Süddeutsche Zeitung

Inhabergeführte Geschäfte:Vom Badesalz bis zur Leinwand für Künstler

Bei Schreibwaren Wölfle setzt man auf Diversität, um gegen die Konkurrenz aus dem Internet bestehen zu können. Inhaber Eberhard Schnell ist stolz auf Qualität und Beratung in seinem Geschäft. Umso mehr ärgert ihn der sogenannte Beratungsdiebstahl.

Von Birgit Goormann-Prugger, Freising

Der Umbau der Freisinger Innenstadt läuft. Für die Geschäftsleute bedeutet das harte Zeiten mit wechselnden Baustellen oft direkt vor der Tür und teilweise ausbleibender Kundschaft. Beim Werbeverein Aktive City baut man darauf, dass vor allem die traditionsreichen, inhabergeführten Geschäfte der Altstadt die bevorstehenden schwierigen Monate gut überstehen. Die Freisinger SZ stellt diese Geschäfte in loser Folge vor.

Im Eingangsbereich des Schreibwarengeschäfts Wölfle duftet es. Der Duft führt einen zu einem Regal, in dem Badezusätze liegen, hübsch verpackt in kleinen Säckchen. Accessoires wie diese, aber auch Grußkarten, Handtaschen, Handyhüllen oder Schlüsselanhänger mit Plüschtieren gehören mittlerweile überall zum Angebot von Papier- und Schreibwarengeschäften. Das schafft Spielraum für die Kalkulation, denn im angestammten Geschäft mit Papier, Füllfederhalter und Schnellhefter nimmt der Preiswettbewerb zu. Das bestätigt auch Eberhard Schnell, der die Firma 2007 von seinem Vater Wolfgang übernommen hat. Ihre Geschichte lässt sich bis ins Jahr 1775 zurückverfolgen.

Damals wurde die Firma in Ingolstadt gegründet, 1800 wurde sie nach Landshut verlegt, 1830 wurde eine Filiale in Freising eingerichtet - und 1870 war die Freisinger Filiale schon größer als das Stammgeschäft in Landshut. Ein gewisser Johann Georg Wölfle erwarb 1837 die Geschäfte in Landshut und in Freising. Weitere Filialen gab es in Ingolstadt und Deggendorf, die damals von Wölfles Söhnen geleitet wurden. Eberhard Schnells Vater Wolfgang wurde 1970 Alleinhaber der Firma.

Eltern rät Schnell, schon jetzt Schulranzen zu kaufen

"Diversität" nennt der jetzige Firmeninhaber das Geschäftskonzept in Zeiten der Konkurrenz aus dem Internet. "Ich muss schon mit dem sehr spitzen Bleistift rechnen, sonst geht es nicht. Wir müssen immer wieder analysieren, ist das unsere Zielgruppe, können wir das verkaufen, oder bleibt es uns liegen?", sagt er weiter.

Die Qualität der Produkte und fachkundige Beratung sind zwei weitere Aspekte, auf die er und sein achtköpfiges Team Wert legen. "Gerade ist bei uns Saison für Schulranzen für die Schulanfänger", erzählt er und empfiehlt den Eltern, mit dem Kauf nicht erst bis zum Ende der Sommerferien im August zu warten. "Wir in Bayern sind mit dem Schulanfang im September ganz am Schluss dran, da haben die Ranzenhersteller dann kaum noch etwas auf Lager", weiß Schnell.

Im März werde das Angebot für die Schulanfänger um die Schultüten erweitert. Da gebe es dann aber nicht nur die fertigen Tüten, sondern auch Rohlinge, die man selbst mit entsprechendem Bastelmaterial verschönern könne. Das findet man natürlich in dem Geschäft, ebenso wie Materialien für den wahren Künstler wie auf Rahmen gespannte Leinwände, Farben und Pinsel in allen Größen.

Eltern von Grundschülern, die den Stress beim Heftekauf am ersten Schultag vermeiden wollten, könnten mit den Listen der Lehrer, die laut Schnell dann oft schon vorliegen, auch schon vor den Sommerferien vorbeikommen. Eberhard Schnell weiß genau, was gebraucht wird, und kennt sich aus mit der wechselnden "Lineatur" der Schulhefte in den verschiedenen Jahrgangsstufen.

Kunden lassen sich im Geschäft beraten und bestellen dann billig im Internet

Was ihm bei seinem Geschäft Sorgen bereitet, ist das, was er und viele andere Einzelhändler mittlerweile "Beratungsdiebstahl" nennen. Kunden lassen sich beispielsweise den Korb mit den Dingen, die ein Schulanfänger so braucht, zusammenstellen, schauen sich das genau an, verlassen das Geschäft und bestellen alles günstiger im Internet. "Ist ja klar, im Internet kann man ja nichts anfassen oder ausprobieren", sagt Schnell, der darüber nachdenkt, sich die Beratung darum künftig vergüten zu lassen. Wenn der Kunde dann kaufe, werde das verrechnet, versichert er.

Als Schreibwarenhändler reagiert Eberhard Schnell auch auf aktuelle Trends. Einer davon nennt sich "Handlettering", was ganz kurz zusammengefasst die Beschäftigung mit der Kunst des schönen Schreibens mit der Hand meint. "Das ist wirklich eine schöne Sache", sagt Schnell. Aus den kleinen Blanko-Büchern mit kunstvoll gestaltetem Einband können dann die Anhänger dieser Fertigkeit mit verschiedenen Stiften eigene Kalender gestalten oder sie können zum Beispiel Einladungskarten selbst schreiben. Immer beliebter würden auch die Ausmalbücher für Erwachsene. Unter Kennern gilt das als neue Möglichkeit, sich kreativ zu entspannen. Das macht man dann am besten mit einem "Brush Pen", einem Stift, der wie ein Pinsel funktioniert.

Beim Thema Innenstadtsanierung stöhnt Eberhard Schnell ein wenig. Die Zeit, als die Hauptstraße vor seinem Geschäft gesperrt gewesen sei, die sei nicht einfach gewesen, sagt er. "Beim Umsatz haben wir das schon gespürt, vier meiner Mitarbeiter musste ich ziehen lassen", sagt Schnell. Dass er als Hausbesitzer nach dem Wegfall der Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) für die Innenstadtsanierung nicht auch noch zur zu Kasse gebeten werden kann, macht Eberhard Schnell darum froh.

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