Hochwasser „Es ist Wahnsinn, was für eine Gewalt das Wasser hat“

Lesezeit: 3 Min.

Großes Chaos: Die Fachräume im Keller der Allershausener Schule sind durch das Hochwasser komplett zerstört worden, alles muss raus.
Großes Chaos: Die Fachräume im Keller der Allershausener Schule sind durch das Hochwasser komplett zerstört worden, alles muss raus. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Schäden in der Allershausener Schule liegen im Millionenbereich. Bis die Stromversorgung wieder funktioniert, können noch Wochen vergehen. Prüfungen aber finden schon wieder statt – unter besonderen Bedingungen.

Von Petra Schnirch, Allershausen

Die Gummistiefel stehen im Flur schon bereit. Die braucht Thomas Nistler, wenn er in den Keller geht – und das macht der Schulleiter zurzeit sehr oft. Er ist jetzt vor allem Krisenmanager. Im Keller des Schulgebäudes in Allershausen steht das Wasser immer noch fünf Zentimeter hoch und es zeigt sich das ganze Ausmaß der Schäden. Das Inventar der Fachräume ist komplett zerstört, ebenso Aufenthaltsraum, Kleiderkammer, Schulbücherei und Archiv. Dass das Wasser gleich 2,20 Meter hoch stehen würde, „damit hätte ich nie gerechnet“, sagt Nistler.

Strom hat die Schule auch mehr als eine Woche nach dem Glonn-Hochwasser keinen, der Schulbetrieb aber läuft seit Montag wieder. Ganz „oldschool“, wie der Schulleiter sagt, mit Megafon für wichtige Durchsagen und Kreide. Die digitalen Whiteboards funktionieren ohne Strom nicht, auf der Außenseite können sie aber mit Kreide beschriftet werden. Zum Glück, meint Nistler. Die Verwaltung ist seit Dienstag über eine Rufumleitung telefonisch wieder zu erreichen.

Schulleiter Thomas Nistler steht noch immer ziemlich fassungslos vor den Schäden im Keller. Sogar die stabile Brandschutztür haben die Wassermassen aufgedrückt.
Schulleiter Thomas Nistler steht noch immer ziemlich fassungslos vor den Schäden im Keller. Sogar die stabile Brandschutztür haben die Wassermassen aufgedrückt. (Foto: Marco Einfeldt)
Eine Schlammschicht bedeckt die Monitore in den Computerräumen.
Eine Schlammschicht bedeckt die Monitore in den Computerräumen. (Foto: Marco Einfeldt)
Fast kein Durchkommen: Die Türen sind aufgequollen und haben sich eingerollt.
Fast kein Durchkommen: Die Türen sind aufgequollen und haben sich eingerollt. (Foto: Marco Einfeldt)

Seit einer Woche könne er nicht mehr richtig schlafen, erzählt Nistler. Zu viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf, etwa wie und wo der Fachunterricht in den kommenden Wochen, vor allem aber im neuen Schuljahr stattfinden könne. Die Unterstützung in der Region aber ist groß. Ein Problem konnte auf diese Weise schon gelöst werden: Am Dienstag begannen an der Mittelschule die Quali-Prüfungen in den Fächern Religion, Ethik und Sport. Sie wurden in die Turnhalle verlegt. Weil es dort bei Regenwetter sehr dunkel ist, stellte der Vater eines Schülers professionelle Beleuchtungstechnik zur Verfügung. Mit dem riesigen Metallgestänge erinnert der Raum nun an eine große Showbühne.

Am Montag, dem ersten Schultag nach dem Hochwasser, brieften Psychologen vom „Kriseninterventionsteam an Schulen“ die Lehrkräfte vor Unterrichtsbeginn, wie sie mit den Kindern und Jugendlichen umgehen sollten. Viele sind selbst betroffen, einige wurden von der Feuerwehr mit Booten aus den Häusern geholt. Die Klassenlehrer und -lehrerinnen ließen die Schüler erzählen, die Psychologen standen bei Bedarf für Einzelgespräche zur Verfügung.

