Prozess:Zweifel an der Unschuld bleiben

Kunst am Tresor

Symbolbild: Aus dem Tresor einer Freisinger Firma wurden 11 000 Euro gestohlen.

(Foto: Ingo Wagner/dpa)

Der eine weiß, wo in der Firma der Tresor steht. Er sagt es dem Bruder, der ihn klaut. Klingt einleuchtend. Beweisen kann man es den beiden aber nicht, auch nicht mit einem halben Dutzend Zeugen. Darum werden sie freigesprochen.

Von Alexander Kappen, Freising

Eigentlich, so sagte Richterin Tanja Weihönig am Ende der Verhandlung, "passt alles wunderbar ins Bild". Ein Bruder arbeitet in der Firma, kennt sich dort aus, weiß, wann am meisten Geld im Tresor ist und sagt es seinem Bruder, der den Tresor dann klaut und abtransportiert. "Aber man kann es ihnen nicht nachweisen", stellte die Richterin nach der Vernehmung eines halben Dutzend Zeugen fest. Das Freisinger Amtsgericht sprach die beiden angeklagten Brüder aus dem Kreis Kelheim, die sich wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall verantworten mussten und sich während der Verhandlung nicht äußerten, schließlich von dem Verdacht frei.

Fest steht, dass in den Räumen eines Flughafen-Parkservices in Freising in der Nacht des 15. Oktober 2017 an einem Sicherungskasten der Strom abschaltet wurde, nachdem der oder die Täter eine Tür aufgebrochen und sich Zutritt verschafft hatten. Die installierten Videokameras waren somit außer Gefecht und nahmen nicht auf, wie der Täter ins Büro eindrang, dort einen Tresor mit etwa 11 000 Euro Inhalt aus der Wand riss und damit floh. Für den Geschäftsführer der bestohlenen Firma war es naheliegend, dass ein Mitarbeiter an der Tat beteiligt war. "Die Täter wussten zum Beispiel, wo die Videokameras sind und wo man den Strom abschalten kann."

Es war der ältere der beiden Angeklagten, der als Mitarbeiter der Firma am nächsten Tag die Polizei rief und den Diebstahl meldete. Als die Polizei die Funkzellen im Bereich um den Tatort überprüfte, wurde der 29-Jährige vom Zeugen zum Beschuldigten, wie ein Beamter der Inspektion Freising in der Verhandlung berichtete. Bei der Überprüfung kam heraus, dass der 29-Jährige, der seine Nummer als Zeuge der Polizei gegeben hatte, um die Tatzeit via Handy regen Kontakt zu einem Mobiltelefon hatte, das im Gebiet um den Tatort eingeloggt war. Die Nummer dieses Telefons konnte schließlich dem 26-jährigen Bruder und Mitangeklagten zugeordnet werden.

Von dem 29-Jährigen wurden DNA-Spuren sichergestellt

An der aufgebrochenen Tür am Tatort wurden DNA-Spuren sichergestellt, die eindeutig von dem 29-Jährigen stammten. Er könne jedoch nicht ausschließen, dass dieser als Mitarbeiter der Firma beim Entdecken des Einbruchs oder schon früher die Tür berührt und somit die Spuren hinterlassen habe, sagte der Polizist. Vom 26-Jährigen wurden keine Spuren am Tatort gefunden. Die Staatsanwaltschaft erließ einen Durchsuchungsbeschluss. So entdeckte die Polizei beim älteren Angeklagten eine Art Quittung über 10 000 Euro, auf der aber keine näheren Angaben über den Zweck der Zahlung gemacht wurden. Das Geld hatte der 29-Jährige dem Betreiber eines anderen Parkservice-Unternehmens in Freising übergeben, dessen Firma er kaufen wollte. Das bestätigte der Betreiber in der Verhandlung. Die 10 000 Euro seien als Anzahlung gedacht gewesen, "um zu zeigen, dass er es ernst meint".

Das Geschäft mit einem angedachten Gesamtvolumen von 80 000 Euro ging aber offenbar nie über die Bühne. Das Geld, das er schon anderweitig ausgegeben habe, werde er in Raten wieder zurückzahlen, so der frühere Betreiber des Parkservices, der mittlerweile im Allgäu lebt. Der 29-Jährige habe erzählt, die 10 000 Euro für die Anzahlung von seinem Vater bekommen zu haben, berichtete der Zeuge. Das bestätigte der Vater schließlich auch im Gerichtssaal. "Das Geld war eigentlich für meine Rente gedacht, ich habe es von meinem Vater bekommen, als der sein Haus verkauft hat", sagte der 56-Jährige. Er habe es dann aber seinem Sohn geliehen.

Die Staatsanwältin hatte "Restzweifel" und war sich "sicher, dass die Angeklagten etwas mit dem Einbruch zu tun haben, aber wir konnten es ihnen in der Hauptverhandlung leider nicht nachweisen". Sie beantragte deshalb "einen Freispruch aus tatsächlichen Gründen". Die beiden Verteidiger forderten ebenfalls Freisprüche. "Ein Tatnachweis war nicht zu führen, aber das war bei Ansicht der Akten schon absehbar", sagte der Anwalt des 29-Jährigen: "Dass die Staatsanwaltschaft überhaupt Anklage erhoben hat, war schon sehr sportlich." Die Beweisaufnahme habe nicht die Unschuld der Angeklagten bewiesen, aber auch nicht, dass diese die Tat begangen haben, sagte die Richterin Tanja Weihönig. "Ich bin nicht von ihrer Unschuld überzeugt, aber ich kann es ihnen nicht nachweisen." Zu den Angeklagten sagte sie: "Wenn Sie es waren, haben Sie Glück gehabt - und ansonsten sind Sie zurecht freigesprochen worden."

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