Schwieriger Konflikt:"Sie sind im freien Fall"

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Sorge um junge Flüchtlinge, die nicht arbeiten dürfen, wächst

Von Peter Becker, Freising

Harald Riemann vom Jugendwerk Birkeneck sorgt sich um das Schicksal der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge im Landkreis. In der Versammlung der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft (PSAG) sagte der Leiter des Arbeitskreises Jugendpsychiatrie, viele der jungen Menschen "sind im freien Fall". Etliche haben einen ablehnenden Bescheid bekommen, werden aber nicht abgeschoben. Weil sie keine Arbeitserlaubnis erhalten, fehlt ihnen eine Tagesstruktur. Wenn sie ihre Einrichtungen verließen, sagte Riemann, könnten sie in die Illegalität abrutschen. Das Problem könne man nicht aussitzen, stellte er fest. "Und wenn was passiert, dann ist das Geschrei groß".

Riemann sagte, die PSAG habe das Thema zur Analyse der Situation in den Jugendhilfeausschuss des Kreistags einbringen wollen. Jetzt wird sich das Gremium am 18. Januar mit der Problematik auseinandersetzen. Dies kündigte Landrat Josef Hauner in der Sitzung am 12. Oktober an. Riemann klagte, dass das Landratsamt kaum Arbeitserlaubnisse erteile. "Der Landkreis legt die Bestimmungen hart aus", kritisierte er. Nach seinen Erfahrungen werde dies anderswo nicht so streng gehandhabt. Dabei ist sich der Leiter des Arbeitskreises Jugendpsychiatrie der PSAG sicher, dass viele junge Flüchtlinge ihre Ausbildung schaffen könnten. So seien sie zum Nichtstun verurteilt. "Ihre psychische Lage wird zunehmend dramatischer."

Unterstützung bekam Riemann von Marianne Heigl (FW) und Johannes Becher (Grüne), die beide Mitglieder des Kreistags sind. Heigl bedauerte, dass viele junge willige Flüchtlinge keine Arbeitserlaubnis bekämen. "Es muss etwas passieren", forderte. Becher findet es gut, dass das Thema demnächst im Jugendhilfeausschuss diskutiert wird. Er frage sich, was das mit einem Jugendlichen mache, wenn er zur Untätigkeit verdammt sei.

Das Landratsamt weist auf Nachfrage indes den Vorwurf zurück, es handle zu restriktiv in Sachen Ausbildungs- und Arbeitserlaubnis. "Das Ausländeramt trifft bei Ausbildungs- und Arbeitserlaubnisanträgen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen genau wie bei allen übrigen Asylbewerbern eine Ermessensentscheidung im Einzelfall", teilt Pressesprecher Robert Stangl mit. Das bedeute, dass Identitätsklärung, Bleibeprognose, Integrationsleistungen und etwaige Straftaten bei der Beurteilung eine große Rolle spielten.

Stangl weist darauf hin, dass seit dem 1. Januar insgesamt 23 Anträge auf Arbeitserlaubnis gestellt wurden. Drei davon wurden inzwischen abgelehnt, 15 erteilt, fünf seien in der Prüfung. Ähnlich sieht es bei den Arbeitserlaubnissen aus: Seit dem 11. April wurden 161 Anträge gestellt, 94 Erlaubnisse erteilt. 67 befinden sich noch in der Prüfung.

© SZ vom 10.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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