinger Weiher ist, kann man sich wieder ganz normal unterhalten und muss sich nicht anschreien. Es ist einfach ein Stück Lebensqualität. Das ist beim Radfahren ähnlich.

Sie engagieren sich bei den Grünen, deren Wunsch ist, das Fahrrad zur Alternative zum Auto zu machen. Reicht Ihnen das Engagement der Kommunen im Landkreis aus?

In den Städten schon: Gerade Moosburg beispielsweise ist sehr engagiert und will den Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr alleine bis zum Jahr 2026 von derzeit 22 auf 30 Prozent erhöhen. Aber auch in der Stadt Freising und in Eching tut sich etwas in der Kommunalpolitik. Alleine, dass es einen Fahrradbeauftragten gibt, spricht für sich. Bei uns in Langenbach fand der MVG-Radverleih Zustimmung in den Gremien - das wäre vor einigen Jahren noch nicht vorstellbar gewesen. Da ist etwas in Bewegung - parteiübergreifend und ortsübergreifend. Das ist aber auch unbedingt notwendig, denn verkehrstechnisch gesehen platzen wir aus allen Nähten

Was müsste aus Sicht der Radfahrer passieren?

In erster Linie müsste das Fahrrad als gleichberechtigtes Verkehrsmittel betrachtet werden. Es müssten schnelle und sichere Verbindungen gerade auch für die wachsende Zahl an Pendlern geschaffen werden, die nicht an den Gemeindegrenzen enden. Es braucht intelligente Konzepte. Familien beispielsweise müssten innerorts sicher mit dem Rad unterwegs sein können. Kampagnen, die zum Radfahren motivieren, sind schön. Aber es braucht auch eine entsprechende Infrastruktur.

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Quelle:
SZ vom 22.06.2020
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