Prozess in Landshut:Mitarbeiterin der Stadt Freising veruntreut jahrelang Gebühren

Prozess in Landshut: Krumme Geschäfte hat eine Mitarbeiterin des Freisinger Rathauses bei der Vergabe von Obdachlosenunterkünften gemacht.

Krumme Geschäfte hat eine Mitarbeiterin des Freisinger Rathauses bei der Vergabe von Obdachlosenunterkünften gemacht.

(Foto: Marco Einfeldt)

Eine ehemalige Angestellte unterläuft sämtliche Kontrollmechanismen und streicht bei der Vergabe von Obdachlosenunterkünften mehr als 30 000 Euro an Bargeld ein. Ihre Taten konnte sie gut verschleiern.

Von Peter Becker, Freising

Eine ehemalige Angestellte der Stadt Freising ist vor Kurzem vom Landshuter Schöffengericht zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt worden. Sie hatte von 2014 bis 2019 insgesamt 30 668 Euro veruntreut. Taten aus den Jahren 2011 bis 2013 waren bereits verjährt. Vorsitzender Richter Christian Lederhofer hatte in der Urteilsbegründung gesagt, dass es der Dienstherr seiner Angestellten leicht gemacht habe. Über Jahre hinweg habe niemand ihren Arbeitsbereich überprüft. Auf Nachfrage teilt die Pressestelle der Stadt mit, dass die Unregelmäßigkeiten über einen längeren Zeitraum nicht aufgefallen seien. Deshalb hätten sie nicht verfolgt werden können

"Bei Bekanntwerden eines möglichen Straftatbestands hat die Stadt eigeninitiativ die Staatsanwaltschaft eingeschaltet und nachfolgend im eigenen Interesse sehr eng mit der Staatsanwaltschaft zur lückenlosen Aufarbeitung möglicher Vorwürfe kooperiert", teilt die Pressestelle dazu mit. Die Folgen waren für die Beschuldigte drastisch. Die Stadt suspendierte die Frau von ihrem Dienst und verhängte obendrein ein Betretungsverbot für das Rathaus. Als sich der Verdacht erhärtet hatte, folgte sofort die Kündigung.

"Der Anstoß zu den Ermittlungen kam ausdrücklich von der Stadt selbst, um Transparenz herzustellen", betont die Pressestelle. Als Konsequenz daraus hat die Stadtverwaltung eine neue Organisation und Kontrollmechanismen eingeführt. Dies sei schon während der Ermittlungen geschehen. In "anfälligen Bereichen" sei jetzt das "Vier-Augen-Prinzip" durchgängig sichergestellt.

Geschicktes Vorgehen

Der Grund, warum die Veruntreuung des Geldes so lange unentdeckt blieb, war nach Angaben der Pressestelle das geschickte Vorgehen der Frau. "Selbstverständlich vorgesehene Kontrollmechanismen konnten aufgrund der Vertuschungstaktiken nicht greifen." So seien etwa Finanzadressen gar nicht erst angelegt worden, fehlende Zahlungseingänge fielen daher längere Zeit nicht auf. Die Frau war unter anderem im Obdachlosenwesen tätig. Ausbleibende Zahlungen und unregelmäßig eintreffende Zahlungseingänge lägen da in der Natur des Betätigungsfeldes, begründet die Stadt, warum ihr die Unregelmäßigkeiten lange nicht auffielen.

Die Pressestelle spricht von einem "singulären, menschlichen Versagen. Im vorliegenden Fall wurde Wohnraum auf Grund eines persönlichen Fehlverhaltens ohne Beteiligung des Amtes nur mündlich und ohne den vorgeschriebenen, schriftlichen öffentlich-rechtlichen Bescheid oder eines privatrechtlichen Vertrags zugewiesen ."

Suche nach internen Schwachstellen

Irgendwann fielen die Mindereinnahmen dann doch auf. Die Stadtverwaltung klopfte den gesamten Organisationsbereich nach internen Schwachstellen ab. Tatsächlich drangen vor zwei Jahren Gerüchte nach draußen, bei der Stadt gehe es bei der Vergabe von Sozialwohnungen nicht mit rechten Dingen zu. Die Pressestelle des Landshuter Landgerichts verwies auf Nachfrage der Freisinger SZ seinerzeit darauf, dass es sich nur um einen Anfangsverdacht handele. Erste Verdachtsmomente habe es schon gegeben, teilt die Pressestelle der Stadt mit.

Einem entsprechenden Hinweis aus der Bevölkerung wurde daher konsequent nachgegangen. Den Stein ins Rollen gebracht hat eine Frau. In einem Gespräch mit Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher hatte sie auf mögliche Unregelmäßigkeiten hingewiesen. Die Verwaltung erstattete Anzeige bei der Staatsanwaltschaft zwecks einer unabhängigen Überprüfung. Daraufhin führte diese in enger Abstimmung mit der Stadt ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte durch.

