Es war ein weiterer Tiefschlag für die SPD, doch Markus Grill, Vorsitzender des Stadtverbands Freising, gibt sich noch am Wahlabend fast trotzig: "We are still standing!", postet er auf Facebook. Immerhin: In der Stadt Freising landeten die Sozialdemokraten auf Platz drei, hinter Grünen und CSU. Dann gilt es eben, sich an diesen kleinen Erfolgen aufzurichten. In den meisten Landkreis-Gemeinden blieb nur Platz vier oder gar fünf.
Das schmerze ihn besonders, sagt SPD-Kreisvorsitzender Andreas Mehltretter am Tag nach der Europawahl: dass die AfD nach wie vor so stark sei. Sie erhielt landkreisweit 8,3 Prozent, die SPD nur 7,4. Ansonsten wirkt Mehltretter relativ gefasst. Das schlechte Abschneiden "war letztlich nicht so unerwartet", räumt er ein, auch wenn er natürlich auf mehr gehofft habe. Ein Blick auf die übrigen Ergebnisse in Oberbayern zeige: "Im Elend sind alle relativ gleich", der Landkreis Freising, in dem die SPD wegen der Startbahn-Auseinandersetzung schon lange im Schatten der Grünen steht, bildet da keine Ausnahme mehr.
Klimaschutzgesetz auf Betreiben der SPD "in der Pipeline"
Beim Thema Klimaschutz hätten die Grünen ein "konsequenteres Image". Als SPDler könne er das nicht ganz nachvollziehen, sagt Mehltretter. Auf Betreiben der Sozialdemokraten sei beispielsweise das Klimaschutzgesetz "in der Pipeline". In der großen Koalition in Berlin könne die SPD jedoch "nicht klarmachen, wo ihre eigenen Themen sind". Juso-Vorsitzender Michael Weindl kritisiert den Kompromiss zum Kohleausstieg, auf den sich die SPD eingelassen habe. Das Aus komme viel zu spät. Er wünscht sich mehr junge Gesichter in der Parteispitze, die neue Ideen bringen. Gerade bei den Themen Klimawandel und Digitalisierung müssten sich die Genossen viel klarer positionieren. Bei jungen Leuten könne die SPD derzeit nicht punkten. Die große Koalition jetzt einfach platzen zu lassen, dafür sprechen sich, anders als Markus Grill, weder Mehltretter noch Weindl aus. Nötig halten die beiden einen solchen Schritt in den kommenden Monaten aber, sofern das Profil der SPD in der Regierungsarbeit künftig nicht deutlicher zu erkennen sein sollte, etwa bei der Durchsetzung der Grundrente.
Für den Kreisrat und Moosburger Stadtrat Martin Pschorr ist es "schon sehr bedrückend" zu sehen, wie es mit den Sozialdemokraten "stetig bergab geht". Er ist seit 49 Jahren Parteimitglied. Die SPD stand für ihn immer in erster Linie für soziale Grundfragen. Die Reformen unter Kanzler Gerhard Schröder haben für ihn dazu beigetragen, dass viele Wähler enttäuscht seien. "Das Vertrauen zurück zu gewinnen, ist unheimlich schwierig." Auch er selbst hat mit seiner Partei immer wieder gehadert, vor allem in der Friedenspolitik. Hier und im sozialen Bereich müsse die SPD eine eigenständigere Politik betreiben, fordert Pschorr. Die Menschen müssten wieder das Gefühl haben: "Die SPD ist für uns da."
Sich wieder mehr der "kleinen Leute" annehmen
Ähnlich urteilt in diesem Punkt der Moosburger Kreisrat Anton Neumaier. Die Partei müsse sich wieder mehr der "kleinen Leute" annehmen. Für "unglücklich" hält er die gegenwärtige personelle Situation. Dass Andrea Nahles zugleich Partei- und Fraktionsvorsitzende ist, gefällt ihm nicht. Ein Parteichef sollte sich ganz auf seine Aufgabe konzentrieren, findet er. Im Übrigen hält Neumaier nicht die große Koalition für die Ursache allen Übels. In der Kommunalpolitik habe er gelernt, dass einen nur Pragmatismus weiterbringe und somit der Kompromiss. Seinen Parteigenossen macht er Hoffnung: "Die SPD ist schon so alt", sagt Neumaier, sie werde auch diese Krise überwinden.