Querdenken-Demo in Freising:Ein Fall für Mediatoren

Querdenken-Demo in Freising: 110 Anhänger der Querdenker-Initiative protestieren am Freitag in Freising gegen die Corona-Maßnahmen. 120 Gegendemonstranten werfen ihnen vor, dass sie sich von rechten Kräften instrumentalisieren lassen.

110 Anhänger der Querdenker-Initiative protestieren am Freitag in Freising gegen die Corona-Maßnahmen. 120 Gegendemonstranten werfen ihnen vor, dass sie sich von rechten Kräften instrumentalisieren lassen.

(Foto: Marco Einfeldt)

110 Anhänger der Querdenker-Initiative protestieren am Freitag in Freising gegen die Corona-Maßnahmen. 120 Gegendemonstranten werfen ihnen vor, dass sie sich von rechten Kräften instrumentalisieren lassen.

Von Thilo Schröder, Freising

Es war ein verqueres Setting, das sich am Freitagnachmittag auf dem Freisinger Marienplatz bot: auf der einen Seite, stehend, Anhängerinnen und Anhänger der Querdenken-Initiative, die gegen die Corona-Maßnahmen protestierten. Auf der anderen Seite, sitzend, Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Gegenveranstaltung, getragen von mehreren politischen Organisationen. Redebeiträge kamen versetzt, teilweise übertönt von Musikeinlagen der jeweils anderen Seite. Die Zahlen: ausgeglichen. 110 demonstrierten auf der Querdenker-Seite, 120 setzten sich ihnen entgegen, wie die Polizei zwischenzeitlich schätzte. Auf den ersten Blick ein erwartbares Setting. Ganz so polarisiert war es aber dann doch nicht.

Der Umgang mit der Pandemie zerreiße Familien, verbreite Panik, zerstöre die Wirtschaft, sagt eine Querdenkerin

Optisch auffallend war zunächst, dass in beiden Gruppen versucht wurde, Abstände einzuhalten und dass Masken getragen wurden, bei den Corona-Kritikern allerdings nur in Teilen. Die Veranstalter, auf einer Lastwagenladefläche stehend, appellierten mehrmals an die Einhaltung der Regeln. Sprecher der überregionalen Querdenker-871-Initiative aus Landshut sowie Menschen aus dem Publikum machten ihrem Unmut über das Handeln der Regierung in der Pandemie Luft.

Querdenken-Demo in Freising: Plakate zeugen von den sehr unterschiedlichen Ansichten.

Plakate zeugen von den sehr unterschiedlichen Ansichten.

(Foto: Marco Einfeldt)

Es gehe ihr "um viel, viel mehr" als ein Virus oder das Tragen einer Maske, sagte eine Frau. Es gehe ihr um die Wahrung der Grundrechte. Bei ihr sei seit April die Erkenntnis gewachsen, "dass für unsere Volksvertreter das Grundgesetz genauso auf Klopapier gedruckt sein könnte". Der Umgang mit der Pandemie zerreiße Familien, verbreite Panik, zerstöre die Wirtschaft, nun werde auch noch Weihnachten beschränkt. "Ich bin weder links noch rechts, noch Nazi", so die Frau. Sie stehe hier "für Frieden, Freiheit, Wahrheit und Selbstbestimmung".

Sicher seien nicht alle Querdenker Rechte, "aber sie lassen sich von ihnen instrumentalisieren", heißt es von der Gegendemo

Über Maßnahmen könne man natürlich diskutieren, sagte auf der anderen Seite, bei der Gegendemo, Grünen-Stadtrat Nico Heitz. "Aber faktenbasiert." Wenn hingegen von "dunklen Mächten" die Rede sei, biete das Anschluss an gefährliche Strömungen wie die extreme Rechte. Wenn sich zur Kritik Hass, Rassismus und Antisemitismus gesellten, sei das "ein Riesen-Problem". Fraktionskollegin Joana Bayraktar fasste zusammen: Sicher seien nicht alle Querdenker Rechte, "aber sie lassen sich von ihnen instrumentalisieren".

