Schwieriger Neuanfang:Verzweifelt auf Wohnungssuche

Notunterkunft für wohnungslose Studenten in München, 2015

Im Landkreis Freising sind derzeit 739 Flüchtlinge anerkannt. Sie müssen aus den Gemeinschaftsunterkünften raus und in eigenen Wohnungen - theoretisch. Denn Wohnraum ist knapp.

(Foto: Natalie Neomi Isser)

Anerkannte Flüchtlinge haben es auf dem Wohnungsmarkt im Landkreis Freising besonders schwer. Einige finden ein Zuhause mit Unterstützung von Helferkreisen, andere begegnen dubiosen Maklern.

Von Aladdin Almasri, Landkreis

Im Landkreis Freising eine Wohnung zu finden, ist schon für Einheimische extrem schwierig. Flüchtlinge aber haben oft besonders schlechte Karten. 739 "Anerkannte" gibt es hier zur Zeit, viele von ihnen sind auf der Suche, denn laut Gesetz müssen sie nicht nur raus aus den Gemeinschaftsunterkünften, sie haben auch das Recht, eine eigene Wohnung zu mieten. Deren Größe und Preis gibt das Jobcenter vor, das auch die Miete zahlt, wenn noch kein eigenes Einkommen vorhanden ist.

Weil Wohnraum knapp ist, leben viele weiter in Gemeinschaftsunterkünften. Sonia Nicole aus Hallbergmoos auch. Und das nach fünf Jahren in Deutschland. Die 37-Jährige aus Sierra Leone zieht hier ihren Sohn Alvin auf, der in Freising geboren wurde und mittlerweile drei Jahre alt ist. In der Unterkunft erzählt sie mit geröteten Augen, dass sie wenige Minuten zuvor eine Absage für eine Wohnung erhalten habe. Der Eigentümer habe schon zugesagt gehabt, dann aber seine Meinung geändert. Kurze Zeit nach dem Gespräch werden die beiden vom Landratsamt nach Nandlstadt verlegt, weil die Unterkunft in Hallbergmoos schließt. In Nandlstadt lebt Sonia nun zwar in einem kleineren Haus, aber auch viel weiter ab vom Schuss. "Das Umziehen zerreißt meinen Sohn." Er sei ängstlicher geworden, sagt sie, weil er sich nicht an die Gesichter seiner Umgebung gewöhnen könne. Sie glaubt, dass ihr wegen ihrer Hautfarbe niemand eine Wohnung gibt.

Eine Eigentümerin half - ohne die Wohnungssuchenden je getroffen zu haben

Eine afghanische Familie mit drei Kindern hat mit ihr in Hallbergmoos gelebt und mehr Glück gehabt. Glück - und die Hilfe von Gerhard Abstreiter. Der Flüchtlingshelfer sucht ein Jahr lang eine Wohnung für die Familie. Erst ohne Erfolg. An einem regnerischen Nachmittag im Januar aber fährt er mit dem Auto in Hallbergmoos zu einer Vermieterin: Maria Mayer, die ihren richtigen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Während der Fahrt erzählt er: "Die Familie hat wirklich Glück, das hat nur mit einem großen Netzwerk von Freunden und Bekannten geklappt. Die meisten wollen nicht an Flüchtlinge vermieten." Maria Mayer aber hat zugesagt. Sie öffnet dem Besucher die Tür und erzählt im Wohnzimmer, dass sie durch ihre Arbeit im Hotel viele Ausländer getroffen habe, aber mit Flüchtlingen habe sie nie etwas zu tun gehabt. Außer, dass sie jetzt Asylbewerbern ein Zuhause gibt, ohne sie je zuvor gesehen zu haben. "Ich vertraue Gerhard", sagt sie. Und sie will einer Familie helfen, egal woher sie kommt. Wichtig sei bloß, dass die Miete pünktlich vom Jobcenter überwiesen werde. "Und das funktioniert." Die Familie lebt nun in einem Haus, das Mayer gehört.

