TierschutzAlles für die Kitze

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Ducken statt Wegrennen: Weil Rehkitze keinen Fluchtinstinkt besitzen, verstecken sie sich an Ort und Stelle und können so bei Mäharbeiten leicht übersehen werden.  
Ducken statt Wegrennen: Weil Rehkitze keinen Fluchtinstinkt besitzen, verstecken sie sich an Ort und Stelle und können so bei Mäharbeiten leicht übersehen werden.   (Foto: privat)

Bald beginnt wieder die Mähsaison – und so auch der Einsatz der Vereins „Wir retten Rehkitze“ aus Neufahrn, der sich mit Drohnen für den Tierschutz engagiert. Die Helfer rücken auch mitten in der Nacht aus.

Von Francesca Polistina, Neufahrn

An den Einsatztagen klingelt der Wecker oft gegen drei Uhr morgens, wenn es draußen noch dunkel ist. Dann heißt es, sich schnell fertig machen und mit dem ganzen Equipment aufs Feld fahren, also mit Handschuhen, Kescher, Körben, Walkie-Talkies und natürlich Drohnen. Nur so, mit Drohnen mit Wärmebildkameras, können die im hohen Gras versteckten Rehkitze sicher gefunden und vor der Mahd gerettet werden, erklärt Martina Zander aus Neufahrn. Sie ist Tierschützerin und Gründerin des Vereins „Wir retten Rehkitze“ und sie blickt mit Freude, Erwartung und auch ein bisschen Nervosität auf die bald beginnende Mähsaison.

Genaue Zahlen gibt es nicht, aber Schätzungen zufolge werden jedes Jahr in Deutschland etwa 100 000 Rehkitze von Mähwerken getötet, weil sie in den ersten Lebenswochen keinen Fluchtinstinkt haben, sondern sich bei Gefahr auf den Boden festdrücken, um sich vor natürlichen Feinden gut zu tarnen. Der Landwirt auf dem Mähdrescher kann die versteckten Jungtiere nicht sehen, und so können diese versehentlich von der Maschine erfasst werden.

Deswegen sind die Bauern dazu verpflichtet, vor der Mahd Maßnahmen zum Schutz der Rehkitze zu ergreifen - sonst droht eine Geldstrafe. Traditionell werden die Wiesen von Jägern und Jagdhunden abgesucht, doch in den vergangenen Jahren hat eine innovativere, schnellere und laut den Tierschützern auch für die Kitze sicherere Methode an Bedeutung gewonnen: die Rettung aus der Luft. Denn die Winzlinge haben nicht nur keinen Fluchtinstinkt, sondern auch keinen oder nur einen schwachen Eigengeruch.

110 Ehrenamtliche gehören zum Verein

Vor rund zweieinhalb Jahren hat Martina Zander den Verein „Wir retten Rehkitze“ gegründet - und nicht gedacht, dass sie so schnell auf so großes Interesse stoßen würde. Der Verein ist im Norden von München - etwa in den Landkreisen Freising, Erding, Pfaffenhofen und Dachau - aktiv. Aktuell gehören 110 geschulte Ehrenamtliche dazu, darunter über 30 Drohnenpiloten, die eine zusätzliche Schulung absolviert haben. Zwei Drittel der Helferinnen und Helfer sind neu, was bedeutet, dass sie in dieser Saison zum ersten Mal dabei sind.

Das wachsende Interesse hat sicher mit dem Thema Tierschutz zu tun, aber auch mit der tatkräftigen Vereinsgründerin Martina Zander, die mit etlichen Vorträgen und Aktionen, wie einer Benefiz-Radtour von Neufahrn nach Sylt, um Sympathisanten und Spenden geworben hat. Dank der Spenden konnte der Verein acht Drohnen anschaffen, dazu kommen drei private Drohnen, die ebenfalls für die Rehkitzrettung eingesetzt werden. „Wir sind gut ausgerüstet“, sagt Martina Zander. Nun liegt der Ball bei den Landwirten.

Denn um überhaupt handeln zu können, müssen die freiwilligen Rehkitzretter erst mal beauftragt werden. Der Landwirt muss also den Verein einen oder am besten mehrere Tage vor der Mahd informieren und die Felddaten übermitteln, der Einsatz der Rettungsteams ist für ihn kostenlos. Auch der zuständige Jäger muss informiert werden. Die Helferinnen und Helfer suchen dann das vereinbarte Feld in den frühen Morgenstunden mit einer Drohne mit Wärmebildkamera ab und, wenn sie ein Rehkitz finden, tragen sie es aus dem Feld und legen es vorübergehend in einen schützenden Korb, aus dem es erst nach der Mahd wieder freigelassen wird. Danach findet die Mama das Kitz durch Rufen wieder und sucht ein neues Versteck.

Tierschützerin Martina Zander sagt, in den vergangenen zwei Jahren seien „sehr gute Kontakte entstanden“, sowohl zu den Landwirten als auch zu den Jägern. Einige von ihnen haben auch Geld an den Verein „Wir retten Rehkitze“ gespendet und sich im Voraus einen Einsatz reserviert. Das Problem ist aber, dass einige Landwirte nicht mitmachen und keine Vorkehrungen treffen, wie einige Gerichtsverfahren deutschlandweit zeigen. „Es fehlen ein paar saftige Urteile“, schlussfolgert Zander. Insgesamt sieht sie aber ein wachsendes Bewusstsein.

In den nächsten Tagen wird mit der Mahd begonnen, wann genau, das entscheiden das Wetter und natürlich die Landwirte. Tierschützerin Zander freut sich über jeden Landwirt, der beschließt, Drohnen einzusetzen. „Es müssen nicht unbedingt unsere Drohnen sein“, betont sie. Denn auch Jägervereine wie der Freisinger oder andere Tierschützer haben sich der Rettung von Rehkitzen verschrieben und spezielle Drohnen angeschafft. „Das Netzwerk wird immer größer“, sagt Martina Zander. Ihr Hauptziel ist es, zu erreichen, dass Drohnen „wirklich flächendeckend“ für die Rehkitzrettung eingesetzt werden.

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