Süddeutsche Zeitung

Sommerschule im Landkreis Freising:Brücken bauen in den Ferien

Bei Förderkursen bekommen schwächere Schüler die Möglichkeit, freiwillig Corona-bedingte Lücken zu schließen. Aber es gibt auch Kritik von Eltern und vom Lehrer- und Lehrerinnenverband.

Von Gudrun Regelein, Freising

Der Countdown läuft: In genau zwei Wochen ist in Bayern der erste Ferientag. Sechs Wochen lang können sich dann Schüler, Lehrer und auch Eltern nach einem anstrengenden Schuljahr mit Wechselunterricht und Homeschooling erholen und eine Pause nehmen. Aber das wird nicht für alle Schülerinnen und Schüler so sein. Denn die Schulen in Bayern werden eine "Sommerschule" unter dem Motto "gemeinsam.Brücken.bauen" anbieten. Damit sollen Schüler die in der Corona-Zeit entstandenen Wissenslücken schließen können.

An der Realschule "Gute Änger" in Freising wird es in der ersten und in der letzten Ferienwoche ein Angebot geben. Eine gemeinsame Zeit, die helfen soll, die sozialen Bande wieder zu stärken und bei Bedarf auch Wissenslücken zu schließen, erklärt Konrektorin Ursula Zitzelsberger. Geplant sind vor allem Gemeinschaftsaktivitäten und Workshops für alle Altersgruppen, daneben auch Förderkurse in den Hauptfächern. Finanzielle Unterstützung gebe es, alleine der Freistaat investiere 14 Millionen Euro in die Sommerschule. Schwieriger dagegen habe sich die Suche nach dem Personal gestaltet, berichtet Zitzelsberger. Insgesamt 55 Leute sind es an ihrer Schule: Lehramtsstudenten, Tutoren, Praktikanten, FOS-Abschlussschüler und Aushilfslehrer beispielsweise werden die beiden Wochen gestalten. Aber auch einige Eltern beteiligen sich bei den Gemeinschaftsaktivitäten. "Das alles war sehr aufwendig zu organisieren. Bürokratisch ist das ein Monster", meint Zitzelsberger. So müssten alleine die Studierenden 19 Formulare ausfüllen. Dennoch ist sie überzeugt von der Sommerschule: "Wir sehen, dass einige Schüler, etwa 15 bis 20 Prozent, abgehängt werden. Die haben Lücken, die nun wieder einigermaßen gefüllt werden sollen." Natürlich sei es auch wichtig, in den Ferien eine Pause zu machen, sagt Zitzelsberger. Aber dafür blieben dann ja noch vier Wochen.

Silke Seidel sieht die Sommerschule nicht so positiv

Silke Seidel sieht die Sommerschule nicht ganz so positiv. Ihre jüngste Tochter besucht die zweite Klasse an der Freisinger Grund- und Mittelschule in Neustift, Seidel ist dort Elternsprecherin. Das Schuljahr sei nicht einfach gewesen, sagt Seidel. "Es hat doch einiges abverlangt - vor allem den Kindern." Diese bräuchten jetzt eine Pause, gerade auch die schwächeren Kinder. Viele Eltern aber hätten sicher ein schlechtes Gewissen, dieses Angebot auszuschlagen, und melden ihr Kind dennoch an, vermutet Seidel.

An den Sternschulen erhalten einzelne Kinder nach Rücksprache mit den Klassenleitungen das Angebot, bei der Sommerschule mitzumachen. Die Teilnahme aber ist freiwillig. "Ich als Mutter denke, dass diese zwei Wochen nicht wirklich entscheidend und nicht unbedingt nötig sind", sagt Seidel. Die sechswöchigen Ferien seien ein Luxus, eine besondere Zeit - die sollte man den Kindern nicht nehmen. Diejenigen Kinder, die Lücken hätten, seien ohnehin angehalten, etwas zu tun. Dafür gebe es an der Schule dann auch das Ferienbuch "Gemeinsam Brücken bauen". Darin finden sich für die einzelnen Jahrgangsstufen die wichtigsten Themen des vergangenen Schuljahres mit entsprechendem Wiederholungs- und Übungsmaterial.

Am Moosburger Gymnasium kommen die meisten Anmeldungen aus der sechsten und siebten Klasse

Am Moosburger Karl-Ritter-von-Frisch-Gymnasium gibt es die Sommerschule für die Jahrgänge fünf bis elf. Angeboten werden dort Förderkurse in den Kernfächern, berichtet Schulleiterin Claudia Theumer. Teilnehmen kann jeder, es sei ein rein freiwilliges Angebot, das dazu diene, einzelne Lücken zu schließen. "Es soll Anstöße geben und Hilfestellung geben. Ein Wundermittel aber kann es nicht sein", erklärt Theumer. Für manche Schülerinnen und Schüler sei die Teilnahme sicher gut, für andere dagegen zu viel - die bräuchten nach dem anstrengenden Schuljahr nun die sechswöchige Pause. Die meisten Anmeldungen kamen aus der sechsten und siebten Jahrgangsstufe, die aus der zehnten und elften dagegen seien überschaubar. Die Kurse werden an ihrer Schule neben drei Lehrkräften, die bereits in Pension oder momentan in Elternzeit sind, Tutoren leiten. 23 ältere, leistungsstarke Schüler haben sich dafür gemeldet. Anders, so Theumer, wäre es nicht machbar gewesen.

"Die Sommerschule kann aber nur ein Baustein sein", betont Theumer. Schon jetzt gebe es an der Schule verschiedene Fördermaßnahmen, die wolle man im kommenden Schuljahr noch einmal intensivieren. Grundsätzlich aber, so sagt sie, seien die zwei Wochen in den Ferien natürlich eine Möglichkeit, Versäumtes nachzuholen. Eigentlich sei das eine gute Sache, findet auch Kerstin Rehm, Kreisvorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV). Ein Förderbedarf wäre sicher da, bei einigen Schülern hätten sich die Defizite in den Corona-Monaten sicher noch einmal verstärkt. Aber: Nach diesen vielen anstrengenden Monaten wäre es notwendig, dass alle - Schüler, Lehrkräfte, Schulleiter und auch die Eltern - endlich einmal zur Ruhe kämen. Statt eines zweiwöchigen Angebots in den Ferien würde es Rehm für viel sinnvoller halten, eine ausreichende Zahl an ausgebildeten Lehrkräfte in die Schulen zu bringen, die dort in den kommenden Jahren die notwendigen Förderangebote bieten könnten. "Viel hilft viel halte ich bei diesem Thema für den völlig falschen Ansatz", sagt Rehm.

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SZ vom 16.07.2021
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