Süddeutsche Zeitung

Richter im Freisinger Moos:Wo der Kiebitz wohnt

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Beim Ortstermin des Verwaltungsgerichtshofs im Freisinger Moos streiten sich Naturschützer und Vertreter der Flughafen GmbH über den Wert von Ausgleichsflächen für die Wiesenbrüter.

Von Peter Becker

"Das ist ein A 340", stellt Vorsitzender Richter Erwin Allesch sachkundig fest. "Das ist kein Wiesenbrüter", fügt er hinzu. Um solche ging es aber bei der Rundfahrt, die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof am Dienstagvormittag durch das Freisinger Moos unternommen hat. Dort befinden sich einige Wiesen, welche die Flughafen München GmbH (FMG) als Ausgleichsflächen für die dritte Startbahn ausweisen will. Der Bund Naturschutz bezweifelt den Wert, den diese für Kiebitze, Wachteln und Wiesenschafstelze haben sollen. Die FMG hebt dagegen deren Wert hervor. Für Richter Allesch ist diese Situation "das tägliche Brot", wie er sagt: "Der eine sagt A, der andere B". Ihm obliegt es, die jeweiligen Flächen in Augenschein zu nehmen und seinen Eindruck in die laufende Verhandlung um den Bau der dritten Startbahn einfließen zu lassen. Eigentlich hätte die Tour durch das Moos schon im Dezember des vergangenen Jahres stattfinden sollen. Wegen des damals herrschenden schlechten Wetters und der schlechten Sicht hatten sich Verwaltungsgerichtshof und Prozessbeteiligte auf einen neuen Termin geeignet.

Erster Zwischenstopp ist ein Feld im Osten Pellhausens. Objekt des Interesses ist die dort heimische Kiebitzpopulation. Wie wenn er es geahnt hätte, steigt ein Vogel vor dem Tross auf und zieht seine Bahn, während im Hintergrund Feldlerchen trällern. Ein Idyll, das aber bald der Krach eines startenden Flugzeugs übertönt.

Der Lärm verschluckt einen Teil der Rede, in der Hans Schwaiger, Biologe beim Bund Naturschutz, die Lage an diesem Standort erörtert. Der Naturschützer behauptet, dass "die Maßnahme" der FMG nicht funktioniert. So habe er im vergangenen Jahr keinen Jungvogel entdecken können, sagt Schwaiger. Nach Angaben der FMG wird hier zum Teil Getreide angebaut, mit geringem Ertrag. Wie Schwaiger berichtet, seien die Kiebitznester mit Stecken markiert worden, bevor das Feld bestellt wurde. "Die Nester waren hinterher alle ausgeplündert", klagt der Biologe. Er bestreitet, dass die Fläche irgendeinen populationsstützenden Zweck erfüllt, wie es die FMG für sich reklamiert. "Der Acker hat bei den Kiebitzen Tradition", stellt er fest. Seiner Ansicht nach geht der Bruterfolg auf dem Gelände zurück. Die Zahl der Kiebitzpaare sei von sieben im Jahr 2006 auf maximal vier im laufenden Jahr gesunken. Ein Biologe der FMG will dagegen regelmäßigen Bruterfolg festgestellt haben.

Nächster Halt ist eine Fläche in der Nähe des ehemaligen Segelflugplatzes Lange Haken bei Giggenhausen. Die FMG hat dort eine Wiese mit einem Elektrozaun abgezirkelt - zum Schutz der Wiesenbrüter vor Füchsen. Die angrenzende Fläche ist an einen Bauern verpachtet. Sie gehört ebenfalls der FMG. Die Wiese wurde an den Bauern verpachtet, von dem sie die FMG gekauft hat. Schwaiger klagt, dass der Landwirt das Grasland noch am 29. April mit Gülle gedüngt habe. Gerade das aber vertrage der Kiebitz nicht. Ulrich Kaltenegger, Rechtsbeistand des Bund Naturschutz, ergänzt, dass die Fläche auch noch gewalzt worden sei - ohne Rücksicht auf Wiesenbrüter, die dabei zu Tode kommen könnten. Mit der Düngung der Wiese habe der Pächter gegen seinen Vertrag verstoßen, entgegnet ein Vertreter der FMG. Dem Bauern werde deshalb gekündigt. Entschuldigend fügt er hinzu: "Die FMG kann nicht für die Fehler ihrer Pächter verantwortlich gemacht werden".

An der dritten Station, den "Parzengründen" östlich von Giggenhausen wiederholen sich Rede und Gegenargumente. Der Bund Naturschutz wirft den Flughafenbetreibern vor, den Zustand des Geländes erst verschlechtert und dann verbessert zu haben, um die Maßnahmen als Erfolg verkaufen zu können. Ein FMG-Vertreter hält dagegen, man habe dort Wasser stauen wollen, sagt er. Das verändere die Feuchtigkeit des Bodens. Der Kiebitz wisse das zu schätzen. Füchse dagegen würden das Gelände meiden, weil sie keine nassen Pfoten bekommen wollen.

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Quelle:
SZ vom 08.05.2013
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