Süddeutsche Zeitung

Rollentausch:Alleinerziehender wegen Schulden vor Gericht

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Seine Exfrau überweist den Unterhalt für den gemeinsamen Sohn nur unregelmäßig, der Vater selbst kann seine Schulden nicht mehr bezahlen - und landet vor Gericht.

Von Gerhard Wilhelm, Freising

Wenn man die Stichworte "alleinerziehend" und "stockende Unterhaltszahlungen" hört, denkt man in der Regel an eine Frau. Ein Klischee wäre erfüllt. Doch es stand ein Mann vor dem Amtsgericht, ein 47-jähriger, alleinerziehender Vater. Ihm wurde vorgeworfen, drohende Zwangsvollstreckungen vereitelt zu haben, indem er das Konto seines Sohnes benutzte. Damit soll er versucht haben zu verschleiern, dass er Geld hat. "Beiseite schaffen von Vermögen", heißt das in der Juristensprache. Konkret ging es um Forderungen in Höhe von 842 und 349 Euro. Der Strafbefehl lautete auf 2400 Euro. Dagegen hatte er Einspruch eingelegt.

Vor Gericht ist der Vater alleine erschienen, obwohl ein Rechtsanwalt angekündigt war. Dem hatte der 47-Jährige aber "aus Kostengründen" das Mandat entzogen. Er gab zu, dass alle Vorwürfe "prinzipiell richtig" seien. Leider sei nirgends erwähnt worden, wie es dazu kam. Er wisse, dass es nicht korrekt sei, Schulden auflaufen zu lassen, aber es gehe "öfters mal knapp zu", wie er sagte. Auch, weil seine Ex-Frau, die Mutter, sehr unregelmäßig Unterhalt zahle und er des öfteren schon deshalb klagen musste.

Der 47-Jährige gestand, dass er schon länger Schulden habe, diese aber im Rahmen seiner Möglichkeiten abzubauen versuche. So sei er derzeit bei rund 1800 Euro. Knapp 5600 seien es einmal gewesen. Er habe mittlerweile sogar ein gutes Verhältnis zur Gerichtsvollzieherin. 2013 habe er trotzdem schon mal eine eidesstattliche Versicherung abgeben müssen. Dass es überhaupt noch die beiden offene Schuldtitel gab, habe er nicht gewusst. Er habe sich ganz auf die Gerichtsvollzieherin verlassen. Von ihr habe er immer ein Schreiben bekommen mit der Höhe des Betrages und die Frist. "Dann haben wir telefoniert oder sie kam. Bisher haben wir immer noch eine Lösung gefunden." Auf diesem Weg habe er auch im Januar 2015 die ausstehende Rundfunkgebühr in Höhe von 378 Euro bezahlt. Er gab zu, dass er vielleicht die Sache eine "bisserl blauäugig" angegangen sei. Vielleicht sei ihm damals auch alles etwas zu viel geworden.

Damit meinte der Vater die Sache mit dem Konto. Aus Verärgerung über seine Bank habe er dort sein Konto gekündigt und sei zu einer Privatbank gegangen. Dort habe er zwei Konten eröffnen wollen - eines für ihn und eines für den Sohn, der das Kindergeld von ihm überwiesen bekomme. Die Bank habe aber nur das Konto des Sohnes eröffnet, er selber sei wegen eines negativen Schufa-Eintrages abgewiesen worden. Zur gleichen Zeit habe er einen komplizierten Wadenbeinbruch erlitten, sei eine Woche im Krankenhaus gelegen, und 13 Wochen krank geschrieben gewesen - was wohl auch dazu führte, dass ihm vom Arbeitgeber gekündigt wurde. "Ich habe mich ja um ein neues Konto kümmern wollen, aber ich konnte mich nur auf zwei Krücken bewegen." Dass das so große Folgen haben würde, habe er nicht gedacht. Jetzt habe er aber ein neues Konto bei einer anderen Bank, einen neuen Job. Es sei nie seine Absicht gewesen, etwas zu verbergen, von seinem Konto sei auch noch nie was gepfändet worden.

Letzteres löste beim Staatsanwalt und bei Richter Michael Geltl einen Verdacht aus. Könnte es sein, dass das Einkommen unter der Pfändungsgrenze liegt, also eine Kontopfändung gar nie möglich gewesen wäre, der Angeklagte deshalb auch nicht daran gedacht habe? Die Kontoauszüge mit rund 1350 Euro Gehalt wiesen darauf hin - nach Abzug aller Freibeträge für ihn und das Kind. Auch der Staatsanwalt hatte deshalb keine Bedenken, das Verfahren gegen Zahlung von 300 Euro einzustellen. 2100 Euro weniger als im Strafbefehl. Auch der angeklagte Vater war damit einverstanden.

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Quelle:
SZ vom 19.03.2015
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