Süddeutsche Zeitung

Rezept für eine glückliche Ehe:Den anderen so lassen, wie er ist

73,5 Jahre haben Hiltraut und Karl Olejak miteinander verbracht. Sie waren das älteste Paar bei der Ehepaarsegnung

Von Tobias Weisskopf, Freising

655 Ehepaare sind am Sonntag in den Freisinger Mariendom gekommen, um für ihre vielen Ehejahre zu danken und den Segen von Kardinal Marx zu empfangen. Nach einem Imbiss gab es für die Paare auf dem Domberg ein buntes, kulturelles Programm. "Die Ehe ist der Versuch, zu zweit mit Problemen fertig zu werden, die man alleine nie gehabt hätte", sagte einst Regisseur Woody Allen. In der heutigen Zeit werden langjährige Ehen immer seltener, denn junge Menschen binden sich später und immer häufig kommt es zu einer Trennung. Beim Ehepaarfest, das dieses Jahr zum zehnten Mal stattfand, feierten die Paare ihre Treue und Lebensleistung. Einige Verheirate sprachen auch über ihr Rezept für ein erfülltes, glückliches Eheleben.

Das älteste Paar durfte auf 73,5 Jahre Ehe zurückblicken. Hiltraut und ihr Mann Karl Olejak heirateten 1943 im Krieg. Der Ehemann sei in russischer Gefangenschaft gewesen, berichtet die 97-Jährige, weshalb sie nach seiner Rückkehr jede Minute genossen hätten. Das Rezept für eine so lange, glückliche Partnerschaft sei, den anderen so zu lassen, wie er ist, sagt Hiltraut Olejak. Kirche und Glaube habe für sie eine große Rolle gespielt, denn sie hätten sich beim abendlichen Gebet ausgesprochen und so Konflikte klein gehalten. Das Ehepaar hat fünf Kinder großgezogen, hat inzwischen 16 Enkel und erwartet demnächst den 20. Urenkel. Der gute Familienzusammenhalt habe sie gestärkt und sei nicht zuletzt ein Grund, weshalb sie geistig und körperlich mit 95 und 97 Jahren so fit seien, so das Paar. Doch zum Rezept für ein langjähriges Bündnis gehören noch allerlei Gewürze, die die Gäste am Nachmittag entdecken konnten. Das Clown-Ehepaar Nikolosi und Clownine spielte im Kardinal-Döpfner-Haus typische "Szenen einer Ehe". Ein Ehemann witzelt, die 50 Jahre Ehe habe er nur geschafft, weil er seiner Frau immer Recht gegeben habe. Eine Prise Humor sei die entscheidende Zutat für ihr Eherezept, erklärt das Ehepaar Hintermaier, das hinter Clownine und Nikolosi steckt. Auch Schweigen und Nachdenken seien wichtig. Gelegenheit dazu hatten die Ehepaare im Raum der Stille. Die Verheirateten konnten innehalten und für die Zukunft Kraft tanken sowie auf die gemeinsamen Jahre zurückblicken. Zuhören ist ebenfalls ein Gewürz, das im Eherezept nicht fehlen darf. Kreisheimatpfleger Rudolf George las unterhaltsame Geschichten über das Eheleben und sang gemeinsam mit den Zuhörern bekannte Liebeslieder. Musikalisch wurde es auch mit der Band "Pitu Pati", die den Eheleuten mit bayerischer Weltmusik zur Vollständigkeit des Rezeptes verhalf: körperliche Nähe und dem anderen Aufmerksamkeit schenken. Das lasse sich am besten beim Tanzen vereinen. Fazit: Wer die gemeinsam verbrachte Zeit zu schätzen weiß, die Dinge mit Humor nimmt, Zeit für sich selbst hat und den anderen so akzeptiert, wie er ist, der findet dann auch Lösungen für Probleme, die er alleine nie gehabt hätte.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3188676
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 04.10.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.