Süddeutsche Zeitung

Revolution von 1918/19 im Landkreis:Alles schnell vorbei

Auswirkungen der Revolution von 1918/19 waren auch im Landkreis Freising zu spüren - beispielsweise durch die Gründung von Arbeiter- und Bauernräten, die für alle Gemeinden vorgeschrieben waren.

Von Petra Schnirch, Allershausen

Die Revolution von 1918/19 spielte sich vor allem in München und anderen größeren Städten ab. Die Auswirkungen waren aber auch im Landkreis Freising zu spüren - beispielsweise durch die Gründung von Arbeiter- und Bauernräten, die für alle Gemeinden vorgeschrieben waren. Beat Bühler, Vorsitzender des Geschichtsforums Freising, hat in Akten und alten Zeitungen geforscht, wie die Ereignisse in Stadt und Landkreis wahrgenommen wurden beziehungsweise, welche Folgen sie hatten. Persönliche Aufzeichnungen Freisinger Bürger dazu habe er leider keine gefunden, sagte Bühler am Mittwoch bei einem Vortrag im katholischen Pfarrheim in Allershausen.

Ein Freisinger aber war bei den Geschehnissen in München in erster Reihe dabei. Hans Unterleitner, Jahrgang 1890, war im Arbeiterrat, der nach den großen Demonstrationen in München am 7. November 1918 gegründet worden war, zum Stellvertreter Kurt Eisners bestimmt worden. In dessen Kabinett war er Bayerns erster Sozialminister. Einige Monate nach Eisners Ermordung heiratete er dessen Tochter.

In der Domstadt blieb es in diesen Tagen vergleichsweise ruhig, wie das Freisinger Tagblatt am 10. November berichtete. "Einer für nachmittags halb zwei Uhr auf dem freien Platze vor dem Bahnhofe angesetzten Versammlung wohnte eine große Menschenmenge an. Es kam jedoch lediglich nur ein Aufruf des Soldaten-, Arbeiter- und Bauern-Rates zur Verlesung, der zur Ruhe und Besonnenheit mahnte."

Ziel der Arbeiterräte war die Erziehung "zur politischen Mitarbeit"

Selbst in den kleineren Gemeinden im Landkreis wurden in den nächsten Wochen Arbeiterräte gewählt. Laut Bühler war deren Tätigkeit eingeschränkt worden, sie hatten nur Aufsichts- und Beratungsrecht, wie eine Äußerung von Innenminister Erhard Auer zeigt. Ziel war es, die Bevölkerung "zur politischen Mitarbeit" heranzuziehen.

In Kranzberg wurde am 8. Dezember ein aus neun Mitgliedern bestehender Bauern- und Soldatenrat ins Leben gerufen, die Versammlung war laut einem Zeitungsbericht sehr gut besucht. Die Aufgabe des Gremiums: "Unter Wahrung der Freiheit der Gesinnung verpflichtet er sich, die jetzige Regierung zu unterstützen." Auch sollte dem "verderblichen Schleichhandel der Boden entzogen" werden. 60 Personen traten dem sofort bei. Wählen durften zum ersten Mal auch Frauen. In Hallbergmoos schaffte eine von ihnen sogar den Sprung in das Gremium. Die Taglöhnerin Katharina Schneeberger blieb aber offenbar die einzige im Landkreis.

Bauernräte als "Sozialdemokratisierung der Bauernschaft"?

Der Wahl verweigert hatte sich dagegen die Gemeinde Reichersdorf, sie erklärte im Januar 1919, dass sie keinen Bauernrat wählen werde, da sie zu klein sei. An den Meldezettel ist ein kleiner Zeitungsausschnitt geheftet, wie Bühler ausführte, auf dem zu lesen ist: "Jetzt wissen wir wenigstens, wozu die Bauernräte dienen. Als Sprungbrett für die Sozialdemokratie, zur Sozialdemokratisierung der Bauernschaft." Mit der Revolution war es schon bald wieder vorbei. Ende April wendete sich das Blatt. Regierungstruppen bezwangen die Rote Armee, die sich gebildet hatte. Auch in Palzing. In der Nacht zum 25. April hatte die Revolutionäre dort Maschinengewehre aufgestellt, in Wölfling standen Kanonen der Gegenseite. Als die "Roten" im Rohburgerhaus gerade beim Kaffeetrinken waren, wurden sie überwältigt.

In Freising gab es am 29. April einen öffentlichen Aufruf, dass die Stadt "treu und rückhaltlos" zur Regierung Hoffmann, Gegner der ausgerufenen Räterepublik, standen. Deren Truppen seien als "Freunde und Helfer in unserer Stadt", hieß es weiter. Einige Tage später kamen dann etwa 100 bei Ismaning gefangene Rotgardisten ins Freisinger Gefängnis und in die Kaserne.

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