Ratlose Sozialdemokraten:Vom Bürger nicht mehr gebraucht

Ratlose Sozialdemokraten: Markus Grill ist nach seiner Schlappe enttäuscht und ratlos. Er fragt sich, "ob das noch Sinn macht".

Markus Grill ist nach seiner Schlappe enttäuscht und ratlos. Er fragt sich, "ob das noch Sinn macht".

(Foto: Marco Einfeldt)

SPD-Kandidat Markus Grill muss erst mal verarbeiten, dass er trotz eines engagierten Wahlkampfes so desaströs abgeschnitten hat. Die Genossen im Landkreis schreiben die Schlappe der Bundespartei zu, die nun zeigen müsse, dass sie die Themen der Zukunft erkannt habe

Von Kerstin Vogel, Freising

Dass er gleich hinwirft, soweit ist SPD-Kandidat Markus Grill am Tag nach dem großen Wahldesaster noch nicht. "Aber das wird schon noch so zwei, drei Wochen in mir arbeiten", sagt er am Montag: "Solange will ich mir Zeit geben, um zu sehen, wie man weitermacht und wie ich weitermache."

Das katastrophale Wahlergebnis der bayerischen SPD, die im Freistaat mit nur noch 9,3 Prozent der Gesamtstimmen gut die Hälfte ihrer Wähler verloren hat, trifft die Freisinger Genossen noch einmal härter, weil man hier ohnehin schon schlechter war als der Landesschnitt und nach der Halbierung für die Freisinger tatsächlich nur noch sechs Prozent übrig geblieben sind. "Darüber mache ich mir schon Gedanken", sagt Grill, auch weil man einen sehr engagierten Wahlkampf geführt habe. "Wir haben viel gemacht, was in dem Kreisverband lange nicht gemacht wurde, und trotzdem hat es nicht einmal zu einer kosmetischen Korrektur des Ergebnisses gereicht."

Natürlich werde er die SPD auch in den Kommunalwahlkampf in zwei Jahren führen, so Grill, aber er frage sich schon, ob er sein ehrenamtliches Engagement in Zukunft nicht stärker auf den Mieterverein ausrichten sollte. Die Freisinger SPD habe alles gemacht, was möglich gewesen sei, man habe mit dem Thema Wohnen einen Wahlkampf geführt, "der auf die Probleme hier zugeschnitten war", bei der Startbahn positioniere er sich schon seit Jahren eindeutig als Gegner - und trotzdem sei das Wahlergebnis so schlecht ausgefallen: "Da fragt man sich schon, ob das noch Sinn macht."

Leider sei ein guter Wahlkampf nicht immer ausschlaggebend, hatte Andreas Mehltretter, der stellvertretende SPD-Kreisvorsitzende, schon am Wahlabend selber analysiert. Er macht vor allem die Bundespolitik für das miserable Ergebnis verantwortlich: "Die SPD muss mal zeigen, dass sie die Probleme der Zukunft erkannt hat. Das sind der Klimawandel und die Energiewende, aber auch Themen wie Europa oder die soziale Absicherung der Menschen." Der Zirkus um Horst Seehofer habe die SPD ebenso mit runtergezogen wie der Berliner Streit um die geplante Beförderung des obersten Verfassungsschützers Maaßen zum Staatssekretär, denkt Kreisvorsitzender Peter Warlimont: "Da fragt man sich ja schon, wofür braucht es eigentlich eine SPD, wenn solche Entscheidungen möglich sind."

Wahlkampfleiter Herbert Bengler kann sich gerade in Freising das schlechte Abschneiden nicht erklären: "Wir haben mit unserem Kandidaten Markus Grill einen sehr engagierten Wahlkampf gemacht", lobt er, es komme eben vieles bei den Wählern einfach nicht an. "Es tut sehr weh, aber der Bürger hat jetzt entschieden, dass er die SPD nicht so braucht", fasst Bengler zusammen. Natürlich sei man im Moment sehr enttäuscht und ratlos, ergänzt Warlimont, "aber wir werden uns schütteln und dann weitermachen".

Sein bestes persönliches Ergebnis hat Direktkandidat Markus Grill mit 8,48 Prozent der Wählerstimmen in Eching geholt. Die Gemeinde gilt zwar traditionell als eine der letzten SPD-Bastionen, trotzdem halbierte sich auch hier das Erststimmenergebnis. In Kirchdorf, aber auch in einigen anderen Gemeinden im Norden des Landkreises wäre die SPD bei dieser Wahl sogar an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, außer den Grünen und den Freien Wählern zog auch noch die AfD als neu angetretene Partei an ihr vorbei, was Bezirkstagskandidat Victor Weizenegger noch schlimmer findet, als das eigene Wahlergebnis: "Es schaut danach aus, als wären wir von einer rechtsextremen, neofaschistischen Partei überholt worden, das macht mir mehr Sorgen", sagte er am Wahlabend.

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