Der Schaden in der Schule dürfte im Millionenbereich liegen, sagt Bürgermeister Martin Vaas. Genaueres zum Zustand der Bausubstanz wisse man erst, wenn der Keller ausgeräumt ist. „Es ist Wahnsinn, was für eine Gewalt das Wasser hat.“ Aufgequollene Türen haben sich eingerollt, die Fluten haben eine massive Brandschutztür aufgedrückt. Der Kühlschrank in der Schulküche ist durch den ganzen Raum geschwemmt worden und hängt jetzt an der Decke der Vorratskammer. Fast skurril wirkt da schon, dass die wesentlich leichteren Bildschirme in den beiden Computerräumen alle noch an ihrem Platz stehen. Entsorgt werden müssen die 48 Geräte dennoch, ebenso wie Küchenschränke und Elektrogeräte, Tische, Stühle, Bücher oder die Kleidung in der Kleiderkammer.

Am Dienstag hat eine Firma mit den Aufräumarbeiten begonnen. Erst wenn die Räume leer sind, kann auch das restliche Wasser abgepumpt werden. „Die Zeit drängt“, sagt der Schulleiter, weil sich Schimmel zu bilden beginnt und die Schule ein offenes Treppenhaus hat. Im ganzen Schulhaus hängt ein muffig-modriger Geruch. Auch Trockenbauwände und Dämmung müssen raus. Erst wenn alles trocken ist, können die Elektriker tätig werden. Bis es wieder Strom gibt, können Wochen vergehen, solange brummen die Notstromaggregate vor dem Gebäude.

Schulbücher und Unterlagen sind unbrauchbar geworden.
Schulbücher und Unterlagen sind unbrauchbar geworden. (Foto: Marco Einfeldt)
Auch der Inhalt der Kleiderkammer muss komplett entsorgt werden.
Auch der Inhalt der Kleiderkammer muss komplett entsorgt werden. (Foto: Marco Einfeldt)

Ein großer Teil der Schäden ist nicht versichert, so nahe an der Glonn sei das nicht möglich, sagt der Bürgermeister. Er hofft, dass die Elektronikversicherung zumindest kaputte Geräte und Computer ersetzt. Erst in den vergangenen Jahren war die Schule aufwendig saniert worden. Allein die Erneuerung der Elektrik kostete 1,13 Millionen Euro.

Man müsse sich Gedanken machen, ob man die Kellerräume künftig teils anders verwende und die Computerräume verlege, sagt Vaas. Zunächst müsse aber erst einmal der Betrieb wieder richtig laufen. Schulleiter Nistler sucht unterdessen nach Lösungen, wie und wo der Fachunterricht im berufsorientierenden Zweig wie Werken, Informatik und Hauswirtschaft im neuen Schuljahr stattfinden wird. Einige Schulen, etwa in Zolling oder im Steinpark in Freising, hätten Unterstützung angeboten. Möglicherweise werden die Schülerinnen und Schüler in Bussen dorthin gefahren. Es werde in jedem Fall eine große Herausforderung, den Stundenplan zu erstellen, sagt Nistler. Für ihn fast ein Normalzustand. Seit sechs Jahren sei er Schulleiter, erzählt er und lächelt müde – drei davon standen im Zeichen von Corona und jetzt das Hochwasser.

Etwas besser sieht es beim Kindergarten Spatzennest aus. Auch er war überschwemmt worden. Drei Gruppen können laut Vaas im Dachgeschoss und im Container betreut werden, eine weitere ist in den evangelischen Pfarrsaal ausgelagert worden. Bei einer Spendenaktion am Montag sei die Einrichtung mit Spielzeug „überschüttet“ worden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Europawahl 2024
:Trotz in Zeiten des politischen Stillstands

Die etablierten Parteien rätseln über den Stimmenzuwachs der AfD bei der Europawahl. CSU und Freie Wähler sind mit ihrem Abschneiden zufrieden. Die SPD klagt über mangelhafte Kommunikation.

Von Peter Becker

Lesen Sie mehr zum Thema

  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: