Schafhofleiter Eike Berg:Mit Kunst Grenzen überschreiten

Schafhofleiter Eike Berg: Eine 40-Stunden-Woche reicht für Eike Berg, Leiter des Freisinger Schafhofs, nicht aus, um alle Projekte umzusetzen, die ihm am Herzen liegen.

Eine 40-Stunden-Woche reicht für Eike Berg, Leiter des Freisinger Schafhofs, nicht aus, um alle Projekte umzusetzen, die ihm am Herzen liegen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Im Freisinger Schafhof gibt es Publikumsmagneten, aber auch schwieriger zu vermittelnde Ausstellungen. Leiter Eike Berg will damit erreichen, dass die Besucher "über den Tellerrand hinausschauen"

Interview von Katharina Aurich, Freising

Die Leitung des Freisinger Schafhofs sei fast sein Traumjob, sagt Eike Berg, der vor Ideen nur so sprüht und mit einer 40-Stunden-Woche nicht auskommt, um alle seine Projekte umzusetzen, wie er erzählt. Neben dem Fulltime-Job im Schafhof, der ihn immer wieder auf Reisen führt, um Kontakte für das Austauschprogramm zu knüpfen oder bekannte Künstler für eine Ausstellung in Freising zu gewinnen, ist Eike Berg selbst ebenso künstlerisch aktiv. Demnächst sind seine Installationen in Belgien zu sehen, auch eine Galerie in Ungarn vertritt ihn. Dadurch könne er mit den Künstlern auf Augenhöhe verhandeln und sich austauschen, erzählt er.

SZ: Wie macht man ein attraktives, zeitgenössisches Ausstellungsprogramm, das viele Menschen sehen wollen und über das gesprochen wird?

Berg: Im Schafhof ist kontinuierlich, ohne Pause, Kunst zu sehen, wir machen ein durchgehendes Programm - auf hohem, internationalen Niveau. Es gibt Publikumsmagneten, aber auch schwierigere Ausstellungen, mit denen wir normale, aber auch professionelle Zielgruppen erreichen möchten. Die Besucher sollen über den Tellerrand hinaus schauen. Dabei ist mir die Vielfalt ganz wichtig, wir sind ein öffentliches Haus und haben den Auftrag, einen Überblick zu geben und zeigen alle Kunstsparten: Malerei und Zeichnung, Bildhauerei, Grafik, Fotografie, Video, Installationen, Licht- und Computerkunst, Performances und konzeptuelle Kunst.

Wie gewinnen Sie die ausstellenden Künstler?

Wir erhalten viele Bewerbungen, aber gute, anerkannte Künstler bewerben sich nicht, die muss man ansprechen. Deshalb gehe ich dorthin, wo sie ausstellen. Wenn ich etwas sehe, was ich gut finde, frage ich bei den Künstlern an, ob sie kommen möchten. Ein großer Glücksfall war zum Beispiel das russische Künstlerduo "Recycle Group", deren Arbeiten ich auf der Biennale in Venedig entdeckt hatte und die ich über ihre Pariser Galerie, die sie vertritt, für die Ausstellung "Die Grenze ist offen" gewinnen konnte. So etwas spricht sich natürlich in Künstlerkreisen herum und der Ausstellungsort Schafhof wird für etablierte Künstler attraktiver, wenn bekannte Leute hier ausstellen. Ein Image, das den jüngeren und regionalen Künstlern nützt, die wir ebenfalls vorstellen. Außerdem ist das Ausstellungsprogramm die Referenz für die Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern beim europäischen Künstleraustausch.

Bleiben wir bei "Die Grenze ist offen", ein verlockender Titel, typisch für Ihre Ausstellungen?

Ja, wir zeigten Skulpturen, Fotografien und Medienkunst von deutschen und europäischen Künstlern. Sie sensibilisierten mit ihren Arbeiten für viele Grenzüberschreitungen - in Politik, Kommunikation, Digitalisierung, Sinneswahrnehmung, Religion und Roboterisierung.

Was möchten Sie als "Kulturchef" erreichen?

Ich möchte den Besuchern die Vielfalt und Spannbreite zeitgenössischer Kunst näher bringen und mit vielen verschiedenen künstlerischen Positionen zeigen, dass es nicht die eine Wahrheit gibt, sondern viele Perspektiven. Wichtig für den Schafhof und auch für mich selbst ist der internationale Künstleraustausch. Wir haben regelmäßig Künstler bei uns zu Gast, die hier in den Ateliers mehrere Monate lang arbeiten und in Dialog mit den Besuchern und der oberbayerischen Kunstszene treten. In unserem Begleitprogramm organisieren wir spezielle Führungen, Künstlergespräche und Workshops für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, so dass jeder für sich einen individuellen Zugang zur Kunst entdecken kann.

Der Schafhof thront exponiert auf einem Hügel über Freising, ist er auch abgehoben?

Nein. Mir sind vielfältige Kontakte in die Stadt wichtig. Wir haben kürzlich eine gemeinsame Ausstellung mit dem Diözesanmuseum im Schafhof organisiert und schon mehrmals Kooperationen mit dem Wissenschaftszentrum Weihenstephan durchgeführt. Außerdem sind wir mit Freisinger Vereinen und Bürgern, den Filmfreunden Freising, dem Verein 3klang, dem Modern Studio oder dem Volkstanzkreis gut vernetzt und pflegen enge Kontakte zur Stadt.

Ein Blick nach Ungarn - warum sind Sie dorthin gegangen und was hat Sie bewogen, nach 22 Jahren zurückzukehren?

Ungarn war zu DDR-Zeiten das freieste Land im Ostblock, es war sympathisch, offen und interessant. Ich hatte mich dort oft mit Freunden getroffen, die bereits in den Westen ausgereist waren. Und die Lebenshaltungskosten waren günstig. Als dann aber 2010 die jetzige Regierung an die Macht kam, wurde die wirtschaftliche Situation schwieriger, viele meiner Geschäftspartner gingen weg und ich konnte immer schlechter von meiner freiberuflichen Arbeit leben. Außerdem wollten meine Frau und ich, dass unsere beiden Kinder auf eine deutsche Schule gehen.

Sie kennen sowohl West- als auch Ostdeutschland, welche Unterschiede gibt es für Künstler?

Zu DDR-Zeiten musste man sich sofort erklären, sobald man etwas anders machte als den Mainstream, es gab einen starken existenziellen Druck. Das trainiert! Im Westen wurde mehr Wert auf die Form gelegt, im Osten auf den Inhalt. Die beste Kunst besteht aus einer Balance von beidem - und das wollen wir im europäischen Künstlerhaus zeigen.

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