Ortswechsel. Saleh Khalid ist vor zwei Jahren mit seiner Frau und den vier Kindern ebenfalls in ein privates Haus in Fahrenzhausen umgezogen. Zuvor hat der 50-Jährige, der in Damaskus Anwalt war, mit der Familie eineinhalb Jahre in einer Gemeinschaftsunterkunft gelebt. Niemand, sagt er, der nicht selbst erlebt habe, wie es ist, in einer solchen Unterkunft mit der ganzen Familie zu leben, könne verstehen, was es bedeutet, danach in ein eigenes Haus zu ziehen. Letztlich geholfen hat die Flüchtlingshelferin Theresia Stadlbauer. "Jetzt können wir Stabilität und Sicherheit genießen", sagt er, die Jungen gehen zur Schule, haben Freunde und wir bekommen Einladungen im Ort. Ich habe das Gefühl, dazu zu gehören."

Im Café trifft man den Wohnungsvermittler "Adam". So jedenfalls nennt er sich seinen Kunden gegenüber

Noch auf dem Rückweg von der Vermieterin Maria Mayer in Hallbergmoos kommt ein Anruf von Mahrous Samaan, 24. Auch er heißt eigentlich anders. Er sagt, man könne sich in einem Café in München nahe dem Hauptbahnhof treffen. Ein gewisser Adam habe das Treffen arrangiert. Samaan selbst lebt noch im Kreis Freising in einer Flüchtlingsunterkunft. Mit seinem Cousin sucht er seit mehr als eineinhalb Jahren eine Wohnung. Jetzt hat er sich Geld von einem Freund geliehen, für einen privaten Wohnungsvermittler. Im Café trifft man also "Adam", so jedenfalls nennt er sich. Ein Mann, vielleicht Anfang 30. Er ist elegant gekleidet und trägt eine teuer aussehende Uhr am Handgelenk.

Samaan und er diskutieren kurz, am Ende soll Samaan eine Provision von drei Monatsmieten - in bar und ohne Quittung - zahlen, sobald der Vertrag für eine Wohnung unterzeichnet ist. Adam sagt: "Niemand hilft Flüchtlingen, eine Wohnung zu finden. Ich biete Hilfe an, das ist das Prinzip von Angebot und Nachfrage." Er schiebt hinterher, dass er den Profit mit seinen Partnern teile, die ihm Apartments vermitteln. Wer das ist, will er nicht sagen.

Immobilienmakler Mieskes bestätigt illegale Praktiken von Wohnungsvermittlern

Um zu verstehen, wie das Geschäft funktioniert, erkundigt man sich bei drei Hausverwaltungen in Freising. Keiner will reden. Jürgen Mieskes hingegen, Geschäftsführer der gleichnamigen Immobilienfirma, bestätigt, dass ihm diese Praxis bekannt sei, auch in Freising riefen ihn verunsicherte Leute an. "Schon allein drei Monatsmieten Provision zu verlangen, ist illegal", sagt Mieskes. Erlaubt seien 2,38 Kaltmieten. Zwar sehe das Bestellerprinzip vor, dass derjenige den Makler bezahlen muss, der ihn beauftragt, das gelte aber nur, wenn der Makler die Wohnung komplett neu recherchiere. Eine ihm bekannte Wohnung anzubieten, heiße, das der Eigentümer oder Hausverwalter zahlen müsse. Hinzukomme, dass Cash-Zahlungen ein klarer Hinweis darauf seien, dass der Makler "schwarz" arbeite, vorbei an der Steuer. Mahrous Samaan entscheidet sich nach dem Gespräch im Café gegen das Geschäft mit Adam und sucht lieber auf eigene Faust weiter.

Aladdin Almasri, 34, floh 2013 aus Syrien in die Türkei. Zwei Jahre später kam er nach Bayern. Im Programm "Newscomer" schreibt er in loser Folge für die SZ Freising.

Mitarbeit, Übersetzung aus dem Englischen: clli

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