Serie: Menschen am Fluss:Wie ein Schweizer Käse

Felix Singer vor dem Deutschen Museum in München, 2015

Hoch oben: Felix Singer an seinem Lieblingsplatz auf dem Turm des Deutschen Museums mit Blick auf die derzeit friedlich wirkende Isar.

(Foto: Florian Peljak)

Der Architekt Felix Singer soll das Deutsche Museum dauerhaft vor der Isar und ihren Hochwassern schützen. Geplant ist eine riesige Wanne aus Beton

Von Birgit Lotze, Isarvorstadt

"Glück auf" steht über dem Eingang des Bergwerks im Deutschen Museum. Und Glück können die Besucher durchaus brauchen. Zwar sind sie in der Ausstellung nicht dem Risiko der Einsturzgefahr der Stollen, Schächte und Kammern ausgesetzt. Man müsse auch nicht durchtauchen, sagt Architekt Felix Singer: "Aber durch Pfützen waten, das kann schon passieren." In den Ausstellungsräumen unter Tage steht ab und zu das Wasser - zum Beispiel in der Kammer, in der man die Maschinen für die Blindschachtförderung bestaunen kann. Auch unten in den Schächten, vor allem in den Brunnen im Bergwerk, an denen täglich Hunderte Besucher vorbeigehen, sammelt sich Isarwasser. "Hotspots" nennen die Fachleute, die Tag für Tag im Deutschen Museum nach neuen Lecks Ausschau halten, intern diese Stellen.

Felix Singer soll das jetzt richten. Er ist einer von sechs Architekten, die im Deutschen Museum arbeiten, und derjenige, der das Gebäude hochwasserfit machen soll. Im November sollen die Arbeiten beginnen, dann wird die Hälfte der Museumssammlung für einige Jahre nicht mehr zu besichtigen sein. Und es ist Eile geboten: Das Wasser drückt von unten und vor allem dann, wenn die Isar Hochwasser führt. Es sammelt sich bereits ebenerdig, zwischendurch sickert es in Bereiche, in denen elektrische Leitungen verlegt sind. In der Ausstellungshalle des Zentrums für Neue Technologie sind die Stellen rot markiert, an denen das Hochwasser kürzlich eingedrungen ist. "Es drückt einfach so durch die Wand", sagt Singer. Auch in solchen Bereichen, die für Ausstellungsbesucher makellos und in Schuss wirken, bricht es durch. Und Singer weiß: Dichtet man die Stelle ab, sucht sich das Wasser neue Wege, das hundert Jahre alte Gebäude auf der Isarinsel sei wie ein Schweizer Käse.

Felix Singer will den Komplex quasi in eine riesige Wanne stellen. Eine zehn bis elf Meter hohe Wand soll dafür in den Boden getrieben werden, 720 laufende Meter aus Flüssigbeton.

Die Isar macht sich an dem kolossalen Bau seit einem Jahrhundert zu schaffen: Die Deutsche Museumsinsel ist umschlossen von der großen Isar auf der Seite des Patentamts und der kleinen Isar, deren Wasserstand niedriger ist als der des Hauptstromes. Der Gebäudekomplex steht auf 1500 Pfählen, "Klein-Venedig" nennt Singer die Konstruktion. Der Bau werde permanent unterspült. Außerdem wurde der Sammlungsbau im Laufe der Jahrzehnte ständig erweitert, durch die Luft- und Raumfahrthalle zum Beispiel. Ein Bauwerk werde dadurch geschwächt, so der Architekt.

Bis zu 50 Kubikmeter Wasser werden auch nach dem Umbau jede Stunde voraussichtlich noch eindringen - 330 gut gefüllte Badewannen. Singer spricht von "eingeplanter Undichtigkeit", diese Menge sei beherrschbar. Von der Dichtwand aus Beton, alle drei Meter fest verankert, soll später nichts zu sehen sein. Sie steht dann im Flussbett, bis etwa acht Meter tief im Kies. Allerdings: Das Grün entlang der Ufermauer ist dann vorerst auch weg. Vor allem die Westseite wird im Bereich oberhalb der Ufermauer vermutlich über Jahre kahl wirken; zurück bleiben voraussichtlich nur einige alte Bäume. Die Kastanien im vorderen Bereich an der Ludwigsbrücke sollen überleben, auch die an der Ostseite. "Wir haben um jeden einzelnen Baum gekämpft", sagt Singer. An einigen Stellen soll die Ufermauer deshalb "im Pilgerschritt" befestigt werden, sozusagen in kleinsten Abschnitten. Doch das sei nicht an allen Stellen möglich, an der Westseite könne man so die Standsicherheit nicht gewährleisten. "Das tut uns selbst leid", sagt Singer. Aber anders sei die Rettung des Gebäudes nicht möglich, und das Deutsche Museum sei ja auch nicht irgendeine "Investorenbude". Selbstverständlich sei geplant, das Areal wieder zu bepflanzen. Doch auf so einer Großbaustelle sei mit einer schnellen Kompensation kaum zu rechnen. Für den Umbau des gesamten Komplexes wird mit zehn Jahren gerechnet.

Dass das Gebäude im vergangenen Jahrhundert nie richtig renoviert wurde, kommt das Museum heute teuer zu stehen. Viele Maßnahmen werden ergriffen, um das Isarwasser draußen zu halten. Kündigt das Wasserwirtschaftsamt Hochwassergefahr an, sind 15 Mitarbeiter permanent im Einsatz, meist noch mehr. Mit Sandsäcken werden die Zugänge blockiert und sogenannte Schotts eingerichtet. Dafür werden Maueröffnungen durch Bretter abgedichtet, die in vorinstallierte Metallrahmen geschoben werden.

Nicht nur, dass viele Menschen mit der Wasserabwehr beschäftigt sind, die Schäden forcieren auch den Platzmangel. Insgesamt sind 30 000 Quadratmeter des Deutschen Museums unterkellert, davon 20 000 Quadratmeter des Sammlungsbaus. Doch die sind kaum noch nutzbar. "Man kann in der Feuchtigkeit ja keine Kunstschätze unterbringen", sagt Singer. Das Museum habe sich Ausweichflächen suchen müssen, das allein kostet jährlich eine Million Euro.

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