Querdenken-Demo in Freising: „Stellt keine Fragen", heißt es hier auf einem Plakat der Querdenken-Demo.

„Stellt keine Fragen", heißt es hier auf einem Plakat der Querdenken-Demo.

(Foto: Marco Einfeldt)

Wieder auf der anderen Seite. Auch die Presse ist Zielscheibe der Querdenker. "Die Journalisten, die die Einheitsmeinung vertreten, die werden dafür bezahlt", sagte ein Mann. Er habe einzelnen Personen persönliche Gespräche am Telefon angeboten, das Angebot sei jedoch nicht angenommen worden. Die rund 15 000 Toten, die das Virus bislang in Deutschland gefordert hat, verglich er mit der Grippewelle 2017/18, die etwa 25 000 Menschen das Leben gekostet habe. Was er ausklammerte: den Umstand, dass nach weitgehend übereinkommender Einschätzung eben genau jene kritisierten Maßnahmen die Zahlen gesenkt haben. Und: dass nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts im Nachgang zur Grippewelle 1665 Personen nachweislich durch Influenza-Viren starben.

Ein junger Mann schlägt ein "Bürgerforum" vor, mit "Mediatoren", um beide Seiten zusammenzubringen

Der Mann behauptete außerdem, dass niemand wisse, ob Corona-Tote an oder mit dem Virus gestorben seien. Tatsächlich gibt es nicht in allen, wenn auch in den meisten Fällen weitgehend Gewissheit, ob Covid-19 ursächlich für einen Tod war. Die Gesundheitsämter entscheiden in der Regel auf Basis der ärztlichen Diagnose. Der Mann meinte unter anderem, wie er ausführte, Unfälle Covid-Erkrankter mit Todesfolge. Solche Fälle sind laut Robert Koch-Institut aber Einzelfälle, wie der BR-Faktenfuchs kürzlich berichtete.

Querdenken-Demo in Freising: „Grundrechte schützen – mit Abstand zu Antisemitismus, Verschwörungsideologien und Rechten“ und "Ich trage Maske, weil ich nicht allein bin. Solidarität statt Hetze" steht auf Plakaten der Gegendemonstranten.

„Grundrechte schützen – mit Abstand zu Antisemitismus, Verschwörungsideologien und Rechten“ und "Ich trage Maske, weil ich nicht allein bin. Solidarität statt Hetze" steht auf Plakaten der Gegendemonstranten.

(Foto: Marco Einfeldt)

Auf Seiten der Gegendemo äußerten sich derweil auch versöhnliche Stimmen. Sie sei "auch nicht mit allem glücklich", sagte eine Frau. Aber: "Wir müssen damit klarkommen." An die Corona-Kritiker gerichtet appellierte sie an deren "gesunden Menschenverstand". SPD-Stadtrat Peter Warlimont betonte, dass die Maßnahmen vorübergehend und "mit Augenmaß" gewählt seien. "Das ist keine Diktatur."

Ein junger Mann sprach von einem "Bürgerforum", von "Mediatoren", um beide Seiten zusammenzubringen. Was er weiter ausführte, ging unter, übertönt von einem Musikbeitrag der Querdenker. Die Türen für einen Dialog, so wirkte es an diesem Freitag, sie stehen zumindest offen.

Hinweis: Im fünften und sechsten Absatz wurden Aussagen nachträglich korrigiert, die aufgrund der akustischen Gemengelage in einer ersten Version zunächst inkorrekt wiedergegeben wurden. Außerdem wurde im sechsten Absatz eine Aussage zur Grippewelle 2017/18 durch damalige Angaben des Robert Koch-Instituts ergänzt, die davon abweichen.

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Etwa 110 Menschen versammeln sich am Freitag am Marienplatz, um gegen die Corona-Politik zu protestieren. Bei der Gegenveranstaltung warnen genauso viele Teilnehmer vor einer Vereinnahmung durch Rechte.

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