Süddeutsche Zeitung

Spaziergang:"Wirklich historischer Ort"

Grünen-Fraktionschefin im Bundestag schaut sich Freising an

Von Petra Schnirch, Freising

Kurzer Stopp in der Bahnhofstraße auf Höhe des Fürstendamms. Eva Bönig (Grüne) deutet auf das Vincentinum, hier lägen die Kosten noch "in einem verträglichen Rahmen", sagt die Bürgermeisterin. Die Einrichtung der Heiliggeist-Spitalstiftung bietet Platz für 35 ältere Menschen. Bönig zeigt Katrin Göring-Eckardt, der Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag, am Donnerstagnachmittag bei einem Spaziergang mit Parteifreunden die Stadt. Das Gespräch kommt dabei immer wieder auf die beiden zentralen Themen in Freising: bezahlbares Wohnen und dritte Startbahn.

Die Bundespolitikerin hat zuvor in München einen Zehn-Punkte-Plan ihrer Partei gegen die Wohnungsnot vorgestellt. Der Staat müsse "richtig viel" in den gemeinnützigen Wohnungsbau investieren, sagt sie in Freising. Mit Bodenfonds - darunter versteht man Flächenpools, in die Grundstücke eingebracht werden - könnte man der Spekulation entgegen wirken, sagt Göring-Eckardt.

Die vielen kleinen Läden in der Innenstadt gefallen ihr. "Das ist sensationell", findet sie. Einen kurzen Blick in die verführerische Auslage der Chocolaterie an der Oberen Hauptstraße kann sie sich nicht verkneifen. Vor der Eisdiele plaudert sie kurz mit einer jungen Mutter, auch für die Historie der Häuser interessiert sie sich. Vor der abgeklebten Scheibe im Erdgeschoss des Entleutner-Hauses erkundigt sich Göring-Eckardt nach Leerständen in der Stadt. Einige private Hausbesitzer verlangten eben sehr viel Miete, schildert Bönig.

Früher hätten in der Altstadt viele Menschen gelebt, auch sie selbst sei dort aufgewachsen. Doch Wohnraum gebe es entlang der Hauptstraße immer weniger, Anwaltskanzleien seien einfach lukrativer. Die Bürgermeisterin bedauert diese Entwicklung. Grünen-Landtagskandidat Johannes Becher befürchtet, dass sich das Wohnungsproblem weiter zuspitzen wird, obwohl Freising immerhin über 1200 Sozialwohnungen verfügt. Derzeit lebten im Landkreis etwa 178 000 Menschen, die Prognose gehe in Richtung 200 000. Nicht nur Leute aus dem noch teureren München suchten bezahlbaren Wohnraum in Freising und Umgebung, auch der Zuzug aus anderen Regionen halte an. Nicht nur Menschen mit kleinen Einkommen hätten mittlerweile Probleme, etwas Erschwingliches zu finden.

Nach einem weiteren Halt am Marienplatz ist die Fischergasse nächstes Ziel der Gruppe. Susanne Günther, Listenkandidatin für den Landtag, erklärt, dass Petra Kelly, Gründungsmitglied der Grünen, dort ihr Abgeordnetenbüro hatte. "Ein wirklich historischer Ort", meint Katrin Göring-Eckardt und wirkt bewegt.

Thema auf der Aussichtsterrasse vor dem Kardinal-Döpfner-Haus - mit Blick auf den Tower und landende Flugzeuge - ist wenig später die geplante dritte Startbahn. Die ganze Region leide schon jetzt unter "Lärm, Dreck, Wohnungsnot und Verkehr", sagt Johannes Becher. 13 Jahre dauere der Kampf nun schon. Die Grünen-Fraktionschefin versichert: Das Thema "dringt weit in die Bundespolitik hinein". Den Widerstand, den die Grünen, den die Bürgergesellschaft führten, nennt sie "großartig". Und wieder geht es auch um den Aspekt Wohnen: Es gebe am Flughafen zahlreiche gut dotierte Jobs, sagt Eva Bönig. Viele merkten aber auch: "Diese Region ist für mich unerschwinglich." Katrin Göring-Eckardt gaben die Freisinger Grünen zum Schluss des Rundgangs noch den Wunsch mit auf den Weg, im Flughafenumland möge endlich eine offizielle Messstelle für Ultrafeinstaub eingerichtet werden.

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SZ vom 22.09.2018
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