Sozialbeirat warnt:Dramatische Situation

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Asylbewerber mit Bleiberecht wollen raus aus den Flüchtlingsunterkünften. Auf dem Wohnungsmarkt haben sie aber keine Chance. (Foto: David Ebener/dpa)

Wird Asylbewerbern ihr Bleiberecht bestätigt, ist das eigentlich eine gute Nachricht. Doch dann fangen die Probleme erst an. Aus der Flüchtlingsunterkunft müssten sie ausziehen, eine Wohnung aber finden sie nicht

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Der Wohnungsmarkt in der Region ist angespannt, die Mieten sind für viele kaum bezahlbar. Das ist bekannt. Am Beispiel der Gemeinde Neufahrn lässt sich derzeit nachvollziehen, wie das Flüchtlingsproblem die Situation zusätzlich verschärft. Inzwischen leben dort bereits 14 Menschen noch immer in einer Asylbewerberunterkunft, obwohl sie inzwischen ein Bleiberecht haben und somit eigentlich ausziehen müssten. Doch sie finden trotz aller Bemühungen einfach keine Wohnung auf dem freien Markt und müssen womöglich bald in einer Notunterkunft untergebracht werden.

Daneben weiß die Gemeinde Neufahrn aktuell von 26 Bürgern, die ihre Mietwohnung wohl verlieren und somit ebenfalls von Obdachlosigkeit bedroht sind. Auch sie könnten bald Wohncontainer brauchen, die allerdings nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. In anderen Gemeinden sehe es ähnlich aus, berichtete Sozialreferentin Beate Frommhold-Buhl in der jüngsten Sozialbeiratssitzung: "Wir gehen im ganzen Landkreis auf eine dramatische Situation zu." Zumal in den nächsten Monaten auch weitere Flüchtlinge zu erwarten seien.

Um die Verhinderung von Obdachlosigkeit kümmert sich im Neufahrner Rathaus Felizitas Schmitz, die sich nun besorgt nach dem weiteren Vorgehen des Landratsamtes wegen der Fehlbelegungen erkundigte. "Momentan machen wir diese Menschen nicht obdachlos", versicherte Sozialpädagogin Irmgard Eichelmann. Allerdings könne sie auch nicht sagen, "wie lange das geht". Ein Problem ist für einige Betroffene laut Eichelmann, dass sie einen Aufenthaltstitel bekommen haben, der den Wegzug in einen anderen Landkreis nicht zulässt. Deshalb könnten sie die durchaus bestehende Möglichkeit, zu Verwandten zu ziehen, nicht nutzen. Viele andere wollen freilich gar nicht weg, wie Eichelmann und die ehrenamtlichen Helfer wissen. Man müsse sie aber auch darauf vorbereiten, dass sie wohl irgendwann einmal weg müssen, gab Eichelmann zu bedenken. Allerdings zeigte sie auch Verständnis für die Flüchtlinge. Diese hätten schließlich nach langen Irrwegen endlich mal eine Art Zuhause gefunden, betonte Beate Frommhold-Buhl.

Eine Ehrenamtliche aus dem örtlichen Flüchtlingsunterstützerkreis appellierte an die Kommunalpolitiker, das persönliche Gespräch mit Eigentümern von ganz offensichtlich leer stehenden Immobilien zu suchen und dabei auch Bedenken gegen Ausländer als Mieter auszuräumen - da dürfe man "nicht auch noch die Ehrenamtlichen einspannen, das finde ich too much." Außerdem hatte die Neufahrnerin im Internet ein Projekt der Universität Rosenheim entdeckt, die mobile Holzcontainer als "Alternative zu den Blechcontainern" entwickelt hat. Diese wären zumindest optisch ansprechender, informierte die Neufahrner Helferin den Sozialbeirat. Wünschen würden sich die Ehrenamtlichen auch mehr Möglichkeiten für Aushilfstätigkeiten, welche die Flüchtlinge übernehmen könnten. Eichelmann macht indessen immer wieder die Erfahrung, dass viele denken, die Flüchtlinge dürften gar nicht arbeiten. Dafür gebe es aber einige Möglichkeiten wie zum Beispiel Langzeitpraktika, stellte die Sozialpädagogin aus dem Landratsamt klar. Einig war man sich, dass das Erlernen der Sprache die wichtigste Grundlage für alle Flüchtlinge ist. Beate Frommhold-Buhl regte hier Patenschaften an. Josef Bornhorst vom Flüchtlingsunterstützerkreis könnte sich auch noch andere Patenschaften vorstellen: Landsleute könnten neuen Asylbewerbern das Leben in Deutschland womöglich am besten erklären, gab er zu bedenken.

Auf eine Betreuer-Vollzeitstelle kommen 150 Asylbewerber - in der Sozialbeiratssitzung wurde einmal mehr deutlich, dass es ohne die Ehrenamtlichen nicht geht. Zu denen, die sich für die 70 Asylbewerber in Neufahrn und weitere in Hallbergmoos engagieren, gehört Brigitte Wieners, die in der Sitzung den Umfang der Tätigkeiten deutlich machte: Sie erklärt Hausordnungen und die Mülltrennung, hilft bei Behördengängen und Arztbesuchen, organisiert Kleidung und Möbel, hilft bei Kindergartenanmeldungen, macht Ausflüge mit den Kindern - alles ehrenamtlich, oft mit dem eigenen Auto. Deshalb hatte sie auch eine Anregung zur Unterstützung: "Es wäre schön, wenn die Behörde eine Fahrtkostenpauschale vergüten würde."

© SZ vom 31.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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