Schwierige Lösungssuche:Unmut in Freising wegen Überschwemmungen

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Die Gullis in der Heiliggeistgasse können die Wassermengen bei extremen Unwettern nicht aufnehmen, darunter leiden die Anwohner. (Foto: Marco Einfeldt)

Anwohner und Geschäftsleute an der Heiliggeistgasse kämpfen regelmäßig mit Überschwemmungen - nicht zuletzt seit dem Umbau der Freisinger Innenstadt. Sie fühlen sich von der Stadt im Stich gelassen, die nun nachbessern will.

Von Petra Schnirch und Henrike Schulze-Wietis, Freising

"Und dann flog die Tür auf und die Wassermassen strömten in den Laden." Gerhard Schmid, Versicherungskaufmann der HDI, war mit seiner Tochter zufällig in seinem Büro an der Heiliggeistgasse 14. Zehn Minuten dauerte der Starkregen am 21. Juni, bis das Wasser die Eingangstür aufdrückte und die Räume überflutete. Der Ärger bei den Betroffenen ist nach wie vor groß, denn es war nicht das erste folgenreiche Unwetter, das sie erleben mussten. Die Stadt sucht nun nach Lösungen. Auf ein sogenanntes 90-jährliches Hochwasser wie im Juni seien die Kanäle nicht ausgerichtet, sagte OB Tobias Eschenbacher (FSM) am Mittwoch im Werkausschuss des Eigenbetriebs Stadtentwässerung. Dennoch will die Stadt noch an einigen Stellschrauben drehen.

40 Zentimeter hoch sei das Wasser durch die Gasse geflossen und letztendlich auch durch die Tür, schildert Gerhard Schmid. Die Teppiche und ein Teil der Möbel hätten sich voll Wasser gesogen. "Weil wir zufällig da waren, konnten wir die Elektronik vor der Nässe schützen. Ansonsten wären die Anschlüsse auch hinüber gewesen." Agenturinhaberin Gabriele Haaser erinnert sich an eine ähnliche Situation 2017. "Wir sind seit drei Jahren in diesem Büro und haben zwei Überflutungen mitgemacht. Für ein Jahrhundertereignis, wie die Stadt es nennt, ist das relativ häufig, oder?"

Auch Wochen nach der Überschwemmung laufen die Entfeuchter im Büro. "Es macht Arbeit, die Feuchtigkeit aus den Wänden zu bekommen, und man bleibt auf einigen Kosten sitzen. Aber auf Entschädigung durch die Stadt warten wir vergebens", so Haaser. Auch bei den Hauseigentümern Christa Eggerdinger und Heinz Braun ist der Unmut groß. "Man fragt sich mittlerweile, ob man überhaupt noch länger in den Urlaub fahren soll. Was passiert, wenn niemand daheim ist? Sobald es schwarz am Himmel wird, hat man Angst vor einer weiteren Überschwemmung", sagt Eggerdinger. Das Paar wohnt direkt neben dem Versicherungsbüro.

Ursache laut Hauseigentümern: zu enge Kanäle und Straßenumbau

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Die Hauseigentümer vermuten zwei Hauptursachen für die Hochwasser: Zum einen seien die Kanäle viel zu eng gebaut, sodass große Wassermassen gar nicht abfließen könnten. Zum anderen geben sie dem Umbau der Straße Schuld: "Jetzt, wo es keine Gehsteige mehr gibt, drückt das Wasser ungehindert gegen unsere Haustür", kritisiert Braun. Die Furchen des neuen Pflasters seien so versandet, dass das Wasser gar keine Chance habe, im Boden zu versickern. Die einzige freie Furche führe direkt an den Hauswänden vorbei, was den Regen quasi direkt in die Eingangstür leite. Der Stadt werfen die beiden vor, dass sie sich für die Probleme der Anwohner nicht wirklich interessiere.

Dem widersprach OB Eschenbacher im Werkausschuss. Das Kanalnetz sei entsprechend der technischen Vorgaben dimensioniert, sagte er. Man sei aber dabei "zu optimieren, was man optimieren kann". An der alten Knabenschule sei wieder ein Notauslass eingerichtet worden, die Pumpstation an der Korbinanschule werde verbessert. Außerdem will die Stadt die Regierung von Oberbayern anschreiben, ob die technischen Vorgaben für die Kanäle noch aktuell seien oder ob man wegen des Klimawandels nicht besser Anpassungen vornehmen sollte. Ein 20- oder gar 50-jährliches Hochwasser gebe es zum Teil bereits einmal im Jahr, so Werkleiter Franz Piller. "Die Intensität nimmt zu." Die Dinge "überrollen uns", sagte Rudi Schwaiger (CSU). Die aktuelle Situation sei unbefriedigend, die Stadt habe hier eine gewisse Verantwortung. Man müsse überlegen, ob man trotz der rechtlichen Vorgaben beim Kanalbau nicht über die Mindestanforderungen hinaus gehe.

Stadt widerspricht Eigentümern, will aber anderweitig helfen

Die Stadt will nun auf die Hauseigentümer zugehen. Möglicherweise könnten sie über die Städtebauförderung Zuschüsse beispielsweise für wasserdichte Haustüren bekommen, sagte der OB. Auch ob die Wasserführung im Kanalnetz geändert werden kann, soll geprüft werden. Als Notfallhilfe ist eine Schütte mit Sandsäcken eingerichtet worden. Eben die aber nützen nach Auskunft der Anwohner nichts.

Die Betroffenen sind nach wie vor sehr aufgebracht. In einer Bäckerei in der Nachbarschaft seien die dreckigen Wassermassen aus den Abflüssen gekommen, erzählen Eggerdinger und Braun. Sie fordern von der Stadt Einsicht in die Kanalbau-Unterlagen. "Wir wünschen uns natürlich, uns mit der Stadt einigen zu können", sagt Braun, "aber wenn dies weiterhin nichts nützt, müssen wir rechtlich vorgehen".

© SZ vom 19.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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