Stadtmeisterschaft der Golfer:Abgeschlagen

Wie der 18-jährige Freisinger Sebastian Schrödl seinen Titel verteidigt - und warum ein zugereister Gelegenheitsspieler keine echte Konkurrenz für ihn darstellt: Er hat Angst vor dem Hopfen

Von Kim Björn Becker

Stadtmeisterschaft der Golfer: Dass Golf vor allem ein Suchspiel ist, mussten etliche Teilnehmer bei den Freisinger Stadtmeisterschaften am Wochenende erfahren. Derlei Sorgen hatte der spätere Sieger des Turniers, Sebastian Schrödl, natürlich nicht.

Dass Golf vor allem ein Suchspiel ist, mussten etliche Teilnehmer bei den Freisinger Stadtmeisterschaften am Wochenende erfahren. Derlei Sorgen hatte der spätere Sieger des Turniers, Sebastian Schrödl, natürlich nicht.

Der Hopfen könnte gefährlich werden. Zumindest den Männern. Drohend reihen sich gleich rechts vom Herrenabschlag ein paar jener Pflanzen aneinander, die man in der Hallertau beinahe an jeder Straßenecke sieht. Und eben auch auf dem Golfplatz. Gleich hinter der Hopfenreihe schießen unzählige dicht gewachsene Büsche aus dem Boden, zusammen bilden sie ein kaum durchdringbares Dickicht aus Blattwerk. Nicht auszudenken, wenn der Ball da hineingeriete. Ihn dort überhaupt suchen? Reine Zeitverschwendung. Also bloß gerade schlagen. Bloß auf der Spielbahn bleiben. Bloß nicht in den Hopfen.

Die Golfanlage Holledau in Rudelzhausen am vergangenen Samstag, Austragungsort der Freisinger Stadtmeisterschaften: Ein Spieltag, 18 Löcher. 121 Golfspieler aus dem Landkreis Freising und der Umgebung sind am Start, mehr als jemals zuvor in der 16-jährigen Geschichte des Turniers. Damit alle Spieler in etwa zur gleichen Zeit ihre Runde beenden, hat die Turnierleitung einen sogenannten Kanonenstart vorgesehen: Die Golfer spielen dabei jeweils in Vierergruppen und starten nicht wie üblich mit einigen Minuten Abstand an den nahe zum Klubhaus gelegenen Abschlägen 1 und 10, sondern gleichzeitig - jede Gruppe an einer der 18 Bahnen.

Um Punkt 11 Uhr wird die Kanone gezündet, das Zeichen zum gemeinsamen Start. Gleichwohl, die Aufgabe der Kanone übernimmt an diesem Tag eine Drucklufttröte. Auch im traditionsreichen Golfsport geht man mit der Zeit.

Mit dem Signal beginnt das Turnier, für den Autor ist es darüber hinaus der Startschuss für einen zugegeben tollkühnen sportlichen Selbstversuch: Ist es möglich, als zugereister Gelegenheitsspieler auf Anhieb Freisinger Stadtmeister im Golf zu werden - ohne nennenswerte Vorbereitung und ohne Platzkenntnis? So viel vorweg: Es wird eine Geschichte des schmachvollen Scheiterns werden. Denn am Ende verteidigt der 18-jährige Sebastian Schrödl seinen Titel verdient mit einer souveränen Runde von 78 Schlägen (siehe Ergebnisse unten).

Das Experiment beginnt am ersten Loch, genauer: am Abschlag von der zugelosten Bahn 16. Das ist die mit dem furchteinflößenden Hopfen. Es ist kein Geheimnis, dass es selbst bei den besten Spielern am ersten Abschlag zu sportlichen Katastrophen kommen kann. Bei den US-Open im vergangenen Jahr, einem der größten Profigolfturniere in den Vereinigten Staaten, beförderte zum Beispiel der Amerikaner Phil Mickelson seinen ersten Abschlag direkt ins Aus; auf den nachfolgenden Löchern erlebte er den schlechtesten Turnierstart in seiner Profikarriere. Dementsprechend ist für Hobbygolfer blanke Angst das zumeist bestimmende Gefühl am ersten Abschlag.

In diesem Fall ist es genau genommen die Angst vor dem Hopfen.

Tatsächlich startet der Ball kerzengerade, steigt weit in den Himmel und landet in der Mitte der Spielbahn. Erleichterung kommt auf. Mit dem zweiten Schlag aufs Grün, am Ende stehen vier Schläge auf der Zählkarte - das ergibt im Golf ein sogenanntes Par, also so viele Schläge, wie ein guter Spieler auf einer Bahn dieser Länge theoretisch benötigen sollte. Es folgen ein Bogey (ein Schlag über Par) und ein Birdie (ein Schlag weniger als Par) auf den nächsten zwei Löchern - ein für einen Gelegenheitsspieler durchaus akzeptabler Beginn. Wenn es so weitergeht und das Spiel einigermaßen konstant bleibt, dann besteht zumindest die Chance, am Ende der Runde wenigstens am Rande um die Freisinger Meisterschaft mitzuspielen.