Gebühren einbehalten

Die Pressestelle der Stadt weist ausdrücklich darauf hin, dass die Frau Gebühren in Form von Bargeld für die Obdachlosenunterkünfte einbehalten hat, nicht aber für die Miete von Sozialwohnungen. Diese befinden sich nämlich zum größten teil nicht im Besitz der Stadt. Die hat nur ein Vorschlagsrecht für Personen, die für Sozialwohnungen in Frage kommen. Die Miete läuft daher nicht über die Stadt. Vertragspartner der Mieterinnen und Mieter sind die Eigentümer der Liegenschaften, in denen sich die Wohnungen befinden, oder aber die Hausverwaltungen.

"Bei den Gebühren für Obdachlosenunterkünfte werden mit den Nutzungsbescheiden Gebührenbescheide erlassen und entsprechende Finanzadressen angelegt", erklärt die Pressestelle. So sollte es zumindest sein. Im verhandelten Fall habe die Beschuldigte diese Adressen erst gar nicht angelegt. Denn wenn monatliche Zahlungen auf der Finanzadresse nicht eingehen, beginnt automatisch das städtische Mahnwesen anzulaufen. Bargeldgeschäfte sind bei der Vergabe von Obdachlosenunterkünften keinesfalls üblich. "Das war nie vorgesehen oder rechtmäßig."

Rechtswidrig gehandelt

Die ehemalige Mitarbeiterin habe dies rechtswidrig so gehandhabt, stellt die Pressestelle klar. Barzahlungen sind insbesondere im Bereich der Wohnungsvergabe und des Obdachlosenwesens seit vielen Jahren nicht möglich, weil dort gar keine sogenannte Zahlstelle eingerichtet ist. Für erforderliche Zahlungsanordnungen bestehe selbstverständlich das "Vier-Augen-Prinzip": Die Feststellung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit einerseits und die Anordnung durch den Anordnungsbefugten andererseits erfolgen ausdrücklich durch zwei verschiedene Personen.

Saumseligkeit lässt sich die Stadt nicht vorwerfen. Im Gegenteil: Der Eingang der Gebühren auf den entsprechend angelegten Finanzadressen werde im Finanzreferat automatisch überprüft. Gehe kein Geld ein, laufe automatisch ein Mahnverfahren an. Weil die Frau aber keine Adressen angelegt hatte, gab es augenscheinlich nichts zu verfolgen.

Unverzüglich und vollständig neu organisiert

Als Konsequenz aus dem Vorfall hat die Stadtverwaltung das Amt für soziale Angelegenheiten "unverzüglich und vollständig" reorganisiert, teilt die Pressestelle mit. Das neu aufgestellte Amt für Soziales, Wohnen und Obdachlosenhilfe kümmert sich unter neuer Leitung und mit neuem Personal um das Obdachlosenwesen und die Vergabe von Sozialwohnungen. Auf eine solche warten nach Angaben der Stadt derzeit 309 Haushalte mit gültigem Wohnberechtigungsschein. Die Vergabe wird in einem mehrköpfigen Team besprochen.

Um keine Abhängigkeiten zu schaffen, sind die Sozialberatung für Obdachlose und die Unterbringung der Obdachlosen nach Angaben der Stadt klar getrennt. Bei der Obdachloseneinweisung werde ebenfalls nach dem "Vier-Augen-Prinzip" vorgegangen. Das gelte auch für die regelmäßige Wiedervorlage der zeitlich befristeten Einweisungen.

Motiv nicht bekannt

Das Motiv der Frau, Geld zu veruntreuen, ist der Stadt nicht bekannt. Unter keinen Umständen Geld anzunehmen, gebietet die Korruptionsbekämpfungsrichtline "KorruR". Diese "Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung von Korruption in der öffentlichen Verwaltung der Bayerischen Staatsregierung gilt auch für die Freisinger Stadtverwaltung. Diese ist laut Pressestelle "im Haus" gut bekannt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sie jederzeit im Intranet der Stadtverwaltung nachlesen. Dort steht auch ein "Leitfaden gegen Korruption für Führungskräfte" bereit.

Inhalte werden regelmäßig bei Arbeitssitzungen der Referatsleiterinnen und Referatsleiter thematisiert. Dabei wird insbesondere auf die Umsetzung des "Vier-Augen-Prinzips und eines Rotationsprinzips" bei amtsinternen Zuständigkeiten hingewiesen. Aufgrund des Vorfalls seien die Beschäftigten erneut nachdrücklich für das Thema sensibilisiert worden, betont die Pressestelle. Der Rechtsanwalt der verurteilten Frau wollte auf Wunsch seiner Mandantin hin keine Stellungnahme abgeben.

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