Sportliches Großereignis in Hallbergmoos:Keine Zeit zum Verschnaufen

Eineinhalb Jahre hat sich die ausrichtende SG Edelweiß auf die Deutsche Meisterschaft vorbereitet. Bei der Veranstaltung, bei der sich die Olympia-Zweite Lisa Unruh in einem rasanten Finale den Titel sichert, läuft alles glatt

Von Tobias Weiskopf, Hallbergmoos

Ein tosender, motivierender Applaus von der Tribüne feuert die beiden Sportlerinnen an, die gerade ihre Hand zu einer Faust ballen und sich einen freundschaftlichen Check geben. Michelle Kroppen gegen Lisa Unruh. Es ist das Damen-Finale der Deutschen Meisterschaft im Bogenschießen, die am Wochenende in Hallbergmoos ausgetragen wurde. Anspannung auf den Rängen, volle Konzentration auf dem Platz. Die 21-jährige Kroppen hat keine Geringere als Gegnerin als die Olympiazweite aus Rio und damit unbestritten die derzeit beste deutsche Bogenschützin. Dennoch ist es ein Wettkampf auf Augenhöhe, der spannender kaum sein könnte.

Der Schritt auf die Matte. Jetzt gilt es. Ein digitaler Countdown zählt runter. Maximal 20 Sekunden pro Pfeil. Sobald ein Schütze geschossen hat, beginnt der Kontrahent. Verschnaufpause? Fehlanzeige. Aus 70 Metern Entfernung müssen die Schützinnen eine etwas über einen Meter große Scheibe mit zehn Ringen treffen, am besten ins sogenannte Gold. Jeder Ring ist nur ein paar Zentimeter breit. Je weiter in der Mitte sie treffen, desto mehr Punkte erhalten sie. Einige Zuschauer haben ein Fernglas mitgebracht. Für alle anderen vergrößert eine digitale LED-Leinwand die Zielscheibe. Kaum ein Pfeil bringt unter acht Punkten ein. Die Schützen treffen also fast immer einen Radius von etwa 20 Zentimetern. Selbst bei einer "Acht" geht ein Raunen durchs Publikum, unmittelbar gefolgt von jubelnden Zurufen bei einer "Zehn". Geschossen wird immer in Sätzen, jeweils drei Pfeile pro Satz. Der Gewinner erhält zwei Punkte, bei Unentschieden jeweils einen Punkt. Gewonnen hat derjenige, der zuerst die fünf Punkte erreicht.

Sportliches Großereignis in Hallbergmoos: Nur nicht den Überblick verlieren: Insgesamt waren an den drei Wettkampftagen in Hallbergmoos 700 Schützen im Einsatz.

Nur nicht den Überblick verlieren: Insgesamt waren an den drei Wettkampftagen in Hallbergmoos 700 Schützen im Einsatz.

(Foto: Marco Einfeldt)

Mal liegt Unruh vorne, dann wieder Kroppen. Letztendlich geht es sogar ins Stechen. Jede Schützin erhält nur einen Pfeil. Wer näher an die "Zehn" herankommt, gewinnt. Auch hier wird das Kopf-an-Kopf-Rennen deutlich. Kroppen schafft eine Neun - doch das reicht nicht Unruh trifft die Zehn.

Organisator Klaus Stallmeister ist mehr als zufrieden. Der Hobby-Schütze aus Hallbergmoos war zusammen mit einem kleinen Team für die Deutsche Meisterschaft auf dem Gelände der SG Edelweiß verantwortlich. Drei Turniertage mit mehr als 700 Schützen und zusätzlich den Betreuern und Fans mussten gemeistert werden. Und wie die kam die DM überhaupt nach Hallbergmoos "Veronika Haidn-Tschalova, die Frau des Bundestrainers, hat hier trainiert", erzählt der Veranstalter. Deshalb habe man vor geraumer Zeit ein Ranglistenturnier auf der Anlage ausgerichtet. Da dieses so gut ankam, wurde die SG Edelweiß angefragt, die Deutsche Meisterschaft auszutragen. Anderthalb Jahre Planung haben sie in das Turnier gesteckt, um einen einwandfreien Ablauf zu ermöglichen, die mehr als 80 Helfer aus der Region organisieren und einteilen zu können und den großen fünfstelligen Betrag an Kosten durch Sponsoren zu decken.

Auch der Bundestrainer Oliver Haidn ist mit seinen Athleten und dem Wettkampfwochenende zufrieden. Der einstige Sport- und Mathelehrer wurde vom Freistaat Bayern für seine Trainertätigkeit beim Deutschen Schützenbund freigestellt und ist seit 2011 für den A- und B-Kader der Bogenschützen verantwortlich. Jede zweite oder dritte Woche, erzählt Haidn, träfen sich die Sportler für vier Tage in Berlin und regelmäßig an Stützpunkten verteilt in ganz Deutschland zum Training. Immer mit dabei sind die zahlreichen Coaches, drei Psychologen und Physiotherapeuten. Wer ganz oben mitschießen möchte, müsse hart und regelmäßig trainieren. Während die führende Nation Südkorea über etwa 200 Profis verfüge, seien es in Deutschland nur fünf, berichtet Haidn. Bogenschießen in Deutschland sei für ihn zwar keine Randsportart mehr, aber es bedürfe viel mehr Öffentlichkeitsarbeit und einer größeren Medienresonanz, das findet auch der DSB-Präsident Hans-Heinrich von Schönfels und fordert: "Wir müssen raus aus dem Keller." Erfolge bei Olympia wie die Silber-Medaille von Lisa Unruh spornen den Nachwuchs natürlich an.

Sportliches Großereignis in Hallbergmoos: Zwischen den Wettkämpfen werden die Bögen fein säuberlich auf dem Boden abgestellt.

Zwischen den Wettkämpfen werden die Bögen fein säuberlich auf dem Boden abgestellt.

(Foto: Marco Einfeldt)

Dazu zählen auch Carlo Schmidt, Alexander Nehls und der neue deutsche Meister der Junioren, Jannis Kramer. Die drei Bogenschützen vom BSC BB Berlin, dem Verein von Lisa Unruh, haben ihr ganzes Leben dem Sport ausgerichtet. Zusammen haben sie eine Klasse eines Sportinternats besucht, sodass das hohe Trainingspensum überhauptmöglich wurde. So stand vormittags auch mal Schießen auf dem Stundenplan, erzählt der 20-jährige Alexander Nehls. Trotz großer Erfolge in ihrer Altersklasse hatte die Schule für die drei immer höchste Priorität, wie Jannis Kramer klarstellt. Der 19-Jährige wird nun ein VWL-Studium beginnen und weiß nicht, inwieweit er dann noch sein Niveau halten kann. Denn dafür sei besonders große Disziplin notwendig, sagt der 19-jährige Carlo Schmidt, der sich das Alkoholtrinken ganz abgewöhnt hat. Öfter müsse er Partys absagen, um beim Wettkampf ausgeschlafen zu sein, aber seine Freunde hätten damit kein Problem, erzählt er. Dennoch wird für die drei der Sprung in die Weltspitze zu groß sein und das Bogenschießen immer nur ein ganz großes Hobby bleiben.

Anders bei Lisa Unruh. Die ist bei der Bundespolizei in der Spitzensportförderung und elf Monate im Jahr freigestellt, um sich voll und ganz auf den Sport zu konzentrieren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: