"Sehr unerfreulich":Auf der Liste der Neonazis

Terroristische Vereinigung NSU hat sich offenbar auch für die Freisinger CSU-Stadtratsfraktion interessiert

Kerstin Vogel

Der Vorsitzende der CSU im Freisinger Stadtrat, Erich Irlstorfer, nennt den Brief, den er kurz vor Weihnachten erhalten hat, eine "sehr unerfreuliche Sache": Das Schreiben stammt vom bayerischen Landeskriminalamt und informiert darüber, dass die Freisinger CSU-Stadtratsfraktion auf einer Liste der terroristischen Vereinigung NSU gefunden worden sei. Nur die Fraktion als Organisation, keine einzelnen Namen, wie Irlstorfer sagt. Und: Gemeint sei möglicherweise auch die Fraktion der vergangenen Legislaturperiode im Stadtrat. Schockiert sei er trotzdem, damit komme einem der Neonazi-Terror doch sehr nah.

Die NSU ist die Organisation "Nationalsozialistischer Untergrund" der Zwickauer Terrorzelle, deren langjähriges Morden die Republik seit Wochen in Atem hält. Bereits Anfang Dezember war gemeldet worden, dass die Neonazis "Todeslisten" geführt hätten - die von den NSU-Aktivisten angestellten Recherchen sorgten für Aufsehen. Gefunden hatte die Polizei eine Liste mit 10 000 Namen, von denen gut 1000 aus Bayern stammten. Unter anderem standen darauf Angaben zur früheren Erdinger SPD-Landtagsabgeordneten Hildegard Kronawitter sowie den Münchner Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Uhl (CSU) und Jerzy Montag (Grüne). Daneben war die Adresse des Ebersberger CSU-Kreisverbandes erfasst und - wie jetzt bekannt wurde - die Freisinger CSU-Fraktion.

Ziemlich sicher datieren die Listen, auf denen sich die Freisinger finden, aus den Jahren 2004 bis 2006. Die zeitliche Einordnung macht einen Zusammenhang mit dem zuletzt in Freising aktiven rechten "Aktionsbund" unwahrscheinlich - diesen Zusammenschluss dürfte es damals noch nicht gegeben haben.

Detlev Puchelt, Sprecher des Landeskriminalamtes, gibt Entwarnung. Keinesfalls handele es sich um eine Todesliste mit Leuten, deren Leben in Gefahr sei, sagt er. Die Namen und Adressen habe man teilweise aus zerstörten Datenträgern zusammengepuzzelt. Auch jetzt finde man in den Trümmern des Hauses, das die Terroristen in die Luft gesprengt haben, "Fragmente einer ganzen Flut von Namen, auf Papierfetzen, die mehr oder weniger gut erhalten sind", sagt Puchelt. Wozu sie von der Terrorzelle gesammelt worden seien, erschließe sich den Ermittlern nicht: "Da gibt es keinen roten Faden, das sind einfach Herrschaften, die die NSU irgendwann interessiert haben." Eine besondere Gefährdung der Genannten würden LKA und Bundeskriminalamt ausschließen.

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