Doch der erste Einbruch lässt nicht lange auf sich warten. Schon auf dem Grün der vierten Bahn drängt sich die nüchterne Erkenntnis zurück ins Bewusstsein, dass Golf sowohl der schönste Sport sein kann als auch der grausamste. Ein kurzer Putt auf dem Grün, kaum mehr als ein Meter lang, und der Ball läuft geradewegs an der linken Lochkante vorbei. Das sicher geglaubte Par vergeben, stattdessen mahnt ein hässliches Bogey auf der Zählkarte zu mehr Konzentration. War klar. Musste so kommen. Auf den nächsten Bahnen wird es immer schlimmer, einmal muss sogar ein Ergebnis von drei Schlägen über Par notiert werden. Nach sieben gespielten Löchern zeigt die Zählkarte sieben Schläge über Par an - der spätere Sieger, der auf Bahn 1 gestartete Sebastian Schrödl, hatte dafür ganze acht Schläge weniger gebraucht.

Bahn 8, 155 Meter lang. Auf einmal kommt die Form zurück, was vielleicht auch an der spektakulären Kulisse liegt: Vom Abschlag geht es steil bergab in Richtung Grün, das zwischen dem Wald und einer naturbelassenen Wiese eingebettet ist. Mit dem ersten Schlag landet der Ball mittig auf dem Grün, etwa sieben Meter von der Fahne entfernt. Zwei Putts und das sichere Par beendet die Pechsträhne der vorangegangenen Löcher. Geht doch.

Die nächste Bahn ist 399 Meter lang - ein Par 4, man kann es also in vier Schlägen schaffen. Durch den Wald auf der rechten Seite sowie die Straße samt Ausgrenze links ist die Bahn ausgesprochen eng, selbst kleine Fehler werden schnell bestraft. Der bisherige Tagestrend, beinahe alle Bälle nach rechts zu verziehen, könnte sich nun abermals als fatal erweisen. Erstaunlicherweise fliegt die Kugel abermals dorthin, wo sie hin soll, und bietet einen guten Ausgangspunkt für den zweiten Schlag. Der landet nahe des Grüns und lässt abermals ein Par auf der Zählkarte aufleuchten. Die Durststrecke scheint pünktlich zur Halbzeit nach neun Löchern überwunden zu sein. Auch wenn das Projekt Stadtmeisterschaft da praktisch schon gelaufen ist. Was soll's.

Die Rekordbeteiligung an der diesjährigen Ausgabe der Freisinger Stadtmeisterschaft brachte auch einen Rekorderlös mit sich, der wie in jedem Jahr für wohltätige Zwecke eingesetzt wird: Christian Sperrer, Turniersponsor und Mitinhaber der Sperrer-Bank in Freising, sagte, dass der Erlös von etwa 4000 Euro jeweils zur Hälfte an die Bürgerstiftung Freising und an die Jugendabteilung des Golfclubs Holledau gehen wird. Vor diesem Hintergrund hat Freisings Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher neben der Schirmherrschaft für die Stiftung auch diejenige für das Turnier übernommen. Für Florian Zeising, den Manager der familiengeführten Golfanlage, sind die Stadtmeisterschaften das "wichtigste Turnier" des Jahres: "Viele Golfer, die eher wenig Turniere im Jahr spielen, nehmen zumindest an der Stadtmeisterschaft teil. Deshalb ist das Starterfeld von der Spielstärke her auch nicht ganz so stark wie bei kleineren Veranstaltungen."

Interessant. Ob dieser Effekt das Projekt Meisterschaft auf den zweiten neun Löchern doch noch in greifbare Nähe rücken könnte? Die nächste Bahn ist ganze 463 Meter lang. Ein sogenanntes Par 5, das wiederum links und rechts von hohen Bäumen eingefasst ist. Vor dem Grün lauert ein Teich auf diejenigen Golfbälle, die beim Versuch, das Grün mit dem zweiten Schlag zu treffen, zu kurz bleiben. Die Strategie, den Ball mit dem zweiten Schlag vorzulegen, erweist sich als die richtige Wahl: am Ende steht wieder das Par auf der Scorekarte. Es geht in die richtige Richtung.

Weitere vier Bahnen später zeigt die Formkurve plötzlich wieder steil bergab. Wieder ist es ein Par 5: Der zweite Schlag landet tief im Wald, prallt jedoch günstig vom Baum ab. Der Spieler verunsichert, die Annäherung zur Fahne verkorkst - sieben Schläge müssen am Ende notiert werden. Ein Birdie im Anschluss mildert die Schmach des Fehlschlags zwar ein wenig, doch schon kurz darauf wird die Ausgrenze des Golfplatzes gleich zwei Bällen zum Verhängnis. Damit ist das Projekt Stadtmeisterschaft erledigt. Sei es drum.

Und der spätere Sieger? Der hatte auf den zweiten neun Löchern auch einen plötzlichen Einbruch, spielte sie nach einem grandiosen Start mit sieben über Par. "Eigentlich war meine Form nicht schlecht", sagt Sebastian Schrödl hinterher. "Die ersten Löcher liefen richtig gut, aber dann ging auf einmal nichts mehr."

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