In vielen, noch so kleinen Dörfern gibt es sie: die Schützenvereine. Sie sind tief in der bayerischen Tradition verankert – und dennoch mit einem negativen Ruf behaftet. Drei langjährig existierende Schützenvereine erzählen von ihren Nachwuchsschützen, ihren Problemen und worum es bei diesem Sport wirklich geht.
Wer das erste Mal den Raum betritt, in dem sich der ganze Sport abspielt, der kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Neben den Schießständen hängen an den Wänden unzählige verzierte Holzscheiben und Auszeichnungen, in Glasvitrinen stehen noch mehr Pokale.


Beim Verein Eintracht Giggenhausen in der Nähe von Neufahrn herrscht freitags voller Betrieb. Kein einziger Schießstand ist mehr frei und es wird sich lebhaft unterhalten. Um 18.30 Uhr stehen die Nachwuchsschützen parat, dreißig Minuten später kommen die bereits geübteren Schützen dazu. Gemeinsam mit ausgebildeten Jugendtrainern wird dann geschossen. Die jungen Mitglieder werden aber nicht nur von den Trainern unterstützt. „Die Jungen nehmen auf die Alten Rücksicht und umgekehrt. Das ist ein Miteinander“, wie Schützenmeister Roland Schmid, selber oberbayerischer und bayerischer Meister, es beschreibt.
Ab einem Alter von zehn Jahren ist es gesetzlich erlaubt, mit einem Lichtpunktgewehr zu schießen. Dabei wird kein Schuss mit Munition oder einem Projektil abgegeben, sondern über einen Lichtstrahl. Wer dagegen mit Luftgewehr oder Luftpistole trainieren möchte, muss mindestens zwölf Jahre alt sein. Daneben gibt es zahlreiche Regeln und Gesetze, an die sich ein Schützenverein halten muss. Beispielsweise „ist immer eine volljährige und ausgebildete Aufsichtsperson dabei, die die Waffe fast schon für die Jugend trägt. Minderjährige dürfen den Schießstand auch nicht mit Waffen verlassen“, erklärt Christian Wohlmann, Schützenmeister der Schützengesellschaft Klettham in Erding.


Doch warum hat der Schützensport trotz der vielen Vorschriften und Sicherheitsmaßnahmen diesen negativen Ruf? Der Vorsitzende des Vereins Edelweiß Hohenbachern, Hubert Lachner, erzählt, woran das liegen könnte: „Insgesamt wird das Schützenwesen immer mit Waffenmissbrauch bei Gewalttaten in Zusammenhang gebracht.“ Das würde die Menschen abschrecken und vor allem Eltern würden ihre Kinder nicht mehr mit Waffen hantieren lassen wollen. „Wobei wir ganz klar hervorheben wollen, dass man das nicht vergleichen kann.“ Da sind sich die drei Schützenmeister einig.
„Beim Schießen geht es um Sport. Genau wie bei Fußball oder Judo.“
Eine Groß- oder Kleinkaliberwaffe habe mit Luftgewehren oder Luftpistolen absolut nichts zu tun. Unerlässlich sei es, den Jugendlichen von Anfang an einen vernünftigen und zuverlässigen Umgang mit den Waffen beizubringen, so Wohlmann. Enorm wichtig ist den drei Männern, aufzuzeigen, dass es sich wirklich um einen Sport handele. „Es geht nicht darum, etwas Böses damit anzustellen. Beim Schießen geht es um Sport. Genau wie bei Fußball oder Judo auch“, sagt Roland Schmid und Hubert Lachner ist ganz ähnlicher Meinung: „Die Luftpistole und das Luftgewehr sind für uns Sportgeräte. So, wie ein Speerwerfer seinen Speer braucht, oder ein Bogenschütze seinen Bogen, brauchen wir unser Luftgewehr oder die Luftpistole“.
Ein weiteres Problem des Schützenwesens sind teilweise auch die Mitgliederzahlen. „Es gibt viele Vereine und jeder kämpft um die Mitglieder“, sagt Hubert Lachner. Jugendliche würden sich oft lieber privat mit ihren Freundesgruppen treffen und das Vereinsleben hinten anstellen, denkt Roland Schmid. Das sei aber „vollkommen verständlich“. Christian Wohlmann ergänzt: „Erding ist eine große Kreisstadt. Es gibt hier viele Vereine und der Nachwuchs kann sich aussuchen, wo er hingehen will.“ Alle drei aber geben sich größte Mühe, junge Menschen für ihren Sport zu begeistern. Beispielsweise durch Ausflüge, Vereins-Kleidung und vor allem interessante Einführungen und Trainings. „Wir wollen ihnen schon auch etwas bieten und sie sollen stolz sein, dass sie dabei sind“, so Lachner.

Das Schützenwesen habe auch viele Vorteile, die auf den ersten Blick gar nicht sichtbar werden. Beobachtet man die Schützen am Schießstand, fällt eines sofort auf: Es herrscht Konzentration pur. Nichts und niemand kann sie ablenken oder aus der Fassung bringen. „Das ist sehr positiv, weil man versucht, an nichts anderes als die gegenwärtige Situation zu denken“, beschreibt Schmid. Das sei gar nicht so leicht. Oft werde hinter oder neben einem gesprochen oder man werde beobachtet. Zu lernen, sich so auf etwas zu fokussieren, ist laut Wohlmann auch sehr vorteilhaft für schulische Dinge.
Das Wichtigste neben dem sportlichen Ehrgeiz sei aber die Gemeinschaft. Nach der sportlichen Betätigung sei „das Gesellige an der Reihe“. Es werde viel geratscht und gemeinsam gelacht. Auch die Jugend gehe nicht gleich wieder nach Hause. Es sei durchaus an der Tagesordnung, dass 17-Jährige mit Zwölfjährigen Karten spielen, wie alle drei Schützenmeister erzählen. Auf junge Menschen habe das einen positiven Einfluss. Viele Menschen würden sich heutzutage schwer tun, sich in Gemeinschaften zu integrieren und aktiv zu sein, so Lachner. Hier würde ein Verein sehr helfen.

Für Christian Wohlmann ist das das Schönste an diesem Sport: „Es wird kein Unterschied gemacht, ob das jetzt ein Jugendlicher ist oder ein Erwachsener. Es ist eine Gemeinschaft, in der jeder willkommen ist. Ein Verein, ein Thema, eine Unterhaltung.“ Bei der Frage, was Hubert Lachner an seinem Sport so liebe, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen – im wahrsten Sinne des Wortes. „Der Schießsport ist unheimlich ehrlich. Wenn man nicht gut drauf ist oder einen schlechten Tag hat, dann merkt man das sofort an der Leistung“, erzählt er lachend. „Wenn man aber mal einige gute Schüsse abgegeben hat, geht das berühmte Kopfkino los und man wird übermütig. Man schießt nochmal und zack, war es viel schlechter.“
Der älteste Schützenverein im Bunde ist die Schützengesellschaft Edelweiß Klettham. Gegründet wurde der Verein im Jahr 1898. Aktuell hat er knapp 50 Mitglieder inklusive fünf Nachwuchsschützen. Die Eintracht Giggenhausen gibt es seit 1920 und der Verein verzeichnet circa 165 Mitglieder, darunter 23 Jugendschützen. Der seit 1921 bestehende Verein Edelweiß Hohenbachern hat 15 Nachwuchsschützen bei einer Gesamtzahl von 225 Mitgliedern, was ihn für die kleine Ortschaft zu einem recht großen Verein macht.